Hannas schlafende Hunde

Drama | Deutschland/Österreich 2016 | 120 Minuten

Regie: Andreas Gruber

Ende der 1960er-Jahre entdeckt ein neunjähriges Mädchen aus dem oberösterreichischen Wels mit Hilfe der Großmutter seine jüdische Identität und erkennt, warum seine Familie jedes Aufsehen vermeidet. Um sie herum leben frühere Täter, in denen die braune Ideologie noch immer lebendig ist. Das nach einem Roman von Elisabeth Escher inszenierte Gesellschaftsdrama vermeidet jede Dramatik, um die Ewiggestrigen nicht ins Monströse zu überhöhen. In den Hauptrollen gut gespielt, mangelt es dem ambitionierten Sittenbild freilich an Emotionalität, was auch die überdeutliche Filmmusik nicht ausgleichen kann. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
HANNAS SCHLAFENDE HUNDE
Produktionsland
Deutschland/Österreich
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Enigma Film/Provinzfilm/BR/ORF/Mixtvision Film/Oryx Media
Regie
Andreas Gruber
Buch
Andreas Gruber
Kamera
Martin Gressmann
Musik
Gert Wilden
Schnitt
Julia Drack
Darsteller
Hannelore Elsner (Ruth Eberth) · Nike Seitz (Johanna Berger) · Franziska Weisz (Katharina Berger) · Rainer Egger (Franz Berger) · Nico Liersch (Michael Berger)
Länge
120 Minuten
Kinostart
09.06.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Ein Mädchen entdeckt seine jüdischen Wurzeln

Diskussion
Mit neun Jahren besteht für Hanna Berger kein Zweifel daran, dass sie anders ist als die anderen. Ihre Religionslehrerin fragt sie nach der Herkunft ihrer Oma Ruth aus. Die Mitschüler gehen ihr pöbelnd aus dem Weg, und ein dem Alkohol nicht abgeneigter Hausmeister beschimpft sie nach einer missglückten Vergewaltigung als „Judengfrast“, dem er schon während des Krieges den Zutritt zum Luftschutzkeller verwehrt habe. Ende der 1960er-Jahre ist der Antisemitismus der Nazi-Zeit im österreichischen Provinznest Wels noch immer präsent. Von der kämpferischen Oma bekommt Hanna die Bestätigung, eine Jüdin zu sein, während ihre Mutter lieber schweigt, sich in der Scheinnormalität einrichtet und in ihrer verinnerlichten Opferrolle versucht, den jüdischen „Makel“ auszublenden. Sie erzieht ihre beiden Kinder erzkatholisch, während ihr Mann so tut, als spiele das Thema für ihn keine Rolle. Hannas nicht abreißenden Fragen aber kann die Familie irgendwann nicht mehr mit Lügen begegnen. Alte Wunden brechen auf; die Konfrontation mit früheren Tätern aus der Nachbarschaft lässt sich nicht umgehen. Regisseur Andreas Gruber, der selbst in Wels aufgewachsen und ein Mitschüler von Elisabeth Escher ist, der Autorin des gleichnamigen Romans, versteht das Gesellschaftsdrama als Fortsetzung seines vor mehr als 20 sJahren entstandenen Films „Hasenjagd“ (fd 31 366), der die Verfolgung von entflohenen Sträflingen aus dem KZ Mauthausen durch die SS und NS-Sympathisanten thematisierte. Grubers Anliegen ist respektabel, und das Sujet der in den Köpfen nachhallenden Ideologie erinnernswert, insbesondere angesichts neuer rechtspopulistischer Bewegungen. Allerdings fällt die Umsetzung etwas angestrengt aus. Was die Szenen an Emotionalität nicht hergeben, erzwingt überdeutliche Klaviermusik. Gleichzeitig verbietet sich die Inszenierung jede Dramatik, um die unverbesserlich-braunen Fanatiker nicht allzusehr ins Monströse zu überhöhen. Ein Spagat, der vor allem im Kino nicht aufgeht. Zudem gerät auch die Symbolik etwas plump, wenn ein Maulwurf mit den Abgasen eines Mopeds getötet wird. Hannelore Elsner als in sich ruhende, aber auch scharfzüngige Zeugin der NS-Verfolgung überzeugt zwar mit gewohnter Präsenz, und auch Franziska Weisz als Mutter gelingt eine erschreckend auf Abwehr geeichte Körpersprache. Der Rest der Figuren dieses gehemmten Sittenbildes oszilliert aber zwischen Karikatur und blassen Stichwortgebern einer gut gemeinten Botschaft, die den pädagogischen Impetus chronisch mitschwingen, adäquate inszenatorische Lösungen aber schmerzlich vermissen lässt.
Kommentar verfassen

Kommentieren