Action | Japan 2023 | 124 Minuten

Regie: Takashi Yamazaki

Nach verstörenden Erfahrungen kehrt ein Kamikaze-Flieger am Ende des Zweiten Weltkriegs ins zerstörte Tokio zurück. Eine junge Frau, die ein elternloses Kind adoptiert hat, und die Nachbarin seiner durch Bomben getöteten Eltern helfen ihm, wieder Fuß zu fassen. Doch nicht nur der Krieg, sondern auch die geheim gehaltene Begegnung mit dem Echsenmonster Godzilla haben ihn tief verstört. Dann aber nimmt das durch US-Atomtests riesenhaft mutierte Wesen Kurs auf das politisch gelähmte Japan. Der für die unterhaltsame Godzilla-Filmreihe äußerst grimmige Monsterfilm rekurriert auf die Anfänge der Reihe und bereichert die furiose Zerstörungsorgie mit einem Drama, das sich melodramatisch mit den Kriegstraumata der Japaner und ihrem Selbstaufopferungsmythos auseinandersetzt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GOJIRA - 1.0
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Robot Communications/Toho Studios
Regie
Takashi Yamazaki
Buch
Takashi Yamazaki
Kamera
Kôzô Shibasaki
Musik
Naoki Satô
Schnitt
Ryûji Miyajima
Darsteller
Ryunosuke Kamiki (Koichi Shikishima) · Minami Hamabe (Noriko Oishi) · Yûki Yamada (Shiro Mizushima) · Hidetaka Yoshioka (Kenji Noda) · Sakura Ando (Sumiko Ota)
Länge
124 Minuten
Kinostart
01.12.2023
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Action | Drama | Horror | Science-Fiction
Externe Links
IMDb | TMDB

Neuerliche Verfilmung des Riesenechsen-Stoffes, der auf das Original von Ishirō Honda rekurriert und mit grimmiger Action von einem Soldaten erzählt, der im Kampf gegen das Monster seine Würde zurückgewinnt.

Diskussion

Kōichi (Ryunosuke Kamiki) hat überlebt. Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, Japan hat verloren. Wie sehr, ist allen noch nicht klar. Als der junge Pilot aus dem Einsatz zurückkommt, findet er in der zerstörten Vorstadt von Tokio kaum noch sein Elternhaus. „Bist du nicht Kamikaze-Flieger gewesen? Du kommst zurück, als wäre nichts gewesen. Sieh dir an, was wegen euch feigen Armeeleuten passiert ist!“, schleudert ihm Frau Sumiko Ōta (Sakura Ando) entgegen. Sie ist die Nachbarin seiner Eltern, die jetzt genauso tot sind wie Sumikos Kinder.

Hat Kōichi überlebt, weil er zu feige war, für sein Land zu sterben? Alle Indizien sprechen dafür. Denn sein letzter Einsatz endete wegen eines vermeintlichen Maschinenschadens auf der kleinen Insel Odo. Doch der Maschinist Sōsaku Tachibana (Munetaka Aoki), der auf Odo tätig war, konnte das nicht bestätigen. Ist Kōichi also ein Deserteur? Der Anschuldigung wird aber nicht weiter nachgegangen, weil in der Nacht etwas Unbekanntes über die Japaner kommt.

Am nächsten Morgen erwacht Kōichi völlig verstört inmitten lauter Leichen. Hat er erneut versagt, wie ihm Sōsaku, ein weiterer Überlebender, ins Gesicht schreit? Hätte er auf das Monster, das aus dem Meer kam, nicht schießen müssen? Das Wesen, das die Fischer „Godzilla“ nennen.

Ein doppelter Prolog

„Godzilla Minus One“ beginnt mit einem doppelt schicksalhaften Prolog, der gleich zwei japanische Traumata thematisiert. Eines ist höchst real und auch noch fast 80 Jahre nach Ende des Krieges tief in den Seelen der Bevölkerung eingegraben. Das andere ist fiktiv, aber nichtsdestotrotz omnipräsent, da es dem Krieg, der Zerstörung, der Atombombe sowie den unbarmherzigen Naturgewalten ein (kinematografisches) Gesicht gegeben hat: das des riesenhaften Echsenmonsters Godzilla, das atomar erweckt und mutiert, wie eine göttliche Plage über die Menschen kommt, wie um ihnen ihre Nichtigkeit und Unfähigkeit zu beweisen.

