Romantische Komödie | Island 2016 | 90 Minuten

Regie: Óskar Jónasson

Ein gehemmter isländischer Grafiker fühlt sich in Gesellschaft von anderen Menschen unwohl und bleibt meist für sich, bis er auf einer Party eine sympathische Frau kennenlernt. Da die beiden sich verstehen, könnte alles gut sein, doch erweist sich die Tendenz des Mannes, andere zu imitieren, als Hemmschuh für die aufkeimende Beziehung. Liebenswerte romantische Komödie, die zwar in absehbaren Bahnen verläuft, sich aber um Tiefgang bemüht. In den Hauptrollen einnehmend gespielt, unterhält die leise, formal eher konventionelle Alltagsgeschichte mit einigen hübschen Einfällen. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
FYRIR FRAMAN ANNAD FÓLK
Produktionsland
Island
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Truenorth Prod.
Regie
Óskar Jónasson
Buch
Kristjan Thordur Hrafnsson · Óskar Jónasson
Kamera
Bergsteinn Björgúlfsson
Musik
Atli Örvarsson
Schnitt
Valdís Óskarsdóttir · Sigurður Eyþórsson
Darsteller
Snorri Engilbertsson (Hubert) · Hafdís Helga Helgadóttir (Hanna) · Hilmir Snær Guðnason (Fridrik) · Svandis Dora Einarsdottir (Rosa) · Ingvar Eggert Sigurðsson (Doktor)
Länge
90 Minuten
Kinostart
18.04.2019
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Romantische Komödie
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Sympathische romantische Alltagskomödie aus Island über einen gehemmten Grafiker, der eine Frau findet, aber vorerst nur über Imitationen mit ihr kommunizieren kann.

Diskussion

Wer den bärbeißigen Humor von Benedikt Erlingsson aus Von Menschen und Pferden und Gegen den Strom kennt und seine Verbundenheit mit der isländischen Natur zu schätzen weiß, wird sich über Óskar Jónassons Komödie vielleicht wundern. Denn „In Front of Others“ bietet ein absolut urbanes Setting – die wilde Landschaft Islands bleibt beinahe unsichtbar – und sowohl die Geschichte als auch die Dramaturgie erinnern eher an die freundliche Sensibilität einer skandinavischen Feel-good-Story als an typische Island-Klischees. Kurz und nicht ganz so gut: Diese Geschichte könnte auch in Köln, Sevilla oder Oslo spielen. Das ließe sich als Zugeständnis an den Massengeschmack verstehen, vielleicht aber auch als trotziger Gegenentwurf zum allseits geschätzten, knorrigen, isländischen Ethno-Power-Film im Sinne von: Wir sind keine Hinterwäldler und auch schon ziemlich hip.

Wirklich originell ist gleich der Anfang, wenn der Held der Geschichte, ein Isländer mit Namen Hubert, einer Gruppe von Leuten begegnet, die, als Pandas verkleidet, lustig durch die Gegend wackeln – wahrscheinlich ein Junggesellenabschied – eine Vorbereitung auf kommende Sensationen? Hubert entpuppt sich als Einzelgänger. Er fühlt sich in Gesellschaft anderer Menschen sichtlich unwohl. Sein Job als Grafiker in einer Werbeagentur erlaubt ihm immerhin, allein zu arbeiten. Im Kontakt mit Kunden bleibt er stumm. Das kann er sich auch leisten, denn sein Chef Fridrik, der sich Berlusconi nennt, erledigt ganz alleine die Kommunikationsarbeit. Hubert bleibt auf Partys für sich, während Berlusconi im Mittelpunkt steht, umringt von schönen Frauen, die ihn anhimmeln, wenn er italienisch spricht – er kokettiert hemmungslos mit seinen italienischen Ahnen.

