The Walking Dead: Daryl Dixon

Horror | USA 2023 | 600 (zwölf Folgen) Minuten

Regie: Daniel Percival

Ein Spin-off zur Erfolgs-Zombieserie „The Walking Dead“ rund um die Figur Daryl Dixon. Diesen hat es durch unglückliche Umstände von den USA über den Ozean nach Frankreich verschlagen. An der Küste angeschwemmt, landet er in der Obhut eines Nonnenklosters und wird dort für eine gefährliche Mission rekrutiert: Er soll einen Jungen, in dem die Nonnen eine messianische Erlöserfigur sehen, ins „Nest“ einer religiösen Bewegung in der Normandie geleiten. Doch beide kommen einer militant-populistischen Bewegung in die Quere, die Frankreich martialisch zu neuer Größe führen will. Die Fortschreibung der Originalserie setzt einmal mehr auf die Konfrontation mit einer starken Gegner-Gruppe und dreht mit neuen Zombie-Varianten an der Gefahrenschraube, unterhält aber vor allem dank der Reise-Struktur, die die Hauptfigur zu allerlei spannenden Begegnungen und schauträchtigen Orten führt, durch die emotionale Dynamik zwischen ihm und neu eingeführten Figuren sowie das Spiel mit religiösen Motiven. - Ab 18.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE WALKING DEAD: DARYL DIXON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
AMC Studios
Regie
Daniel Percival · Tim Southam
Buch
David Zabel · Laura Snow · Jason Richman · Coline Abert · Shannon Goss
Kamera
Michel Amathieu · Tommaso Fiorilli
Musik
David Sardy
Schnitt
Shari Mead · Alan Cody · Jack Colwell · Iain Erskine · Jason Savage
Darsteller
Norman Reedus (Daryl Dixon) · Clémence Poésy (Isabelle Carrière) · Louis Puech Scigliuzz (Laurent) · Adam Nagaitis (Quinn) · Anne Charrier (Genet)
Länge
600 (zwölf Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Horror | Serie | Thriller | Zombiefilm
Externe Links
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Im neuen Spin-off der Zombie-Serie verschlägt es Fanliebling Daryl Dixon nach Frankreich, wo ihn Nonnen auf eine gefährliche Mission mit einer messianischen Kinderfigur schicken.

Diskussion

Auf die Frage eines Wegbegleiters, ob er ein Christ sei, gibt es von Daryl Dixon (Norman Reedus) in der fünften Folge des ihm gewidmeten „Walking Dead“-Spin-offs eine grummelige Verneinung. Fans ahnen, dass ihm generell jedes Gottvertrauen abgehen dürfte: Die Chance, den Glauben an eine gütige höhere Macht zu entwickeln, hatte Daryl nie. In der Mutterschiff-Serie gehört er zu den wenigen Charakteren, deren Existenz nicht erst durch die Zombieapokalypse ruiniert wurde, sondern schon vorher ein Kriegsgebiet war. Die Narben auf seinem Rücken stammen aus einer prekären „White Trash“-Kindheit mit einem saufenden, prügelnden Vater; als er in der ersten Staffel von „The Walking Dead“ das Erzähluniversum der auf Robert Kirkmans Comics beruhenden Serie betrat, stand er noch unter der Fuchtel seines großmäuligen, rechtsradikalen Bruders Merle und musste sich erst schmerzhaft freischwimmen.

