Beasts of No Nation

Drama | USA 2015 | 136 Minuten

Regie: Cary Fukunaga

Ein westafrikanischer Junge verliert im Zuge eines Bürgerkriegs seine Familie und wird bei der Flucht im Busch von einer Rebellentruppe entdeckt. Unter Anleitung eines skrupellosen Commandante wird er zum Kindersoldat ausgebildet, der brutal Gewalt ausübt, auch wenn er sich innerlich einen Widerstand gegen die Taten erhält. Die schonungslose Inszenierung mutet dem Zuschauer in authentischer Härte Bilder von Gräueltaten zu, ohne jedoch ins Exploitative zu kippen. Durch die ausdrucksstarke Kameraarbeit schafft der Film ein sensuelles Verständnis für das Erleben der Hauptfigur und beeindruckt als bewegende Auseinandersetzung mit systematischer Gewalt und individueller Schuld. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
BEASTS OF NO NATION
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Red Crown Prod./Participant Media/Levantine Films/New Balloon/Mutressa Movies
Regie
Cary Fukunaga
Buch
Cary Fukunaga
Kamera
Cary Fukunaga
Musik
Dan Romer
Schnitt
Mikkel E.G. Nielsen · Pete Beaudreau
Darsteller
Abraham Attah (Agu) · Idris Elba (Kommandant) · Kurt Egyiawan (Stellvertreter) · Jude Akuwudike (Supreme Commander Dada Goodblood) · Emmanuel "King Kong" Nil Adom Quaye (Strika)
Länge
136 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Kriegsfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Die Initiationen, die der Junge Agu (Abraham Attah) durchstehen muss, um als Kindersoldat in der Truppe eines charismatischen Commandante (Idris Elba) aufgenommen zu werden, sind blutig und gnadenlos: Bei einem schamanistisch verbrämten, schmerzhaften Ritus, dem die Neuankömmlinge unterworfen werden, stirbt einer der Jungen. Dann stirbt ein Mann durch Agus Hand: Um seine Loyalität zu beweisen, soll Agu einem Gefangenen mit der Machete den Kopf spalten. Agu gehorcht, weil er weiß, dass er sonst selbst so gut wie tot ist.

Diskussion
Die Initiationen, die der Junge Agu (Abraham Attah) durchstehen muss, um als Kindersoldat in der Truppe eines charismatischen Commandante (Idris Elba) aufgenommen zu werden, sind blutig und gnadenlos: Bei einem schamanistisch verbrämten, schmerzhaften Ritus, dem die Neuankömmlinge unterworfen werden, stirbt einer der Jungen. Dann stirbt ein Mann durch Agus Hand: Um seine Loyalität zu beweisen, soll Agu einem Gefangenen mit der Machete den Kopf spalten. Agu gehorcht, weil er weiß, dass er sonst selbst so gut wie tot ist. Regisseur Cary Fukunaga, der auch das Drehbuch zu „Beasts of No Nation“ nach einer Romanvorlage von Uzodinma Iweala verfasst hat, hat das Projekt über Jahre hin entwickelt und lässt sich einmal mehr auf thematisches Neuland ein: Nach einem Film über Lateinamerikaner zwischen Bandenkriminalitätsalltag und der Hoffnung auf ein besseres Leben in den USA („Sin Nombre“), einer Adaption des Brontë-Klassikers „Jane Eyre“ und einer Krimi-Serie über zwei Detectives, die Ritualmorde im Süden der USA aufklären („True Detective“, Staffel 1) legt er nun einen Film über einen Kindersoldaten in Westafrika vor: Agu, der im Zuge eines Bürgerkriegs in einem nicht näher spezifizierten Land seine Familie verliert, wird bei seiner Flucht im Busch vom Commandante der rebellierenden „National Defence Army“ aufgenommen und zum Kindersoldaten trainiert. Agu fügt sich ein und ist schließlich nicht mehr nur Opfer und Zeuge von Gewalt, sondern übt sie seinerseits aus – eine Abwärtsspirale, aus der es für Agu kein Entkommen zu geben scheint. Ein per Off-Stimme vermittelter innerer Monolog signalisiert allerdings den psychischen Widerstand, den der Junge nichtsdestotrotz gegen diesen Missbrauch (zu dem schließlich auch noch ein angedeuteter sexueller Missbrauch kommt) leistet. Ist das einmal mehr ein „TIA“-Film, eine westlich-herablassende „This is Africa“-Geschichte, die gruselige exotistische Klischees bedient? Dass es sich um einen Blick von außen auf Afrika handelt, ist natürlich nicht abzustreiten; allerdings verzichtet Fukunaga darauf, sich als Afrika-Versteher zu gerieren, sucht vielmehr in dem Stoff die universalen Themen. Während es beim zu Grunde liegenden Roman vor allem ums Hineingeworfen-Werden in die kindliche Perspektive der Hauptfigur geht, schafft Fukunaga immer wieder reflexive Distanz, überhöht den Stoff vom Konkreten ins Allgemein-Menschliche. In Hinblick auf Fukunagas frühere Arbeiten „Sin Nombre“ und „True Detective“ ergeben sich einige Parallelen, auch wenn die Sujets denkbar weit voneinander entfernt sind: Immer wieder geht es Fukunaga um die Betrachtungen von Menschen, die in der Konfrontation mit systematischer Gewalt und einem völligen Ausverkauf humanistischer Werte um ihr Seelenheil kämpfen. Ob nun die sektiererhaften Kreise und der Ritualmörder in „True Detective“, die Gangs in „Sin Nombre“ oder die Warlords in „Beasts of No Nation“: immer geht es um ein Böses, gegen das ein Individuum kaum eine Chance zu haben scheint, und um Außenseiter-Heldenfiguren, die trotz allem ihre Empathiefähigkeit und ihre Sehnsucht nach Güte, nach Erlösung nicht preisgeben wollen. Auch was die kompetente Inszenierung angeht, schließt Fukunaga in „Beasts of No Nation“ an seine bisherigen Arbeiten an. Anders als etwa der thematisch ähnlich gelagerte Film „Feuerherz“ (2008) mutet „Beasts of No Nation“ dem Zuschauer in gebotener Drastik zu, was Agu sieht, was er erleidet und was er selbst andere erleiden lässt, ohne dabei aber je ins Exploitative überzukippen; außerdem findet er immer wieder ausdrucksstarke, bisweilen ins Surreale spielende Bilder, die neben dem inneren Monolog Agus ein sensuelles Verständnis für dessen Erleben schaffen. Leider überschattet ein Streit die deutsche Veröffentlichung von „Beasts of No Nation“: In den USA entbrannte um den Film ein Gerangel ums Kino-Auswertungsfenster. Weltweit von Netflix vertrieben, startete der Konzern den Film am 16.10.2015 zeitgleich zum US-Kinostart auch als Video-on-Demand und greift damit das Privileg der Kinos an, Filme zunächst exklusiv auf der großen Leinwand zu zeigen. Zahlreiche große Kinoketten in den USA haben deswegen den Start boykottiert, sodass er nur in einigen wenigen Filmtheatern läuft; in Deutschland kommt der Film gar nicht in die Kinos, sondern ist nur über Netflix zu sehen. Schade; die großartige Bildsprache des Films hätte den Auftritt auf der großen Leinwand verdient.
Kommentar verfassen

Kommentieren