Retribution - Die Vergeltung

Krimi | Großbritannien 2016 | 245 (vier Episoden) Minuten

Regie: William McGregor

Nachdem ein junges Paar ermordet wurde, fällt den beiden Familien der Opfer, die als Nachbarn auf Bauernhöfen in den schottischen Highlands leben, unversehens der Täter in die Hände, der bei einem Unfall in der Nähe der Höfe verunglückt. Die aus vier Episoden bestehende Miniserie unterläuft gängige Schemata des Rachethrillers und entwickelt stattdessen ein dichtes Familiendrama, in dem die Rache an dem Mörder nur der Auftakt ist für eine allmähliche Erosion der zwischenmenschlichen Beziehungen angesichts von Trauer, gegenseitigen Vorwürfen und latenter Schuld. Dabei lebt die Serie von geschickt angelegten Spannungsbögen und einem hervorragenden Darsteller-Ensemble. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
ONE OF US
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
BBC Scotland/Netflix
Regie
William McGregor
Buch
Harry Williams · Jack Williams
Kamera
Adam Etherington
Musik
Dominik Scherrer
Schnitt
Emma Oxley · Robin Hill
Darsteller
Kate Bracken (Grace Douglas) · Jeremy Neumark Jones (Adam Elliot) · Juliet Stevenson (Louise Elliot) · Joanna Vanderham (Claire Elliot) · Joe Dempsie (Rob Elliot)
Länge
245 (vier Episoden) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Serie

Heimkino

Verleih DVD
Polyband (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion

Eine aus vier Episoden bestehende Miniserie, die gängige Schemata des Rachethrillers unterläuft und stattdessen ein dichtes Familiendrama in den schottischen Highlands entfaltet.

Es beginnt als perfekte Love Story: Adam Elliot und Grace Douglas sind schon als Kinder ein Herz und eine Seele; als junge Erwachsene besiegeln sie ihren Bund mit einer großen Hochzeit im Kreis ihrer Familien. Doch danach mündet die romantische Eröffnungssequenz unversehens in den Anblick eines Blutbades: Adam und die hochschwangere Grace werden in ihrer Wohnung in Edinburgh mit einem Messer angegriffen und getötet. Ihre Eltern, die zwei benachbarte Bauernhöfe irgendwo in den schottischen Highlands bewirtschaften, und die Geschwister trifft die Nachricht von dem Verlust völlig unvorbereitet.

Warum musste das junge Paar sterben? Der Grund scheint so sinnlos wie banal: Der Täter ist – das wird früh verraten – ein junger Junkie; wahrscheinlich handelt es sich um einen Einbruch, der aus dem Ruder gelaufen ist. Die Polizei kommt dem Täter schnell auf die Spur; schon kurz nach dem Verbrechen flimmern Fahndungsfotos des mutmaßlichen Mörders über die TV-Bildschirme. Dort sehen sie auch die trauernden Angehörigen – und erkennen entsetzt, dass es sich dabei um ebenden jungen Mann handelt, den sie gerade in einer stürmischen Nacht, nachdem er mit seinem Wagen in der Nähe ihrer Höfe verunglückt ist, verletzt und kaum bei Bewusstsein bei sich aufgenommen haben. Nach einigen Kontroversen einigt man sich darauf, den Verbrecher, der den Elliots und Douglas’ so viel Leid zugefügt hat, über Nacht in einem der Hundezwinger im Stall einzuschließen und am nächsten Morgen zu entscheiden, was weiter geschehen soll. Doch der Gefangene wird die Nacht nicht überleben: Ein Familienmitglied nimmt blutige Rache.

Keine Befriedigung für die Rächer

In Thrillern oder Horrorfilmen von „Ein Mann sieht rot“ über „The Last House on the Left“ bis zur „Taken“-Reihe sind solche Selbstjustiz-Exzesse ein ebenso populärer wie ethisch umstrittener Genre-Standard, mit dem sich effektiv instinktive Reaktionen beim Publikum abrufen lassen: Man zeigt zuerst, wie jemandem schlimmes Unrecht oder Leid zugefügt wird, um dann dem Protagonisten und mit ihm dem Publikum die Befriedigung  zu gönnen, es den Bösewichtern so richtig heimzuzahlen. „Retribution“ verweigert sich diesem Muster: Hier findet die Rache im Off statt; man sieht nur das traurige Ergebnis am nächsten Morgen, wenn der Mann mit durchschnittener Kehle im Hundezwinger liegt. Und das ist in der vierteiligen Miniserie nur der Auftakt für das, was den eigentlichen Inhalt ausmacht – und das ist ganz sicher keine Befriedigung, auch wenn sich die Familienmitglieder darauf verständigen, dass sie den Mord gutheißen und gemeinsam vertuschen wollen. Doch die Trauer um Adam und Grace, das quälende Unverständnis, warum sie sterben mussten, wird durch den Tod des Täters nicht besser; dazu kommen nun die Furcht vor der Polizei, die auf der Spur des Junkies bald auf den Höfen auftaucht, und die bohrende Ungewissheit, wer von ihnen es denn nun war, der zum Messer gegriffen und Rache geübt hat.

Die psychischen Folgeschäden des Verbrechens stehen im Zentrum

Wie schon in ihrer Serie „The Missing“ interessieren sich die Showrunner der BBC-Serie, Harry und Jack Williams, weniger für das Verbrechen selbst als für die psychischen Folgeschäden, die es bei den Angehörigen der Opfer hinterlässt, und erzählen, wie ein giftiger Cocktail aus Trauer und latenten gegenseitigen Vorwürfen und Schuldgefühlen allmählich das Gefüge einer Familie erodiert. Erneut machen sie dies fest an einem Ensemble eindringlich gezeichneter, von hervorragenden Darstellern verkörperter Figuren, zu denen neben den betroffenen Familien auch die ermittelnde Kommissarin Juliet Wallace (Laura Fraser) gehört, die in einer Nebenhandlung neben dem Fall auch noch einen quälenden privaten Konflikt mit sich herumschleppt.

Dabei geht es immer wieder um die dunkle Seite der Liebe: Darum, wie weit man für diejenigen, die einem wichtig sind, zu gehen bereit ist. Im Laufe der vier Episoden, die größtenteils in der karg-schönen Highlands-Landschaft spielen und die Höfe als isolierten Mikrokosmos zeigen, enthüllt der Fall immer mehr Facetten; die scheinbar so übersichtliche Kausalkette von Tat und Rache entpuppt sich als wirrer Knoten, in den alle Familienmitglieder irgendwie verwickelt sind. Dass dessen letztendliche Auflösung  sich schließlich als etwas dick aufgetragener Blick in zwischenmenschliche Abgründe herausstellt, mindert das Vergnügen an dem hochspannenden Erzählbogen, den die Serie bis dahin aufgespannt hat, nur wenig.

Kommentar verfassen

Kommentieren