Hardcore-Schutzengel

Dann aber mauserte sich der wortkarge, ruppig-scheue Hillbilly zu einer der populärsten Figuren der Serie – wegen seiner herausragenden Survival-Skills als Fährtenleser und Jäger und einer reizvollen Kombination aus Härte und Weichherzigkeit. Im Kampf gegen Gegner, die ihn oder seine Gruppe bedrohen, ist er gnaden- und skrupellos, hat aber gleichzeitig ein auffälliges Faible für die Sanftmütigen: Abgesehen von seiner toughen Seelenverwandten Carol, waren es in „The Walking Dead“ meist die Gutartigen und Verletzlichen, um die er sich besonders bemühte, wie die Kinder seines Freundes Rick, die junge Beth oder zuletzt die Taubstumme Connie. Sein „Signature Style“, die Weste mit dem am Rücken aufgenähten Flügel-Emblem, macht ihn zur coolen Hardcore-Version eines Schutzengels; und wenn er diese Funktion auch nicht mit dem Gefühl göttlicher Sendung ausfüllt, so doch mit einer Art Camus’scher Ethik des Absurden: Das Leben mag in Zeiten der Zombieapokalypse sinnloser denn je erscheinen, aber wertlos ist es für Daryl nicht, und so kämpft er unverdrossen für die Unschuldigen und gegen die Nihilisten, die brutal das Recht des Stärkeren walten lassen.

Pilgerreise mit messianischem Kind

Die Ethik, der Glaube und der Nichtglaube spielen nun in „The Walking Dead: Daryl Dixon“ eine wichtige Rolle. Zwar waren auch in der Originalserie explizit religiöse Themen und Motive immer wieder präsent –oft festgemacht an der Figur des Priesters Gabriel –, aber in dem neuen Spin-off dominieren sie die Handlung, die sich als eine Art Pilgerreise entfaltet und Daryl zum Begleiter einer messianischen Kinderfigur macht. Der Aufhänger ist zunächst weit hergeholt: Daryl verschlägt es aus Gründen, die erst spät offenbar werden, nach Frankreich, wo er wie Treibgut an der Küste angespült wird.

Nach ersten Abenteuern, die er nur mit Blessuren übersteht, kommt er dank der couragierten Nonne Isabelle (Clémence Poésy) in die Obhut eines Klosters nahe Lourdes, wo fromme Schwestern so etwas wie eine Zivilisations-Enklave aufrechterhalten haben und Daryl die Bekanntschaft des jungen Laurent (Louis Puech Scigliuzz) macht, von dem der Orden glaubt, er sei berufen, Frankreich aus der Dunkelheit in eine neue Zukunft zu führen.

Gemeinschaft der Gläubigen gegen Rechtspopulisten

Mit diesem Glauben sind die Nonnen Teil einer (nicht nur christlich-)religiösen, landesweiten „Union de l’espoir“, einer Union der Hoffnung, die die Gräuel der Zombieapokalypse nicht als endgültigen Beweis dafür akzeptieren mag, dass es keine ordnende himmlische Macht geben kann, sondern sie als göttliche Prüfung interpretiert, die es zu bestehen gilt, indem man am Guten festhält, und aus der nun bald die Erlösung folgen soll. Diese Union ist allerdings, wie sich im Lauf der ersten Staffel herausstellt, einem mächtigen Gegner ein Dorn im Auge: Die militante „Pouvoir“-Bewegung unter der Führung der Generalin Genet (Anne Charrier), einer strammen Populistin à la Marine Le Pen, hat eigene, martialische Vorstellungen davon, wie man Frankreich zu neuer Größe führt, und kann beim Werben um Anhänger die Konkurrenz durch das Gutmenschentum der „Union“ und ihren angeblichen Messias nicht brauchen.

Daryl soll nun helfen, den Jungen quer durch Frankreich an einen sicheren Ort, ins „Nest“ der Union in der Normandie, zu schaffen; zum Lohn wird ihm eine Passage zurück in die USA in Aussicht gestellt. Der stille Amerikaner hält den Messias-Glauben zwar für Unsinn, der Laurent heillos überfordert, lässt sich aber trotzdem auf die Aufgabe ein.

Im Vergleich zum ebenfalls kürzlich erschienenen Spin-off „The Walking Dead: Dead City“ haben sich die Autoren mit „Daryl Dixon“ mehr Mühe gegeben. Zwar liefert auch hier die x-te Etablierung einer neuen, mächtigen Gegner-Gruppe das dramaturgische Rückgrat; das politische Szenario wirkt im Ganzen aber interessanter, als das in „Dead City“ der Fall war: Dass die Macher explizit eine Gemeinschaft der Gläubigen gegen eine rechtspopulistische Bewegung in Stellung bringen, kann man durchaus als politisches Statement sehen, dass den Evangelikalen in den USA gegen den Strich gehen dürfte.

