Science-Fiction | Südkorea 2021 | 136 Minuten

Regie: Jo Sung-Hee

Nach der Klimakatastrophe haben sich die Privilegierten in eine Hochglanz-Raumstation gerettet, während der Rest der Menschheit auf der maroden Erde oder in rostigen Raumschiffen haust. Eine Gruppe von Weltraum-Schrottsammlern gerät mit einem machtvollen Konzern aneinander, dessen Vorsitzender nach der Weltherrschaft strebt. Eine Schlüsselrolle dabei spielt ein Mädchen, das ein gefährliches Geheimnis birgt und zum Schützling der Müllsammler wird. Das visuell überbordende Science-Fiction-Abenteuer mit Cyberpunk-Anleihen hält der Dystopie eines brutalen Technologie-Monopolismus inhaltlich wie ästhetisch ein (Widerstands-)Programm von Vielfalt, Solidarität und Menschlichkeit entgegen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SEUNGRIHO
Produktionsland
Südkorea
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Bidangil Pict./Dexter Studios
Regie
Jo Sung-Hee
Buch
Jo Sung-Hee · Yoon Seung-min · Yookang Seo-ae
Kamera
Byeon Bongseon
Musik
Kim Tae-seong
Schnitt
Nam Na-young · Ha Mira
Darsteller
Song Joong-Ki (Pilot Tae-ho) · Kim Tae-ri (Kapitän Jang) · Jin Seon-gyu (Mechaniker Tiger Park) · Yoo Hae-jin (Roboter) · Richard Armitage (Sullivan)
Länge
136 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Science-Fiction
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Ein südkoreanisches Science-Fiction-Abenteuer, in dem das Schicksal der Menschheit von einer Gruppe Weltraumschrottsammler abhängt, die sich gegen einen Megakonzern zur Wehr setzen.

Diskussion

Häufig erzählen Science-Fiction-Filme vom drohenden Weltuntergang. In „Space Sweepers“ des südkoreanischen Regisseurs Jo Sung-hee ist die Apokalypse bereits passiert. Allerdings sind dabei nicht alle Erdenbewohner gleich schlecht wegkommen. Eine Zweiklassengesellschaft entscheidet nun über Glück und Unglück.

Der Planet ist verdorrt. Ein menschenwürdiges Leben ist an der Oberfläche kaum noch möglich. Die Überlebenden der Klimakatastrophe vegetieren in Megametropolen vor sich hin; alles pflanzliche Grün scheint unwiederbringlich getilgt. Schlecht geht es dennoch nicht allen. In der Erdumlaufbahn kreist ein künstlich geschaffenes Habitat, in dem sich die Gewinner des globalen Zusammenbruchs eingerichtet haben. Ihnen mangelt es scheinbar an nichts. Die Bevölkerung von „New Eden“ genießt ein rundum versorgtes Dasein der Annehmlichkeit.

Der Müll der Privilegierten

Unter der gläsernen Kuppel der Luxusraumstation wirken die Gesichter heiter-entspannt und die Körper gesund; das Älterwerden ist kein Grund für existenzielle Betrübnis. 150-Jährige gehören hier zum Alltag, so wie auch der Vorsitzende des Tech-Konzerns UTS, James Sullivan (Richard Armitage). Seine Firma ist nicht nur für die Wartung der „New Eden“-Kolonie verantwortlich, sie besorgt auch gleich die Regierungsgeschäfte mit.

So sehr in dem weltraumgebundenen Paradies Mangel und Not der Vergangenheit angehören, so wenig konnte ein ausgesprochen irdisches Problem beseitigt werden: die Müllproduktion. Ihre Abfälle entsorgt die privilegierte Gesellschaft direkt in den Weltraum. Das hat die Space Sweepers auf den Plan ruft. Sie sind ein wild zusammengewürfelter Haufen gesellschaftlicher Outsider. Ihre Aufgabe besteht darin, den Orbit von den drängendsten Hinterlassenschaften der New-Eden-Bewohner zu befreien.

Bisweilen stürzen Trümmer der Luxusgesellschaft auf die Erde – mit verheerenden Folgen. Ein Teil der Mannschaft des Raumschiffs Victory hat das am eigenen Leib erfahren. Die Tochter der Hauptfigur Tae-ho (Song Joong-ki) wurde bei einem Absturz von Weltraumschutt erschlagen. Gemeinsam mit der verwegenen Schiffskapitänin Jang (Kim Tae-ri), dem Krieger Tiger Park (Jin Seon-kyu) und dem allzu menschlichen Roboter Bubs befindet Tae-ho sich auf einer Mission, als er die Bekanntschaft der kleinen Dorothy macht. Dorothy scheint nur auf den ersten Blick ein normales Mädchen zu sein. Ihr künstlich angereichertes Erbgut enthält den Programmcode für eine Biowaffe auf Nuklearbasis. Das weckt Begehrlichkeiten. Auch die des vermeintlichen Philanthropen James Sullivan, dessen Säuberungsfantasien sich nicht auf die blitzblanken Oberflächen seines Space-Habitats beschränken. Es kommt zum Aufeinandertreffen zwischen ihm und dem Weltraum-Renegaten Tae-ho, der sich für das Leben von Dorothy verantwortlich fühlt.

Weltraumtrip mit Cyberpunk-Anleihen

Regisseur Jo Sung-hee bedient sich ästhetisch einer breiten Palette filmischer Einflüsse, die von Serienproduktionen wie „Cowboy Bebop“ und „Firefly“ bis zu Hollywood-Blockbustern à la „Elysium“ oder Steven Spielbergs „Ready Player One“ reichen. Hinter diesen Produktionen braucht sich „Space Sweepers“ keinesfalls zu verstecken. Jo Sung-hee präsentiert seinen Weltraumtrip mit Cyberpunk-Anleihen als visuell überbordende Space Opera. Seine Weltraumaußenseiter haben sich in einem schrulligen Verhau aus Behelfswerk und Hochtechnologie eingerichtet. In den Ecken des Raumschiffs stapelt sich irgendwelches Zeug. Von den Decken hängen Kabelenden und Schläuche herab. Schweißnähte sind überall sichtbar. Die Roboter spinnen genauso herrlich wie die Menschen. Alles fiept und blinkt. Außerdem gibt es überall bunte Knöpfe. Bildlich ist dies das Kontrastprogramm zur aseptisch leergeräumten Optik des Habitats, das ein wenig so wirkt, als hätte Marie Condō die Gelegenheit zur Terrorherrschaft ergriffen.

Der Film ist eine Feier des offenen informationsverarbeitenden Systems, der marktbefreiten Solidarität und der Multitude. Ihm steht der abgeschottete Technologie-Monopolismus des Sullivan-Konzerns entgegen. Gesellschaftskritik transportiert „Space Sweepers“ vollständig über sein ästhetisches (Widerstands-)Programm. Es ist das des filmischen Überschusses, auch der audiovisuellen Überforderung. Dass dieses Konzept aufgeht, verdankt sich der präzisen Bild-Ton-Arbeit des südkoreanischen Kreativteams um Jo Sung-hee. Am Ende ist es der Humanismus des Regisseurs, der auch die Outsider des Raumschiffs Victory beseelt. Menschlichkeit wird bei Jo Sung-hee aber nicht gegen Technologie in Stellung gebracht – bei richtiger Anwendung verleiht die Technik dem Humanismus vielmehr Raketenkräfte.

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