Conversation(s) With Other Women

- | Großbritannien/USA 2005 | 86 Minuten

Regie: Hans Canosa

Nach einer Hochzeitsfeier verbringen ein Mann und eine Frau Ende 30 die Nacht gemeinsam in einem Hotel. Zunächst scheint es, als hätten sie sich erst bei der Feier kennen gelernt, doch bald offenbaren Erinnerungen, dass sie früher ein Paar waren. Kammerspielartig fokussiert auf die beiden Hauptfiguren und ihre Kommunikation, reflektiert der Film intelligent und berührend über enttäuschte Erwartungen und den Irrgarten zwischen Realität und Romantik. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CONVERSATIONS WITH OTHER WOMEN
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Gordonstreet
Regie
Hans Canosa
Buch
Gabrielle Zevin
Kamera
Steve Yedlin
Musik
Jeff Eden Fair · Starr Parodi
Schnitt
Hans Canosa
Darsteller
Aaron Eckhart (Mann) · Helena Bonham Carter (Frau) · Yury Tsykun (Barkeeper) · Brian Geraghty (Brautführer) · Brianna Brown (Braut)
Länge
86 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
HMH (1:2,35/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Vor vielen Jahren war da eines Sommers ein Mädchen, das unter einem Baum saß und ein Buch las. Ein junger Mann sah es und sprach es an, und er ließ sich nicht einschüchtern, als ihn die Schöne mit einer lässigen Handbewegung wegwedelte wie einen Diener. Erst kam es zu einem Kuss, später zu einer Beziehung und dann sogar zu einer (wenn auch nur kurzen) Ehe. Dieses junge Mädchen und der Junge mit den fast schulterlangen blonden Haaren sind immer wieder präsent in dem Hotelzimmer, in dem zwei übrig gebliebene Gäste einer Hochzeit, beide Ende Dreißig, zusammen die Nacht verbringen. Sie ist eine der Brautjungfern, aber wohl nur, weil die Braut kurzfristig einen Ersatz für eine verunglückte Freundin finden musste; Ehefrau eines Kardiologen, Mutter dreier Kinder, wohnhaft in London. Er ist der Bruder der Braut, Anwalt, liiert mit einer wesentlich jüngeren Tänzerin. Als er sie unten im Festsaal anspricht, klingt das noch so, als würden sich beide zum ersten Mal begegnen, als wäre da eine spontane Anziehung zwischen Fremden, die zielsicher auf einen One-Night-Stand zusteuern. Doch via Splitscreen in die Filmerzählung eingeschleuste Bilder machen deutlich, dass sich beide schon lange kennen, dass es einmal eine Liebesgeschichte gab, die nun während dieser Nacht noch einmal ganz nahe an die Gegenwart heranrückt. Es wird kommuniziert, in Dialogen und schließlich auch körperlich, es wird erinnert, gestichelt, gelacht, es werden Bekenntnisse über die jetzige Lebenssituation ausgetauscht und Wunden und körperliche Verschleißerscheinungen offen gelegt. Und mit dem nahenden Morgen, an dem ihr Flugzeug zurück nach London geht, dämmert die Frage hoch, ob es nicht möglich wäre, zusammenzubleiben. Ein Zusammentreffen zwischen einem Mann und einer Frau, dessen Flüchtigkeit sich spontan bis zum bevorstehenden Abflug dehnt und gleichsam zu einem besonderen, aus dem normalen Leben herausgelösten Ort wird, an dem sich über den verbalen Austausch eine magische Vertrautheit herstellt: Damit erinnert „Conversation(s) With Other Women“ in seiner Grundkonstellation an Richard Linklaters „Before Sunrise“ (fd 31 270) bzw. dessen Fortsetzung „Before Sunset“ (fd 36 533), und ähnlich wie in Linklaters Filmen ziehen die mit bestechendem Wortwitz entwickelte Reflexion über zwei Leben sowie die Zartheit und leise Melancholie dieser Begegnung von der ersten bis zur letzten Minute in ihren Bann. Jenseits aller „Sex mit dem Ex“-Klischees ergibt sich daraus ein reifer Film über das Wunderding Liebe, über den Irrgarten zwischen Romantik und Realität, über Enttäuschungen, notwendige Kompromisse und über Sehnsüchte, die sich mit dem Alter und der Erfahrung vielleicht relativieren, aber nicht verschwinden. Dabei ist die dramaturgische Ausgangssituation, die sich die Autorin Gabrielle Zevin und der Regisseur Hans Canosa einfallen ließen, noch etwas zurückgenommener als die in Linklaters Filmen. Gab es dort immerhin noch die europäischen Metropolen (Wien bzw. Paris) als stille Mitspieler von Mann und Frau, so fokussiert „Conversation(s) With Other Women“ kammerspielartig auf das Paar im Hotelzimmer. Allerdings gibt es eine erzählerische Weitung mittels der Splitscreen-Montage, die dazu dient, subjektive Gedanken- und Erinnerungsfragmente zu integrieren und Ereignisse im Bild zu synchronisieren, die eigentlich zeitlich getrennt sind. So dringen nicht nur das Mädchen und der Junge, die die beiden Protagonisten einst waren, in die Gegenwart ein, sondern fallen Gegenwart und unmittelbare Zukunft bisweilen ineinander. Die Zeit, die gleichgültige Feindin der nach dem absoluten Augenblick verlangenden Liebe, mag dadurch zwar formal relativiert werden, aber gerade damit gelingt es Canosa, sie als Größe permanent in seinem Film präsent zu halten und dem Zuschauer ihre Macht vor Augen zu führen. Aaron Eckhart und Helena Bonham Carter, die sich beide zu den besten schauspielerischen Leistungen ihrer jüngeren Karriere aufschwingen, tun das ihrige, um diesen ebenso bescheidenen wie herausragenden Film zu einem Erlebnis zu machen.
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