Sightseeing zu Kultur-Resten

Vor allem aber bleibt um den Kampf mit dem großen Gegner herum mehr Raum für erzählerische Variation. Das hängt nicht zuletzt mit der Reise-Struktur zusammen: Zwar kommt Daryl bereits früh einer ersten Söldner-Truppe, die zu den „Pouvoir“-Anhängern gehört, ins Gehege und wird fortan gejagt; anstatt von dort aus gleich voll in die Konfrontation zu gehen, mäandert die Serie jedoch erst einmal durch das für Daryl unbekannte, bedrohliche, aber auch reizvolle Frankreich und zu allerlei kuriosen Begegnungen quer über die Sprachbarriere hinweg.

Während „Dead City“ relativ wenig aus seinem Schauplatz Manhattan machte, haben die Macher dabei eine diebische Freude daran, mit Sehenswürdigem zu prunken. Das beginnt bei der Klosteranlage bei Lourdes und führt über eine pittoreske Burg, deren Graben mit Untoten statt mit Wasser gefüllt ist, bis zum Städtchen Angères, wo im Grand Théâtre ein einsamer Überlebender zu Ravel-Klängen ein Orchester der Toten dirigiert. Von dort geht es in die Metropole Paris, wo unter anderem an den traurigen Überresten des Eiffelturms Gefahren warten und in den Katakomben unter der Stadt eine feierwütige Menge Moulin-Rouge-Flair aufleben lässt, während in einer Ecke Monets „Seerosen“ den Untergang der Zivilisation überstanden haben. Und zum Fluchtpunkt der Mission wird schließlich, passend zu den religiösen Motiven, der ehrwürdige Mont-Saint-Michel.

Die Heilige Johanna der Zombieapokalypse

Mit der von Clémence Poésy als Heilige Johanna der Zombieapokalypse gespielten Isabelle bekommt die Serie außerdem eine charismatische Frauenfigur, für deren Zeichnung sich die Autoren einiges an Zeit nehmen: Im Lauf der Serie geben zahlreiche Rückblenden nicht nur Eindrücke davon, wie der Ausbruch der Zombieseuche in Frankreich abgelaufen ist, sondern versehen auch die Nonne mit einer ausführlichen, schillernden Vorgeschichte, die zugleich Laurents Herkunft näher konturiert. Die Beziehung, die diese beiden Figuren im Lauf der Reise zu Daryl aufbauen, wird immer mehr zum emotionalen Motor der Staffel, die letztlich einen neuen Konflikt für den Helden mit sich bringt, weil diese Bindung mit seiner Sehnsucht, wie Odysseus in die Heimat zurückzugelangen, kollidiert.

Und die Zombies? Dass in Frankreich eine mutierte Art ihr Unwesen treibt, die nicht einfach nur mit Zähnen und Klauen den Lebenden ans Fleisch will, sondern deren Körper eine ätzende Substanz aussondern, die bei jeder Berührung Verbrennungen hinterlassen, ist ein etwas bemühter Versuch, die Gefahrenschraube der Serie noch ein Stück weiterzudrehen. Interessant werden könnten dagegen Bestrebungen der „Pouvoir“-Bewegung, so etwas wie eine Untoten-Variante von Marvels „Super-Soldier-Serum“ oder den Hexer-Elixieren aus dem „Witcher“-Franchise zu entwickeln und die Zombies damit gezielt zu Waffen hochzurüsten – ein Wahnsinn, bei dem zu befürchten steht, dass er böse außer Kontrolle geraten wird. Ob Schutzengel Daryl seinen französischen Schäfchen da so einfach den Rücken kehren kann, auch wenn zuhause Carol schon zunehmend besorgt nach ihm sucht?

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