Fantasy | USA 2021 | Minuten

Regie: Matt Shakman

Serien-Ableger des „Marvel“-Superheldenkosmos rund um Vision und Wanda Maximoff alias Scarlet Witch, das mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen spielt und formal mit unterschiedlichen historischen Sitcom-Formaten flirtet: Wanda und Vision, der nach seinem Ableben in der „Avengers“-Reihe rätselhafterweise wieder am Leben zu sein scheint, beziehen als junges, biederes Paar – er Angestellter in einer Computerfirma, sie Hausfrau – ein Häuschen in einer vermeintlich idyllischen Vorstadtgegend und durchleben komödiantische Alltagsabenteuer. Ein gelungener Balanceakt zwischen Retro-Charme und sich einschleichender Beunruhigung, pointiert inszeniert und von versierten Darstellern getragen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
WANDAVISION
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Marvel Studios
Regie
Matt Shakman
Buch
Jac Schaeffer
Kamera
Jess Hall
Musik
Christophe Beck
Darsteller
Paul Bettany (Vision) · Elizabeth Olsen (Wanda Maximoff/Scarlet Witch) · Kathryn Hahn (Agnes) · Kat Dennings (Darcy Lewis) · Teyonah Parris (Monica Rambeau)
Länge
Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Fantasy | Serie

Heimkino

Verleih Blu-ray
Disney
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Serie um zwei Helden des Marvel Cinematic Universe, das KI-Wesen Vision und Wanda Maximoff alias Scarlet Witch: Das Liebespaar, das in den letzten "Avengers"-Filmen tragisch auseinander gerissen wurde, findet sich in einer Welt alter Sitcoms wieder - doch es ist was faul im lustigen Idyll.

Diskussion

Es ist was faul an der schwarz-weißen Vorstadtidylle – das wissen Fans des Marvel Cinematic Universe (MCU) von Anfang an, wenn Wanda (Elizabeth Olsen) und Vision (Paul Bettany) als junges Ehepaar in ihr properes Heim in einer properen Straße ziehen und ihr gemeinsames Sitcom-Leben starten, begleitet vom Retorten-Lachen aus dem Off. Schließlich war das von einem der Infinity-Steine belebte KI-Wunderwesen Vision am Ende von „Avengers: Infinity War“ vom Superschurken Thanos getötet worden und gehörte zu jenen gefallenen Helden, die auch am Ende von „Avengers: Endgame“ nicht ins Leben zurückgeholt werden konnten. Wie kann es da sein, dass Vision nun als braver Ehemann, Eigenheimbesitzer und fleißiger Angestellter den amerikanischen Traum von anno dazumal lebt? Wanda allerdings scheint sich an der Unmöglichkeit der Situation nicht zu stören: Sie spielt wacker ihre Rolle als herziges Housewife, das mit Vision zusammen dem Ehepaar aus der Dick-Van-Dyke-Show nachzueifern scheint, seine übernatürlichen Kräfte nur für witzige Tricks à la „Verliebt in eine Hexe“ nutzt und ansonsten vor allem bestrebt ist, sich unauffällig in die Nachbarschaft einzufügen, die sie mit Sicherheit verheißender Suburbia-Spießigkeit umfängt. Wenn da nur nicht diese Irritationsmomente wären, wie das plötzliche grelle Rot eines blutenden Schnitts in einer Hand – Risse in der Matrix…

Retro-Charme mit befremdlichen Tönen

In den Avengers-Filmen waren Elizabeth Olsens und Paul Bettanys Figuren zu einem Dasein im Schatten der zentralen Helden Iron Man, Captain America und Co. verdammt; der schön seltsamen Liaison zwischen ihnen wurde entsprechend nur relativ wenig Raum eingeräumt – ihnen nun in der Serie von Showrunnerin Jac Schaeffer und Regisseur Matt Shakman dabei zuzusehen, die Charaktere jenseits vom großen Actionspektakel in einem ganz anderen Genre-Rahmen zu erkunden, entpuppt sich als großes Vergnügen. Während sich die Spielfilme des Marvel Cinematic Universe bei aller Originalität in den Details im großen Ganzen brav ans Einmaleins des Superheldengenre hielten – Superheld bekommt es mit Superschurken zu tun, findet nach ersten Rückschlägen zu sich selbst und siegt am Ende – tritt „WandaVision“ mit seiner surrealen „TV-Serie in der TV-Serie“-Prämisse eher in die Fußstapfen der erzählerisch eigenwilligeren und wagemutigeren Marvel-Serien wie „Legion“.

