Dokumentarfilm | USA 2018 | 94 Minuten

Regie: Don Hahn

Ein Dokumentarfilm über Howard Ashman (1950-1991), der in den späten 1980er- und 1990er-Jahren für das Disney-Studio als Produzent und Songtexter an den Erfolgsfilmen „Arielle, die Meerjungfrau“, „Die Schöne und das Biest“ und „Aladdin“ mitwirkte. Respektvoll und kenntnisreich vermittelt der Film Einblicke in Leben, Werk und Persönlichkeit des jung an Aids verstorbenen Künstlers, wobei Interviews, Statements und Erinnerungen aus den verschiedenen Dekaden kaleidoskopartig zusammengesetzt werden, ergänzt durch Fotografien, private Filme und rares Videomaterial aus Filmarchiven. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
HOWARD
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Stone Circle Pict.
Regie
Don Hahn
Buch
Don Hahn
Musik
Alan Menken
Schnitt
Stephen Yao
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
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Dokumentarfilm über den Produzenten und Songtexten Howard Ashman (1950-1991), der für Disney an den Erfolgsfilmen "Arielle, die Meerjungfrau", "Die Schöne und das Biest" und "Aladdin" mitwirkte.

Diskussion

Eine Film-Doku über einen Künstler wie Howard Ashman (1950-1991) zu produzieren, ist eine Herausforderung: Man erzählt sie einem Publikum, das sein Oeuvre vielleicht kaum oder wenig kennt und deswegen auch geringes Erkenntnisinteresse an seiner Biografie hegt. Für andere überstrahlt sein Oeuvre völlig die Person. Bleiben wahre Fans und Kenner, die sind aber ohnehin über diverse Clips und Blogs im Internet hinlänglich vertraut mit dem Thema und bemängeln allenfalls Lücken und Raffungen. Warum also die Mühe? Weil es sich eben doch manchmal lohnt, durch die Augen von Zeitzeugen die Zeitumstände, den Kontext und damit Werk und Autor in einer Art und Weise emotional erfahrbar zu machen, dass man sich nach dem Anschauen der Dokumentation reicher und klüger fühlt.

Die mit 95 Minuten viel zu kurze Dokumentation „Howard“ von Don Hahn ist solch ein bemerkenswerter Glücksfall für das Genre Dokumentarfilm, lässt sie doch den Autor und Song-Texter Howard Ashman und dessen Zeit auferstehen und erklärt damit unaufdringlich, prägnant und ohne Pathos den Weg zu den drei großen Disney-Filmen „Arielle die Meerjungfrau“, „Die Schöne und das Biest“ und „Aladdin“, die die moderne Populärkultur prägten, nein prägen. Das Wissen um den schockierend frühen Tod Ashmans mit nur 40 Jahren rahmt die Dokumentation und legt eine bemerkenswerte melancholische Stimmung über Don Hahns Film.

Vom Off-Off-Broadway in New York bis zu Disney

In „Howard“ erzählen Familienmitglieder, Freunde, Mitarbeiter, Arbeitgeber und Bekannte die Lebensgeschichte von Howard Elliott Ashman, der am 17. Mai 1950 als Sohn einer jüdischen Familie in Baltimore, Maryland geboren wurde. Berührend die Erinnerungen von seiner jüngeren Schwester, die sein erstes „bestes Publikum“ war, wenn er ihr Geschichten erzählte und vorspielte. Sein Talent für Tanz, Schauspiel, Geschichten wird von seinen Eltern gefördert, und Ashman geht als erster seiner Familie zum College und später zur Universität. Er entdeckt seine Homosexualität und kommt nach Abschluss der Universität in den 1970er-Jahren nach New York. Dort schlägt er sich als Lektor, Autor und Redakteur durch und baut mit seinen Freunden ein kleines Off-Off-Broadway Theater auf.

