Drama | Deutschland 2012 | 92 Minuten

Regie: Constanze Knoche

Ein Mann Mitte 50, der früher kaum Zeit für seine Familie hatte, verliert den Boden unter den Füßen, als er seine Firma verkaufen muss. Seinen erwachsenen, aber alles andere als selbstverantwortlichen Kindern will er die Hiobsbotschaft persönlich überbringen, was zu familiären Reibereien führt. Ein berührendes, vorzüglich gespieltes Kammerspiel mit einer unprätentiösen Figurenzeichnung. Mal leise und humorvoll, mal melancholisch prallen die Mentalitäten der Generation Anfang 50 auf die Orientierungslosigkeit junger Erwachsener. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Silvia Loinjak Filmprod.
Regie
Constanze Knoche
Buch
Leis Bagdach · Constanze Knoche
Kamera
Kirsten Weingarten
Schnitt
Kai Minierski
Darsteller
Uwe Kockisch (Jakob) · Corinna Kirchhoff (Hanna) · Anjorka Strechel (Karla) · Andreas Leupold (Hans) · Anne Müller (Sonni)
Länge
92 Minuten
Kinostart
31.01.2013
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
KNM (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Ein Mittelschichtverband in Auflösung. Die Eltern, Ende 50, können ihren Kindern keinen finanziellen Rückhalt mehrt bieten. Die Chemiefirma, die der Vater in 30 Jahren Dauereinsatz aufgebaut hat, muss an Investoren verkauft werden. Die französischen Neubesitzer lagern den Produktionsstandort nach China aus. Ein Fiasko für einen Mann, der dem beruflichen Erfolg seine Privatsphäre geopfert hatte, vor allem das Zusammensein mit den Kindern, die ihm im Verlauf der Jahre verbittert den Spitznamen „Der Besucher“ verpasst haben. Die Mutter, die als Laborantin Nachtschichten übernimmt, ist nicht bereit, die Last allein zu tragen, zumal sie längst nach dem Absprung in eine weniger von Routine und Sprachlosigkeit bestimmte Beziehung Ausschau hält. Der untereinander verfeindete Nachwuchs ist inzwischen fast 30 und wohnt fern von Zuhause in Berlin. Hierhin verschlägt es unangemeldet den Vater, um die Nachricht von seiner Arbeitslosigkeit persönlich zu überbringen. Der Schock über die plötzliche Aufmerksamkeit des unentwegt Fragen stellenden Erzeugers könnte nicht größer sein. Die Reaktionen der „Besuchten“ schwanken zwischen Entsetzen, Fluchtreflex und kreativen Lügen-Konstrukten. Dank der heimischen Finanzspritzen lebte man zwar bisher in schicken Altbauwohnungen seine parallele „Bionade Biedermeier“-Existenz auf dem Prenzlauer Berg, dachte aber längst noch nicht daran, die nächste Etappe in eine selbstverantwortliche Zukunft anzusteuern. Anne Müller simuliert mit selbstgerechter Arroganz die angehende neoliberale Optimier-Frau, die sich in einer teuren Privatschule auf die Herausforderungen eines Vorstandsjobs vorbereitet, indem sie Psychotechniken des effizienten Kündigens erlernt. Hinter der überambitionierten Fassade lauern Abgründe kindlicher Versagensängste, die sie durch eine Beziehung zu ihrem 30 Jahre älteren Professor kompensiert. Jakob Diehl gibt den in eine Krise geratenen Chemiestudenten, dem kurz vor dem Abschluss die Puste ausgegangen ist. Geplagt von depressiven Sinnfragen, zweifelt er seit mehreren Urlaubssemestern an seiner Berufung, angefeuert von dem Umstand, dass er eigentlich Maler werden möchte. Immerhin ist ihm eine Bindung gelungen, auch wenn der Freundin allmählich angesichts seines Schmollens und unentschiedenen Selbstmitleids der Geduldskragen platzt. Für pragmatisch könnte man die von Anjorka Strechel mit viriler Bodenhaftung gespielte Dritte im Bunde halten, eine Bildung verweigernde, dafür aber arbeitende Gärtnerin, die den Geschwistern so lange deren Egoismus vorhält, bis sich ihre eigenen emotionalen Defizite in einem Eifersuchtsgefecht entladen. Noch ein deutscher Familienfilm einer jungen Regisseurin, der den Strukturwandel der Rollenbilder zwischen den Generationen unter die Lupe nimmt. Im Fall von Constanze Knoche bleibt der drohende Überdruss angesichts eines überstrapazierten Genres aus, denn die 38-Jährige arbeitet sich an ihrer gesellschaftlichen Nahaufnahme mit leisem Humor und derart entwaffnend uneitel ab, dass man diesem ungleichen Haufen treffsicher skizzierter Zeitgenossen sogleich verfällt. Sowohl die übliche Musiksoße als auch optische Manierismen oder ausgestellte Oberflächen fehlen gänzlich. Die Ästhetik der Berliner Schule spukt zwar in mancher Bildauflösung, bleibt aber ein fernes Echo, das stets dem Willen zur figurennahen Erzählung gehorcht. Ein Geschenk an die überragenden Darsteller, allen voran den ungewohnt zurückhaltend agierenden Uwe Kockisch und den mit einer betörenden Körperpräsenz beschenkten Jakob Diehl, die das anrührende Kammerspiel zu einem melancholischen Stimmungsbild fern jeder Melodram-Schablone küren. Ein kleines Wunder.
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