Abenteuer | USA 2022 | 117 Minuten

Regie: Francis Lawrence

Für ein elfjähriges Mädchen, das mit seinem Vater ein idyllisches Leben auf einem Leuchtturm führt, bricht die Welt zusammen, als der Vater stirbt und es der Obhut seines emotional verkümmerten Onkels anvertraut wird. Doch in seinen Träumen gelangt es ins Schlummerland, wo es sich mit einem windigen Gefährten auf die Suche nach einem magischen Perlenschatz macht, um sich seinen Vater zurückzuwünschen. Ein mit schrägem Humor grundiertes Fantasy-Abenteuer frei nach den „Little Nemo“-Comics von Winsor McCay, das großes Spektakel mit einer Geschichte verbindet, bei der es um die innere Reise einer trauernden jugendlichen Heldin und den Prozess des Loslassens und Sich-Einlassens auf Neues geht. - Ab 10.
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Filmdaten

Originaltitel
SLUMBERLAND
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Chernin Ent.
Regie
Francis Lawrence
Buch
Michael Handelman · David Guion
Kamera
Jo Willems
Musik
Pinar Toprak
Schnitt
Mark Yoshikawa
Darsteller
Marlow Barkley (Nemo) · Kyle Chandler (Nemos Vater Peter) · Chris O'Dowd (Onkel Philip) · Jason Momoa (Flip) · Humberly González (Graciela)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 10.
Genre
Abenteuer | Comicverfilmung | Familienfilm | Fantasy | Komödie
Externe Links
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Fantasy-Abenteuer frei nach den „Little Nemo“-Comics von Winsor McKay, in dem ein Mädchen im Land der Träume nach einer Möglichkeit sucht, seinen toten Vater wiederzubekommen.

Diskussion

Nemos Vater ist ein hervorragender Seemannsgarnspinner. Wenn der Leuchtturmwärter (Kyle Chandler) abends am Bett des elfjährigen Mädchens (Marlow Barkley) sitzt und von den haarsträubenden Abenteuern erzählt, die er und sein wilder Gefährte Flip angeblich erlebt haben, sieht Nemo die Malströme und Monster förmlich vor sich. Doch dann verstummt ihr Vater für immer. Er kommt ums Leben, als er bei einem Sturm einem Fischerboot zu Hilfe eilt. Nemo wird dadurch schmerzhaft aus der von Liebe, Geschichten, Musik und Fantasie beflügelten Vater-Tochter-Zweisamkeit auf dem Leuchtturm herausgerissen und der Obhut des entfremdeten Bruders des Verstorbenen (Chris O’Dowd) anvertraut, eines durch und durch nüchternen Menschen, der mit Gefühlen generell und erst recht mit denen eines trauernden Mädchens komplett überfordert ist.

Der Onkel nimmt seine Nichte mit in die Großstadt, in eine kalt wirkende Ödnis voller dunkel abgeschotteter Glasfassaden. Doch Nemo findet einen Ausweg. Wenn sie einschläft, gelangt sie in ein magisches Land, in dem nicht nur ihr geliebtes Stoffschwein plötzlich quicklebendig ist, sondern auch eine Option zu bestehen scheint, dem Vater zu neuem Leben zu verhelfen.

Eine Story mit Herzblut

Im Schlummerland stößt sie auf Flip (Jason Momoa), den Haudegen aus den Erzählungen ihres Vaters. Die windige Mischung aus Pirat und Faun ist hinter einer Karte her, mit deren Hilfe er einen sagenumwobenen Schatz magischer Perlen im Meer der Albträume aufstöbern will. Diese Perlen sollen jeden Wunsch erfüllen. Nemo lässt sich darauf ein, mit Flip gemeinsame Sache zu machen, um mit Hilfe einer Perle ihren Vater zurückzuwünschen.

Zügig, aber höchst effektiv schafft Regisseur Francis Lawrence eine hochemotionale Ausgangssituation, die klar macht, dass es in diesem Fantasyfilm sehr frei nach den zauberhaften, zwischen 1905 und 1911 entstandenen „Little Nemo“-Comics von Winsor McKay nicht nur um eine Steilvorlage für effektgesättigte Action geht, sondern um eine Story mit Herzblut. Die Handlung wechselt immer wieder zwischen dem London der Wachwelt, in der sich Nemo an ihrem wohlmeinenden, aber schrecklich unbeholfenen Onkel reibt, und Schlummerland hin und her. Dort vagabundiert das Mädchen an der Seite seines wackeren Stoffschweins und des verwegenen Flips durch die Träume unterschiedlichster Menschen, immer auf der Suche nach einer Pforte zum Meer der Albträume und gejagt von der toughen Agentin einer Behörde, die für den ordnungsgemäßen Ablauf unterbewusster Aktivitäten zuständig ist und Flip ganz oben auf ihrer „Most Wanted“-Liste führt. Dabei kristallisiert sich immer mehr heraus, dass es bei der Schatzjagd nicht nur für Nemo ums Sich-Abarbeiten an einem traumatischen Verlust geht, sondern dass auch hinter Flips flamboyanter Fassade ein geheimer Schmerz steckt.

Ein Hauch „Inception“

Ein Hauch „Inception“, gepaart mit jeder Menge schrägen Humors, weht durch die Kulissen, wenn es Nemo, Flip & Schwein unter anderem von der schwülstig-barocken Pracht der Flamenco-Fantasien einer Träumerin, die sich später als Nonne entpuppt, in den Traum eines japanischen Jungen verschlägt, wo ein Müllauto durch eine futuristische Metropole saust. Das Drehbuch droht sich in der Fülle des Materials dabei mitunter zu verzetteln. Einige Ideen, etwa um die Agentin (Weruche Opia) und ihre Behörde, wirken wie Versatzstücke aus anderen Stoffen und finden nicht genügend Raum, um sich zu entfalten; außerdem geraten Nemos Erlebnisse in der Wachwelt, etwa an einer neuen Schule, ebenfalls etwas kurz.

Dennoch besitzt der Film Charme – als schwelgerisches Abenteuer, das nicht nur deshalb eine innere Reise ist, weil es in Schlummerland stattfindet, sondern auch, weil es ähnlich wie im Animationsfilm „Die bunte Seite des Mondes“ letztlich um die seelische Bewegung einer jungen Heldin durch einen Trauerprozess hindurch geht. Die begabte Hauptdarstellerin Marlow Barkley, aber auch Jason Momoa und Chris O’Dowd als ihre Reibeflächen sorgen dafür, dass dieser Aspekt bei allem Spektakel nie untergeht. Und am Ende sind es nicht die Perlen, die zählen, sondern das Loslassen und das Sich-Einlassen auf etwas Neues, das zum Wendepunkt wird.

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