Es ist was faul an der schwarz-weißen Vorstadtidylle – das wissen Fans des Marvel Cinematic Universe schon von Anfang an, wenn Wanda (Elizabeth Olsen) und Vision (Paul Bettany) als junges Ehepaar in ihr properes Heim in einer properen Straße ziehen und, begleitet vom Retorten-Lachen aus dem Off, ihr gemeinsames Sitcom-Leben starten. Schließlich war das von einem der Infinity-Steine belebte KI-Wunderwesen Vision am Ende von „Avengers: Infinity War“ vom Superschurken Thanos getötet worden und gehörte zu jenen gefallenen Helden, die auch am Ende von „Avengers: Endgame“ nicht ins Leben zurückgeholt werden konnten. Wie kann es da sein, dass Vision nun als braver Ehemann, Eigenheimbesitzer und fleißiger Angestellter den amerikanischen Traum von anno dazumal lebt? Wanda allerdings scheint sich an der Unmöglichkeit der Situation nicht zu stören: Sie spielt wacker ihre Rolle als herziges Housewife, das mit Vision Wortspielereien austauscht, seine übernatürlichen Kräfte nur für witzige Tricks à la „Verliebt in eine Hexe“ nutzt und ansonsten vor allem bestrebt ist, sich unauffällig in die Nachbarschaft einzufügen, die sie mit Sicherheit verheißender Spießigkeit und den nostalgischen Grautönen einer Mid-Century-TV-Serie umfängt. Wenn da nur nicht diese Irritationsmomente wären, wie das plötzliche grelle Rot eines blutenden Schnitts in einer Hand – Risse in der Matrix…
Was genau sich hinter dieser Matrix verbirgt, offenbaren die ersten zwei Folgen, mit denen Disney+ sein erstes Serien-Spin-off aus dem Erfolgsfranchise rund um die Avengers-Charaktere am 15. Januar gestartet hat, noch nicht. Doch ist Serienschöpferin Jac Schaeffer und Regisseur Matt Shakman schon mal ein vielversprechender Auftakt gelungen. In den Avengers-Filmen waren Elizabeth Olsens und Paul Bettanys Figuren zu einem Dasein im Schatten der zentralen Helden Iron Man, Captain America und Co. verdammt; der schön seltsamen Liaison zwischen ihnen wurde entsprechend nur relativ wenig Raum eingeräumt – ihnen nun dabei zuzusehen, die Charaktere jenseits vom großen Actionspektakel in einem ganz anderen Genre-Rahmen zu erkunden, entpuppt sich als großes Vergnügen. Während sich die Spielfilme des Marvel Cinematic Universe bei aller Originalität in den Details im großen Ganzen brav ans Einmaleins des Superheldengenre hielten – Superheld bekommt es mit Superschurken zu tun, findet nach ersten Rückschlägen zu sich selbst und siegt am Ende – tritt „WandaVision“ mit seiner surrealen „TV-Serie in der TV-Serie“-Prämisse eher in die Fußstapfen der erzählerisch eigenwilligeren und wagemutigeren Marvel-Serien wie „Legion“.
Retro-Charme mit befremdlichen Tönen
Auch von der Länge her ans Sitcom-Format angepasst, lassen die ersten Episoden mit ihren Hommagen an Formate wie die „Dick van Dyke Show“ stilsicher den Retro-Charme spielen, um ihn immer wieder ins Beunruhigend-Befremdliche kippen zu lassen – wenn sich etwa in der ersten Episode ein Dinner bei Wanda & Vision, zu dem Visions Chef nebst Gattin geladen ist, zuerst als lustiger Parcours von Fettnäpfchen und Küchenpannen entfaltet, um einem alsbald, wenn dem Chef ein Bissen im Hals stecken bleibt, auch das Lachen kurz im Hals stecken bleiben zu lassen. Oder wenn in Episode zwei der Zirkel der Society-Ladys in der Nachbarschaft, bei dem Wanda einen Fuß in die Tür zu bekommen versucht, ein gewisses „Stepford Wives“-Flair verbreitet.
Dabei profitiert die Serie auch von ihren Darstellern: Elizabeth Olsen und Paul Bettany, aber auch Kathryn Hahn als übereifrig-aufdringliche Nachbarin und die anderen Nebendarsteller verstehen es bestens, der Fröhlichkeit und den Gags ihrer Figuren einen kleinen, aber entscheidenden Drall ins Künstlich-Angestrengte zu geben. Es ist was faul in der harmlosen Sitcom-Idylle – und wie gemein von Disney+, dass die Verbeugung vor dem alten, analogen Fernsehen hier auch impliziert, dass man nicht per Binge Watching sofort herausfinden kann, was jenseits der Matrix steckt, sondern Woche für Woche auf neue Folgen warten muss!