Die neuerliche, mindestens 33. Aufarbeitung des längst zum weltweiten Symbol avancierten Monsters bezieht sich nach vielen Zerstör- und Unterhaltungsorgien endlich wieder auf den Ur-Godzilla von Ishirō Honda, der 2024 den 70. Jahrestag seiner Premiere feiert. „Godzilla Minus One“ ist fast noch nachdenklicher und grimmiger, aber weniger heroisch – und damit fast ein wichtiges Korrektiv in kriegstaumelnder Zeit.

Auch wenn Frau Ōta ihn eine Schande genannt hat, muss das Leben weitergehen. So arrangiert sich Kōichi mit der Nachbarin in den Trümmern ihrer Häuser. Zumal der junge Mann eher durch Zufall mit Noriko Ōishi (Minami Hamabe) eine Obdachlose in sein Heim holt, die ihrerseits den elternlosen Säugling Akiko adoptiert hat. Die vier raufen sich zusammen. Wie sonst soll es weitergehen, wo alles am Boden liegt? Schließlich passt Frau Ōta sogar auf Akiko auf, als Noriko endlich eine schlecht bezahlte Arbeit findet und der immer noch traumatisierte Kōichi auf einem Minenräumboot sein schlechtes Gewissen mit lebensgefährlichen Tätigkeiten zu kompensieren versucht.

Hätte es den verstörenden, erstaunlich brutalen Anfang nicht gegeben, könnte man fast zum Schluss kommen, Takashi Yamazaki inszeniere hier ein realistisches Nachkriegsdrama und keinen brachialen Monsterfilm. Im ersten Drittel ist wenig Platz für Godzilla, dafür umso mehr für Zwischenmenschliches und Melodramatisches. Erst wenn nach gut 40 Minuten die erste Begegnung des kleinen „Shinsei Maru“-Bootes und Godzilla ansteht, findet man sich mitten in einem actionreichen „Kaijū Eiga“ wieder, wie die berühmt-berüchtigten Monsterfilme in Japan heißen.

Auf verlorenem Posten

Wenn Kōichi mit seinen inzwischen befreundeten Kollegen Yōji (Kuranosuke Sasaki), Shirō (Yuki Yamada) und Kenji (Hidetaka Yoshioka) dem durch US-amerikanische Atomwaffentests riesenhaft mutierten Godzilla die Stirn bietet, hat das fast etwas von der stoischen Verzweiflung des verwegenen Trios aus „Der weiße Hai“. Doch sobald Godzilla zu einem brillant animierten „Atem des Todes“ ansetzt, dem radioaktiven Feuerlichtstrahl, ahnt man, dass Japan auch dieses Mal auf verlorenem Posten steht. Zumal die politischen Implikationen, die schon in „Shin Godzilla“ (2016) zu einer weitgehenden Lähmung des Staatsapparates geführt hatten, auch hier wieder eine Rolle spielen. Denn beiläufig erfährt man, dass sich sowohl die japanische Regierung als auch die US-Amerikaner aus den Kampfhandlungen heraushalten. Die US-Army wegen der Komplikationen mit den Russen, die Japaner wegen Inkompetenz.

Wenn Godzilla im Verlauf des Films auch noch ans Land kommt und in Tokios Stadtteil Ginza keinen Stein auf dem anderen lässt, sind es vor allem normale Bürger, die sich der Monsterechse in den Weg stellen. Wie schon im Prolog eindrücklich vor Augen geführt, ist das Monster hier nicht der kumpelhafte Riese von nebenan, der eher gegen andere Monster als gegen die Japaner zu Felde zieht. Der Godzilla von Regisseur Takashi Yamazaki ist so erbarmungslos, hässlich und angsteinflößend wie 1954 bei Honda. Das macht durchaus Sinn, da Kōichi an seinem „Antagonisten“ wächst und darüber auch die wahre Geschichte seiner „Feigheit“ enthüllt. Zum Schluss kommt es nicht nur zum Overkill mit dem Monster, sondern auch zum melodramatischen Showdown. Der hat es ebenso in sich wie die eindrucksvolle Action-Choreografie, die ein wenig von den hanebüchenen (Drehbuch-)Einfällen ablenken soll, mit denen man das Monster stoppen will.

Ein einziger erschütternder Satz bringt Kōichi seine Würde zurück. Und es ist die alte „Godzilla“-Filmmusik von Akira Ifukube, die im enigmatischen Score von Naoki Satō daran gemahnt, dass auch hier so schnell kein Ende naht.

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