Auch von der Länge her ans Sitcom-Format angepasst, sind die einzelnen Folgen als stilistische Hommagen an die Serienwelten unterschiedlicher Jahrzehnte, von den 1960ern beginnend bis in die 1990er, angelegt und lassen den Retro-Charme spielen, um ihn immer wieder ins Beunruhigend-Befremdliche kippen zu lassen – wenn sich etwa in der ersten Episode ein Dinner bei Wanda & Vision, zu dem Visions Chef nebst Gattin geladen ist, zuerst als lustiger Parcours von Fettnäpfchen und Küchenpannen entfaltet, um alsbald, wenn dem Chef ein Bissen im Hals stecken bleibt, auch den Zuschauern das Lachen kurz im Hals stecken bleiben zu lassen. Ab der dritten, vierten Folge offenbart sich dann schließlich, was jenseits der Matrix steckt, und der Plot nimmt bis zum steinerweichenden Finale stetig an Tempo und Dramatik zu.

Den schwersten Kampf muss Wanda mit sich selbst austragen

Trauerarbeit hat im Superheldengenre, wie in den meisten actionbetonten Filmen, normalerweise nur in einer Form Platz – als Rache. Wenn Batmans Eltern oder Spidermans Onkel ermordet werden, dann interessiert daran nur, den Helden ein triftiges Motiv für ihre Entwicklung zum maskierten Verbrechensbekämpfer mit auf den Weg zu geben. Schon „Avengers: Endgame“ hatte ein bisschen an dieser Konvention gerüttelt: Die Rache am Superschurken Thanos, die nach dem Fiasko in „Infinity War“ das zu erwartende Ziel der Handlung sein musste, wurde unerwartet früh vollzogen – um die Figuren im Folgenden erstmal hilflos in der ernüchternden Erkenntnis schmoren zu lassen, dass dadurch ihre Verluste nicht weniger schmerzhaft werden. Zwar wurde ihnen mit einem Zeitreise-Twist schließlich doch noch die Möglichkeit eröffnet, das Schicksal zum Besseren zu wenden und mit viel Pathos einen Großteil der von Thanos Vernichteten ins Leben zurück zu holen, aber eben nicht alle. In „WandaVision“ kristallisiert sich die Trauer nun hinter dem Sitcom-Lachen als das große, zentrale Thema heraus. Zwar bedient die Serie durchaus auch die Erwartungen der Fans, aus dem Fundus der Marvel-Fieslinge einen neuen Antagonisten aus dem Hut zu zaubern; den schwersten Kampf aber, das ahnt man spätestens in der Serienmitte, wird Wanda mit sich selbst und ihrem eigenen Schmerz ausfechten müssen.

Stimme Weiterführung & schöne neue Impulse

Es gelingt der Serie damit bestens, stilistisch eine neue Klangfarbe in das Franchise einzubringen, zudem den ein oder anderen Erzählfaden auszuwerfen, an den in der weiteren Phase IV des MCU angeknüpft werden könnte, und zugleich stimmig an die bisherigen Filme anzuschließen – etwa durch die Einführung einer Figur, die bisher nur als kleine Nebenrolle in „Captain Marvel“ auftauchte, durch ein Comeback von Fan-Liebling Darcy Lewis (Kat Dennings) aus den „Thor“-Filmen oder durch einen spielerischen Handshake mit dem X-Men-Franchise.

Dabei kommt, vor allem in der zweiten Serienhälfte, durchaus auch der Actionspektakel-Aspekt des Genres wieder zum Zug. Für den eigentlichen Drive sorgt jedoch jederzeit die Figurenentwicklung: Elizabeth Olsen und Paul Bettany, aber auch Kathryn Hahn als übereifrig-aufdringliche Nachbarin verstehen es bestens, aus dem unvermeidlichen Bröckeln der heilen Fassaden in der schönen Sitcom-Idylle auch im kleinen TV-Format großes Gefühlskino zu machen.

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