Dokumentarfilm | Ägypten/Frankreich/Norwegen/Palästina/Deutschland 2021 | 80 Minuten

Regie: Samaher Alqadi

Im Januar 2013 kommt es bei einer Kundgebung zum zweiten Jahrestag der Revolution auf dem Tahrir-Platz in Kairo zu zahlreichen sexuellen Übergriffen. Daraufhin formieren sich auf den Straßen der Stadt Scharen von Frauen, unter den sich auch die Filmemacherin Samaher Alqadi befindet. Mit ihrer Kamera dokumentiert sie den Aufstand, nutzt sie aber auch als Spiegel und Waffe. Der aktivistische Film verbindet das persönliche Bekenntnis und einen imaginären Dialog mit der verstorbenen Mutter mit einer vehementen Anklage gegen sexuelle Gewalt und Entrechtung in der arabischen Gesellschaft. Ein Doku-Essay, das Frauen Mut machen will, sich Gehör zu verschaffen und für ihre Rechte zu kämpfen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
AS I WANT
Produktionsland
Ägypten/Frankreich/Norwegen/Palästina/Deutschland
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Prophecy Films/Integral Film/Temps Noir/Idioms Films
Regie
Samaher Alqadi
Buch
Samaher Alqadi
Kamera
Samaher Alqadi · Karim El Hakim
Schnitt
Gladys Joujou
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Filmessay | Frauenfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Die Filmemacherin Samaher Alqadi dokumentiert Gewalt gegen Frauen auf den Straßen von Kairo und verwebt die Aufnahmen mit persönlichen Reflexionen zu einem aktivistischen Essay.

Diskussion

„The image is powerful. It’s proof. It’s difficult to erase from ones memory. That’s why I used my camera as a weapon. To protect myself and face myself at the same time“, erklärt Samaher Alqadi in „As I Want“: Die Kamera ist für die palästinensische Filmemacherin und feministische Aktivistin ein Instrument der Selbstermächtigung und der öffentlichen Anklage. Wenn sie sich durch die Straßen von Kairo bewegt und Männer ihr im Vorbeigehen sexuelle Anzüglichkeiten zurufen, richtet sie die Kamera offensiv auf ihr Gegenüber. Sie gibt den Blick zurück, der sie objektifiziert, erhebt ihre Stimme.

Zum Spiegel wird die Kamera, wenn Alqadi sich selbst filmt. „As I Want“ beginnt mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen ihres enormen Babybauchs. In Form eines intimen inneren Dialogs, der sich bald als Gespräch mit der verstorbenen Mutter entpuppt, gerät sie angesichts ihrer Schwangerschaft ins Nachdenken darüber, was es bedeutet, in der ägyptischen Gesellschaft Frau und Mutter zu sein.

Als Aktivistin und Dokumentaristin unterwegs

Bei den Massendemonstrationen zum zweiten Jahrestag der Revolution kam es am 25. Januar 2013 auf dem Kairoer Tahrir-Platz zu heftigen, vielfach auch gemeinschaftlich begangenen sexuellen Übergriffen. Frauen wurden umringt und angegriffen, ihre Kleidung zerrissen; Männer, die zu helfen vorgaben, reihten sich unter die Angreifer; auch Frauen, die den Angegriffenen helfen wollten, wurden selbst attackiert. Da formierte sich Widerstand. Eine Aktivistin teilte ein Video, in dem sie die Täter mit einem roten Kreis markierte, um sie zu „outen“. Ein schwer verletztes Opfer klagte in einer Fernsehsendung öffentlich an, dass sie weder vom Gesetz noch von der Polizei geschützt wurde. Scharen protestierender Frauen gehen seither auf die Straße, tun sich zusammen, schützen sich mit Deosprays, Hijab-Nadeln und Messern gegen potenzielle Angreifer. Samaher Alqadi ist Teil der Bewegung, sie ist Aktivistin und Dokumentaristin zugleich.

„As I Want“ verbindet das persönliche Bekenntnis und den imaginären Dialog mit der Mutter mit einer wütenden Anklage gegen jene Teile der arabischen Gesellschaft, die Frauen entrechten und ihre Stimmen unterdrücken. Auf einem Spielplatz trifft sie junge Mädchen, die die unverhüllte Frau mit der Kamera neugierig, aber auch skeptisch betrachten. Der Körper einer Frau sei beschämend, sie dürfe sich nicht unbedeckt zeigen, sagen sie. Sie sind heiter und ausgelassen, noch sind sie von der Kindheit geschützt.

Eine Reise in die eigene Vergangenheit

Die Begegnung mit den Heranwachsenden führt die Filmemacherin zurück in ihre eigene Vergangenheit, die sie in Form von kurzen Reenactments noch einmal durchlebt. Alqadi begibt sich auf eine Reise in ihr Elternhaus in Ramallah, wo sie im Alter von 16 Jahren aus Gründen der „Ehre“ fast von ihrem Bruder ermordet wurde. Nach dem traumatischen Vorfall war sie ein Jahr lang zu Hause eingesperrt; ihre Mutter stand ihr nicht zur Seite. Die Tochter bedauert, dass die Mutter starb, ohne ihre Rechte zu kennen, dass „ihre Lungen nie die Chance hatten zu atmen“.

Am 4. Juni 2014 wurde in Ägypten sexuelle Belästigung im Gesetz erstmals als Straftat definiert. Die Beweislast liegt allerdings nach wie vor bei den Opfern. Wer belästigt wird, muss den Täter mehr oder minder selbst festhalten und zur Polizei bringen. Was Samaher Alqadi prompt in die Tat umsetzt, als ein Mann sie in einem Café verfolgt und betatscht. Der Kampf gegen die sexuelle Gewalt, so kollektiv er inzwischen auch geführt wird, bleibt für jede einzelne Frau eine tagtägliche Aufgabe.

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