An dieser Bühne arbeitet er 1979 das erste Mal mit dem jungen Komponisten Alan Menken zusammen. Kurt Vonnegut wird auf das Theater und die Theatermacher aufmerksam, und gemeinsam entsteht das Musical „God Bless You, Mr Rosewater“. Nach dem mäßigen Erfolg des Stücks wendet sich Ashman einer Musicalfassung eines kleinen, schmutzigen Roger-Corman-Horrorfilms namens „Little Shop of Horrors“ zu. Das gleichnamige Musical entwickelt sich zu einem Broadwayhit und wird 1986 erfolgreich verfilmt.

Geniales Talent für Storytelling und Songtexten

Howard Ashmans geniales Talent für Storytelling und Songtexten weckt das Interesse der neuen Führung der Disney Studios. Jeffrey Katzenberg lädt Ashman ein, an neuen Filmen des Animationsstudios mitzuwirken. So beginnt die Arbeit an „Arielle – Die kleine Meerjungfrau“, an „Die Schöne und das Biest“ und „Aladdin“, den drei großen Animationsfilmen, die in den späten 1980ern und 1990ern die Renaissance der Animation einläuten. Die am New Yorker Broadway erlernten Fähigkeiten trafen im perfekten Moment auf ein Animationsstudio, das zuvor die Fähigkeit verloren hatte, moderne, smarte Märchen zu erzählen. Es folgten „Grammys“, „Oscars“, „Golden Globes“ – Anerkennungen, Ehrungen. Bereits während der Arbeit an „Arielle“ wurde eine AIDS-Erkrankung bei Ashman diagnostiziert, der er auf dem Höhepunkt seines Erfolgs am 14. März 1991 erlag.

Regisseur Don Hahn schuf mit „Howard“ eine Art Fortsetzung zu seinem Dokumentarfilm „Waking Sleeping Beauty“ (2009), einem Insider-Look auf die Disney-Renaissance von „Arielle“ bis „König der Löwen“. Hahn war unter anderem Produzent von „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ und „Nightmare before Christmas“ und der erste Animationsfilmproduzent, der jemals mit einer „Oscar“-Nominierung für den Besten Film ausgezeichnet wurde – eben für „Die Schöne und das Biest“. In „Howard“ setzt er meisterhaft Interviews, Statements, Erinnerungen aus den verschiedensten Dekaden kaleidoskopartig zu einem großen Ganzen zusammen. Und es ist natürlich Hahns bewundernder Blick auf den früheren genialen Mitarbeiter, der den Ton der Dokumentation setzt. Niemals aber um die Bedeutung des eigenen Schaffens zu betonen oder das der Disney Company, eher geht es um das Privileg, mit einem solchen Ausnahmetalent zusammengearbeitet zu haben. Und die verschiedenen Blickwinkel auf Howard Ashman lassen diesen als Persönlichkeit wieder zum Leben erwachen und nachvollziehbar werden.

Nachruf auf den Mann, der einer Meerjungfrau ihre Stimme gab und einem Biest seine Seele

Kombiniert wird das auf der visuellen Seite mit Fotografien, Familienfilmen, rarem Videomaterial aus den Disney- und zahlreichen weiteren Film-Archiven, Ausschnitten aus den Trickfilmen. Dabei gelingt Don Hahn auch der Drahtseilakt, eine Balance herzustellen zwischen dem Werk, dem Privaten, dem Beruflichen, dem gesellschaftlichen Druck, dem historischen Umfeld. Viele Details, viele Fragen können in 95 Minuten nur angerissen werden, Fragen zum Wechselspiel zwischen Handwerk und Kreativität, Fragen zu kreativen Spannungen zwischen Künstler und Geldgeber, Fragen über aufbrausende Temperamente und den Preis für Perfektion. Doch dafür gibt es weiterführende Literatur, das Internet, weitere Filme. Was der Film leistet, ist, den Menschen Howard hinter seinem Werk hervorzuholen und ihm einen Moment Öffentlichkeit zu schenken. Hahn baut dabei seinem früheren Arbeitskollegen kein posthumes, glorifizierendes Denkmal, sondern erschafft einen bezaubernden Nachruf auf einen der großen Geschichtenerzähler des 20. Jahrhunderts. Der einer Meerjungfrau ihre Stimme gab und einem Biest seine Seele.

 

 

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