Hubert parodiert Berlusconi

Hubert ist peinlich berührt von Berlusconis Auftritt und findet darin ideelle Unterstützung bei Hanna, einer Cousine von Berlusconis neuer Flamme Rosa. Die ist eigentlich eine Kundin; Berlusconi hat sie beim Akquisegespräch angebaggert. Hanna und Hubert kommen sich näher. Offenbar hat der schüchterne, introvertierte Hubert gerade eine Trennungsgeschichte hinter sich, und Hanna hat Ähnliches erlebt. Es dauert nicht lange und die beiden sind ein Paar. Jetzt könnte eigentlich alles planmäßig weitergehen, aber Hubert ist nicht nur scheu, sondern er parodiert ganz gern andere Leute – er macht sie nach und studiert bewusst ihre Gesten und ihre Sprache ein. Für Hubert ist das Karikieren anderer offenbar eine Hilfe, wenn er unsicher ist und nicht weiß, was er sagen soll – also vor allem in Hannas Gegenwart und in allen möglichen und unmöglichen Situationen. Hubert macht das wirklich gut, er imitiert gekonnt den Staatspräsidenten oder den italophilen Casanova Berlusconi, aber mit der Zeit geht Hanna Huberts Verhalten auf die Nerven.

Als durchgängiges Thema des Films passt der langsame Walzer, der den Soundtrack bestimmt. Er begleitet beinahe die gesamte Geschichte – mal mit Klavier, mal mit Gitarre oder Akkordeon. Da geht es dramaturgisch schön langsam herum, in hübschen, kleinen Kreisen, die das Geschehen weiterführen, weniger nach vorn als zur Seite und nicht immer so perfekt und elegant, wie der Herr Llambi es wünscht. Aber dafür ganz lustig und mit sympathischen Darstellern. Hauptdarsteller Snorri Engilbertsson ist schlicht umwerfend und beinahe dieselbe Sympathie strahlt Hafdís Helga Helgadóttir aus, die als Hanna überzeugend und niedlich eine liebende Frau spielt, die ihren Mann erst noch umerziehen möchte, bevor sie sich bindet. Mit großen, mal staunenden und mal sehnsüchtigen Augen schaut sie in eine Welt, die sie sich gern ein bisschen Pippi-Langstrumpf-like selbst zurechtbasteln möchte. Zwischen den beiden stimmt die Chemie – und das ist mit am schönsten in diesem Film, der auf seine leise, freundliche Art eine Alltagsgeschichte erzählt, in der, wie so oft, aus einem kleinen Anlass ein Riesenproblem wird, das die gesamte Beziehung in Frage stellt.

Ein klassischer Dreiakter

Hübsch dabei und psychologisch interessant ist der Anlass: Hubert schlüpft in andere Persönlichkeiten, um das aussprechen zu können, was er als er selbst nicht sagen kann. Formal bietet die Geschichte allerdings nichts Neues: In Minute 27 kommt es zum ersten Kuss, zur Hälfte des Films ist die Krise da – prinzipiell ist „In Front of Others“ ein klassischer Dreiakter mit einem Plotpoint nach der Exposition, einem klaren Wendepunkt in der Mitte und der Katharsis am Ende. Óskar Jónasson bleibt in seiner Bildsprache ebenfalls bei herkömmlichen Komödienmitteln. Viele Nah- und Halbnahaufnahmen stellen die Gesichter in den Fokus. Die feiernden Pandas vom Anfang finden später ihr Äquivalent in einer übermütigen Togaparty. Am Ende zeigt Óskar Jónassons doch noch einmal visuelle Qualitäten: Sein Schlussbild ist beinahe spektakulär.

Wir können auch anders als Provinz, scheint der Film zu sagen. Isländer sind nicht nur auf kahlen Hängen zwischen den Moosflechten rund um ihre Geysire zugange, sie kennen die Spielregeln der Welt einschließlich der Werbebranche und des Komödienbusiness. Letztlich triumphiert hier unverkennbar die publikumswirksame Konvention über die cineastische Originalität für einen hübschen, recht unterhaltsamen Kinoabend.

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