Biopic | USA 2022 | 166 Minuten

Regie: Andrew Dominik

In dem Film über die Hollywood-Schauspielerin Marilyn Monroe, der ihr von ihren Anfängen als Pin-up bis zu ihrem Tod im Jahr 1962 folgt, verschwimmen durchgängig Fakten und Fiktion. Die erschütternde, teils mit drastischen Bildern arbeitende Passionsgeschichte einer jungen Frau in einer von Männern dominierten Branche gleicht eher einem Horrorfilm über Misogynie als einer biografischen Fantasie. Inszenierung, Farbdramaturgie sowie eine lose dramaturgische Struktur verleihen dem Film ein surreales Flair, der eher traumgleiche Momente aus dem Leben des Stars aneinanderreiht, als eine stringente Geschichte zu erzählen. - Sehenswert ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
BLONDE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Plan B
Regie
Andrew Dominik
Buch
Andrew Dominik
Kamera
Chayse Irvin
Musik
Nick Cave · Warren Ellis
Schnitt
Adam Robinson
Darsteller
Ana de Armas (Norma Jeane Mortenson/Marilyn Monroe) · Bobby Cannavale (Joe DiMaggio) · Adrien Brody (Arthur Miller) · Caspar Phillipson (John F. Kennedy) · Xavier Samuel (Charles Chaplin jr.)
Länge
166 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 18.
Genre
Biopic | Drama
Externe Links
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Traumgleicher Film über das Leben des Hollywood-Stars Marilyn Monroe in Form einer mit teilweise drastischen Bildern arbeitenden Passionsgeschichte.

Diskussion

In zwei Szenen dringt die Kamera direkt in Marilyn Monroes Vagina ein. „Der süße Engel des Sex“, wie Norman Mailer den Star in seinem 1973 erschienenen Monroe-Buch bezeichnete, wird in Andrew Dominiks „Blond“ buchstäblich penetriert von jenem Apparat, mit dem sie laut Mailer ihre „größte Liebesaffäre“ hatte. Es sind allerdings keineswegs Liebes- oder Erotikszenen, die da stattfinden, sondern gynäkologische Horrorszenarien: Die Vagina-Shots sind Teil von zwei zwischen Realität und Albtraum oszillierenden Episoden, in denen es um Abtreibungen geht, zu denen die Schauspielerin (verkörpert von Ana des Armas) gegen ihren Willen genötigt wird – eine verortet in den frühen 1950ern kurz vor den Dreharbeiten von „Blondinen bevorzugt“, eine in den frühen 1960ern im Zuge der Affäre mit John F. Kennedy. Es sind Szenen, in denen sich besonders krass manifestiert, um was Dominiks Film kreist: die Degradierung und der Missbrauch der Monroe durch den „male gaze“. Der Filmemacher hat bewusst eine „NC17“-Einstufung in Kauf genommen, um dabei gnadenlos deutlich werden zu können. Ähnliches gilt für eine Szene, in der gezeigt wird, wie die aufstrebende Norma Jeane sich erstmal von einem Studio-Exekutive (angelehnt an Darryl Zanuck) mit lakonischer Beiläufigkeit vögeln lassen muss, bevor sie ihren ersten Screen Test bekommt. Oder für ein groteskes Blow-Job-Rendezvous mit John F. Kennedy gegen Ende des Films, gezeigt unter anderem als frontale Großaufnahme auf Marilyns Gesicht und kommentiert von ihrer Gedankenstimme aus dem Off: Jetzt nur nicht würgen!

Eine Heldin ohne Kontrolle über ihren Körper

„Blond“ beleuchtet das Leben der Monroe auf Basis von Joyce Carol Oates 2000 erschienenem gleichnamigen Roman, der eine fiktionalisierte, mit Fakten genauso wie mit Gerüchten und Erfundenem arbeitende Geschichte der Hollywood-Ikone entfaltet. Es geht ums Sich-Hinein-Versetzen in die imaginierte Perspektive der 1926 als Norma Jeane geborenen Frau, aus der in den 1940ern das Pin-up-Modell und die Schauspielerin Marilyn Monroe wurde. Und aus dieser Perspektive erscheint die „Liebesaffäre“ der „Blonde Bombshell“ mit der Kamera als toxische Umarmung, der Norma Jeane aufgrund ihrer Kindheits-Traumata keinerlei Resilienz gegenzusetzen hatte. Man sollte nicht den Fehler begehen, „Blond“ als Biopic zu sehen; der Film ist vielmehr ein phantasmagorischer Horrorfilm rund um eine Heldin, die ähnlich wenig Kontrolle über ihren Körper hat wie weiland Mia Farrow in Roman Polanskis „Rosemaries Baby“, und ein Hollywood, das so unheimlich ist wie in David Lynchs „Mulholland Drive“.

Every Baby Needs a Da- Da- Daddy

Der Film beginnt in den 1930ern mit markanten Szenen aus Norma Jeanes Kindheit, die um die Beziehung des Mädchens zu seiner psychisch kranken Mutter und die Sehnsucht nach dem abwesenden Vater kreisen – eine Art „Origin Story“ der psychischen Labilität der Monroe, die sie Jahre später anfällig machen wird für die Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, die sie 1962 das Leben kosten wird. Die Szenen mit der von Julianne Nicholson verkörperten Gladys Pearl Baker, die 1934 nach einem psychischen Zusammenbruch in eine Nervenklinik eingeliefert wird und ihre Tochter als Quasi-Waisenkind zurücklässt, werden die einzigen bleiben, die Norma Jeane in bedeutsamer Interaktion mit einer anderen Frau zeigen. Ihre Karriere und ihr Leben werden ab dann von Männern geprägt – von denen, die in Hollywood das Sagen haben, und von den Liebhabern und Ehemännern, bei denen sie ebenso hartnäckig wie vergeblich nach einem Ersatz für die Liebe sucht, die ihr durch die Abwesenheit des Vaters als Kind vorenthalten geblieben ist. Und weder Joe DiMaggio (Bobby Carnavale) noch Arthur Miller (Adrien Brody) machen dabei eine sonderlich gute Figur.

Getragen von einem suggestiven Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis (mit denen Andrew Dominik vor „Blond“ bei den dokumentarischen Porträts zusammen gearbeitet hatte), oszilliert „Blond“ zwischen Schwarz-Weiß-Ästhetik und Farbaufnahmen, die ein bisschen an alte Kodachrome-Bilder erinnern. Ähnlich wie die lose dramaturgische Struktur, die eher traumgleich durch Monroes Leben gleitet als eine stringente Geschichte zu spinnen, trägt das dazu bei, dem Porträt ein Flair des Surrealen zu geben. Man kann ihm den Vorwurf machen, der Monroe als Künstler-Persönlichkeit nicht gerecht zu werden, ihre Stärken als Schauspielerin, vor allem auch als Komödiantin, zugunsten einer steinerweichenden weiblichen Passionsgeschichte völlig unter den Tisch fallen zu lassen. Gerecht wird der Film in seiner brutalen Härte aber dem, was die Monroe letztlich trotz dieser Stärken zerstört hat, der strukturellen Misogynie einer Branche und einer Gesellschaft, die ihren Körper zum Objekt gemacht hat.

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