Science-Fiction | USA 2018 | 418 (acht Folgen) Minuten

Regie: Agnieszka Holland

Im Jahr 2030 kommt es bei der ersten bemannten Marsmission zu einem verheerenden Unfall. Um das Projekt vor dem Scheitern zu bewahren, beauftragt seine Leiterin flugs einen Astronauten-Veteranen mit der Organisation eines neuen Teams. Dabei drohen schwelende Konflikte um persönliche Allianzen und das interne Machtgefüge allerdings, den erfolgreichen Start zum Mars zu verhindern. In der nahen Zukunft angesiedelte komplexe Serie, die in der 1. Staffel zuvorderst die politischen und technischen Voraussetzungen für die Mission sowie die sozialen Differenzen unter den Raumfahrern behandelt. Als dramatischer Grundkonflikt fungieren wie in thematisch verwandten Weltall-Filmen Fragen nach dem Verhältnis von menschlicher Autonomie und technologischer Vorherrschaft, Glaube und Wissenschaft. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE FIRST
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Westward Productions/Endeavor Content
Regie
Agnieszka Holland · Daniel Sackheim · Deniz Gamze Ergüven · Ariel Kleiman
Buch
Beau Willimon · AJ Marechal · Francesca Sloane · Francine Volpe
Kamera
Adam Stone
Musik
Colin Stetson
Schnitt
Jeffrey M. Werner · Jonathan Alberts · Lisa Bromwell
Darsteller
Sean Penn (Tom Hagerty) · Natascha McElhone (Laz Ingram) · LisaGay Hamilton (Kayla Price) · Anna Jacoby-Heron (Denise Hagerty) · Hannah Ware (Sadie Hewitt)
Länge
418 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Science-Fiction | Serie

Diskussion

Aufbruch zum Mars: Die 1. Staffel einer komplex angedachten Raumfahrt-Serie erzählt von den Bemühungen eines Teams von Astronauten im Jahr 2030, nach dem Scheitern einer Mission zum roten Planeten ein Nachfolgeprojekt auf die Beine zu stellen und dabei politische und technische, aber auch persönliche Problemlagen zu überwinden.

Die Welt ist nicht genug – offensichtlich, denn die letzten Jahre brachten in eigentümlicher Häufung ernstzunehmende filmische Beiträge zum Genre der „Space Adventures“, die dem alten Menschheitstraum, der Erdanziehung durch geniale Erfindung zu entrinnen, noch einmal ganz neue Perspektiven abgewannen. Um nur die prominentesten zu nennen: „Moon“ (2009), „Gravity“ (2013), „Interstellar“ (2014), „Aufbruch zum Mond“ (2018). Dramaturgisch und stilistisch verbindet diese Versuche vor allem, dass im Vordergrund des Interesses eben nicht mehr das technische Spektakel steht, sondern die Sinn- und Stoffsuche für das als defizitär empfundene Leben auf Erden. Die irdische Umwelt schonende Energielieferanten werden von gedankenvollen Pionieren auf dem Mond und anderswo geschürft. Erzählt werden diese durchaus spannenden Abenteuer neuerdings jedoch auffällig ruhig, „erwachsen“, mit ausreichend Zeit für Entwicklungsperspektiven der Charaktere und Sinn für menschliche Zwischentöne. In dieser Tradition steht nun auch der Versuch einer Serie zu einem verwandten Thema durch Beau Willimon, den Entwickler der amerikanischen „House of Cards“-Version, und sein Team.

„The First“ beschreibt in der ersten Staffel ausführlich die problematischen politischen, technischen und – im weitesten Sinne – „sozialen“ Vorbereitungen einer ersten bemannten Marsmission in naher Zukunft (nach 2030). Als dramatischer Grundkonflikt liegen auch hier Fragen nach dem Verhältnis von menschlicher Autonomie und technologischer Vorherrschaft, von Glaube und Wissenschaft, nach dem Primat des Irdischen über die unbekannte Weite des Alls vor. Ein Vorgängerprojekt ist soeben auf tragische Weise gescheitert (die als Talisman mitgenommene Münze löst eine tödliche Kettenreaktion aus), und der wegen familiärer Probleme am Boden gebliebene Astronaut und Mondfahrer Tom Hagerty (Sean Penn in seiner ersten Serienhauptrolle) wird daraufhin von der Leiterin der privatwirtschaftlich operierenden Planungsgesellschaft Vista, Laz Ingram (Natascha McElhone), dazu gebracht, ein neues Team („Providence 2“) zu rekrutieren und zu trainieren. Sie füllt derweil die Rolle der Verbindungsoffizierin in die politische Sphäre aus und muss die US-Präsidentin vom Gelingen eines teuren zweiten Versuchs überzeugen.

