Drama | Deutschland 2008 | 90 Minuten

Regie: Anne Høegh Krohn

Ein glückliches Ehepaar genießt sein einfaches Leben mit Kleinfamilie und bescheidenen Jobs. Doch dann erkrankt der Mann an Parkinson. Der mutige Film entwickelt sich in der ungewöhnlichen Form eines Musicals, wobei die Kombination aus "schwerem" Krankheitsthema und der "leichten" Umsetzung in Musik und Tanz erstaunlich gut funktioniert. Eine anrührende Geschichte über die Kraft der Liebe auch in schwierigen Zeiten. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Flying Moon Filmprod.
Regie
Anne Høegh Krohn
Buch
Anne Høegh Krohn
Kamera
Matthias Schellenberg
Musik
Christian Neander
Schnitt
Barbara Gies · Uta Schmidt
Darsteller
Nicolette Krebitz (Dinah) · Jan Plewka (Roger) · Lewin Henning (Lars) · Elisa Richter (Marie) · Oliver Bröcker (Volker)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Musical
Externe Links
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Diskussion
Sie haben zwei wohlgeratene Kinder, wohnen in einer Doppelhaushälfte, tanzen für ihr Leben gern, und selbst der Job macht meistens Spaß: Dinah und Roger könnten so glücklich sein. Doch im Kino ist ein Paar selten einfach nur glücklich; und so lässt auch in Anne Høegh Krohns Film der Konflikt nicht lange auf sich warten. Eine rätselhafte Krankheit ergreift schleichend von Roger Besitz. Bald wird klar: Es handelt sich um Morbus Parkinson. Es ist ungewöhnlich, dass Filme, zumindest Spielfilme, von Krankheiten erzählen, die in ihrem Erscheinungsbild, mit den Folgen und Heilungschancen noch erklärt werden müssen. Zu groß ist wohl die Gefahr, ins Lexikalische abzugleiten und für ein Publikum uninteressant zu werden, das es so genau gar nicht wissen will. Tatsächlich erfährt man nebenbei viel über Parkinson, zum Beispiel, dass neben dem bekannten Zittern die Muskelstarre und eine entsprechende Verlangsamung der Bewegungen symptomatisch sind. Aber die Regisseurin wagt sogar noch mehr. Sie wählt auch eine ungewöhnliche Form für ihre Geschichte – das Musical. Die Hauptdarsteller sind Nicolette Krebitz und Jan Plewka. Für Plewka, der mit seiner Band „Selig“ Mitte der 1990er-Jahre dazu beitrug, dass deutsche Rockmusik salonfähig wurde, bedeutet die Rolle auch musikalisch ein Comeback. 1999 hatte sich die Band getrennt, für den Film suchte Plewka wieder die Zusammenarbeit mit seinem Gitarristen und Komponisten Christian Neander. Im März 2009 erschien sehr erfolgreich das neue Album von „Selig“ („Und endlich Unendlich“). Für „Liebeslied“ komponierte Plewka mit Neander die meisten Songs, mit Nicolette Krebitz schrieben sie die Texte. „Jeder Dunkelheit ein Licht – Schau hinauf für Dich und mich“, lauten Textzeilen, und es ist schön, dass das Trio keine Angst hatte, dick aufzutragen. Ein wenig Kitsch und Versponnenheit sind schließlich unerlässlich für einen Musical-Film. Die Regisseurin, die lange in Berlin war, bevor sie jetzt wieder in Norwegen lebt, hat den Gesang auf zwei unterschiedliche Weisen in den Film eingebunden. Entweder beginnen die Darsteller in realistischen Szenen ganz unvermittelt zu singen, was an in Alain Resnais’ „Das Leben ist ein Chanson“ (fd 33 072) erinnert. Dann gibt es noch vollkommen der Wirklichkeit enthobene Tanz- und Singszenen, bei denen das Paar nebst Feuerwerk im Himmel schwebt, im Zirkus auftritt oder zumindest Blütendrucke aus Reisverpackungen hinauswachsen lässt – Bollywood also und etwas „Moulin Rouge“ (fd 35 084). Roger arbeitet als Zimmermann auf dem Bau, Dinah als Verkäuferin in einem Supermarkt. Die Entscheidung der Drehbuchautorin Krohn für diese Berufe ist nicht ganz einfach zu verstehen, denn die Figuren passen nicht zum geschilderten Milieu. Die Kollegen von Roger und Dinah heben sich von ihnen ab; die beiden wirken wie Figuren aus einer anderen Welt, der von Künstlern. Dinahs Freundin, Kassiererin wie sie, trägt Kleidung von der Stange, während Dinahs Kostüm sich aus augenscheinlich teuren Einzelstücken zusammensetzt. Angesichts der Spielfreude der Darsteller und der Tanz- und Singszenen verzeiht man solche kleine Unstimmigkeit allerdings – im Musical sind eben auch Figuren aus einer anderen Welt willkommen. Der gesungene (und insbesondere getanzte) Film hat keine nennenswerte Tradition in Deutschland, wenn man vom frühen Operettenfilm und den Schlager- und Heimatfilmen der 1950er- und 1960er-Jahre absieht. 2008 kam „Märzmelodie“ (fd 38 568) ins Kino, ein Film, der das Resnais-Prinzip kopierte: Quer durch die deutsche Schlager- und Pop-Geschichte wurden einzelne Takte von den Darstellern lippensynchron anzitiert – ein federleichter Versuch, dem dann doch ein wenig die Tiefe abging. Die exotische Kombination von einem ernsten Thema – dem Umgang einer Familie mit der auch als Schüttellähmung bekannten Erkrankung – mit Gesang und Tanz funktioniert bei Anne Høegh Krohn erstaunlich gut. In erster Linie geht es natürlich um die große Liebe – und wie sie einer schweren Krankheit trotzt.
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