Schwelende Konflikte um Machtfragen

Hagerty ist eigentlich eine riskante Wahl für den Job: Er ist bereits älter, seine aktive Dienstzeit liegt länger zurück, und er hat nach dem Freitod seiner Frau nicht nur mit Trauer und Selbstvorwürfen zu kämpfen, sondern auch mit seiner schwierigen Tochter Denise (Anna Jacoby-Heron), die ihre Verlusterfahrungen künstlerisch, als talentierte Malerin verarbeitet, vor allem aber, indem sie ein Leben ohne klare Zukunftsperspektive durch Drogen vergessen machen will. Dennoch gelingt es dem Veteranen, eine Elite von Experten um sich zu scharen, die nicht nur unter hohem Leistungsdruck stehen, sondern ebenso schwelende Konflikte um persönliche Allianzen und das interne Machtgefüge zu klären haben. Insbesondere die zu Toms Gunsten ausgetauschte Kayla Price (LisaGay Hamilton) fühlt sich als schwarze, lesbische Frau benachteiligt, fügt sich schließlich jedoch dem höheren Ziel der Mission. Die Nervosität aller Beteiligten wächst, bevor sich in einem gelungenen formalen Bogen die Aufmerksamkeit des Staffelfinales (Folge 8) wieder stärker auf die technischen Details des diesmal erfolgreichen Lift-offs konzentriert.

Beau Willimon als Showrunner und sein Team, zu dem als RegisseurInnen Agnieszka Holland, Deniz Gamze Ergüven und Ariel Kleiman gehören, erzählen in der ersten Staffel von „The First“ die Geschichte einer langen Vorbereitung auf ein höchst spekulatives Ziel als komplexes Polit- und Sozialdrama, das mit der formalen Problematik ewiger Vorbereitungen und Rückschläge als retardierender Momente dergestalt umgeht, dass pro Folge zusätzlich ein neuer zwischenmenschlicher Konflikt präsentiert und einer Lösung nähergeführt wird. Die zugrunde liegenden philosophischen Fragen eines solchen Unternehmens bilden eine wahrnehmbare, jedoch unaufdringliche Grundierung des epischen Gemäldes, das darüber hinaus ein im Wesentlichen glaubhaftes Bild unserer nahen Zukunft vorstellt, VR-Brillen, persönliche Avatare und voll integrierte Smart Homes inklusive. Sean Penn merkt man seine Involvierung in das Projekt an; er bietet eine präzise, teilweise, vor allem in den Szenen mit seiner Tochter, auch intensive Leistung. Für ihre Fans erfreulich zu sehen ist, dass Natascha McElhone nach etlichen blasseren, klischeehaften Auftritten hier wieder eine aktivere, gestaltungsmächtige Aufgabe zufällt.

Geschlechterverhältnisse sind auch 2030 noch ein Thema

Die Zusammensetzung und innere Dynamik der Crew für die Marsmission ist vielleicht ein wenig zu sehr den Ansprüchen an Diversität verpflichtet, aber dies mag ebenso der enormen „Zukünftigkeit“ der Serie geschuldet sein. Die Geschlechter(-rollen-)verhältnisse werden zwar explizit infrage gestellt, das ihnen innewohnende problematische Potenzial scheint aber auch in den Jahren 2030ff. noch nicht endgültig entschärft zu sein. Viel Konfliktstoff also für kommende Staffeln, von denen die zweite ein hoffentlich packendes Kammerspiel an Bord der Raumfähre abgeben wird.

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