Literaturverfilmung | USA/Australien/Großbritannien 2023 | 110 Minuten

Regie: Garth Davis

In einer dystopischen Welt des Jahres 2065 fristet ein junges Paar ein perspektivloses Leben auf einer Farm im Mittleren Westen. Die Erde ist nach Umweltkatastrophen an vielen Orten kaum noch bewohnbar, Regierungen denken über Aussiedlungen ins All nach. Auch der Mann soll ein Jahr lang an einem dieser Weltraumprogramme teilnehmen und auf der Erde derweil von einem Androiden ersetzt werden. Der Film entwirft in beeindruckenden Bildern eine glaubhafte Dystopie, widmet sich jedoch in Wirklichkeit anderen, universellen Fragen. Trotz einiger Logikmängel überzeugt das Drama, nicht zuletzt wegen seiner engagierten Hauptdarsteller. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
FOE
Produktionsland
USA/Australien/Großbritannien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Anonymous Content/See-Saw Films/I Am That Prod.
Regie
Garth Davis
Buch
Iain Reid · Garth Davis
Kamera
Mátyás Erdély
Musik
Oliver Coates · Park Jiha · Agnes Obel
Schnitt
Peter Sciberras
Darsteller
Saoirse Ronan (Hen) · Paul Mescal (Junior) · Aaron Pierre (Terrance) · Jordan Chodziesner (Formelle Begleitung 1) · William Freeman (Formelle Begleitung 2)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Literaturverfilmung | Science-Fiction | Thriller
Externe Links
IMDb | JustWatch

Dystopisches Liebesdrama, in dem einem Paar auf der von Umweltkatastrophen heimgesuchten Erde eine Trennung bevorsteht, weil der Mann für ein Umsiedlungsprogramm im All eingezogen wird.

Diskussion

Man schreibt das Jahr 2065. Die Erde ist verwüstet, Überschwemmungen und Dürren auf allen Kontinenten lösen Obdachlosigkeit und Migrationsbewegungen von Dutzenden Millionen von Menschen aus. Auch Hen (Saoirse Ronan) und Junior (Paul Mescal), ein seit sieben Jahren verheiratetes junges Ehepaar, leidet auf seiner Farm im Mittleren Westen der USA unter den Auswirkungen des Klimawandels. Das Grundstück des Paars und die angrenzenden Felder ähneln einer Savanne: Verkohlte Baumstämme zeugen von Flächenbränden, Vegetation gibt es praktisch keine und der Regen bleibt seit Wochen aus. Stets ist das von Winden durchpeitschte Land in ein rötliches Licht getaucht; der nächste Feuersturm kann jederzeit ausbrechen.

Das junge Ehepaar wohnt in einem Farmhaus aus dem 20. Jahrhundert, Junior bewirtschaftet sein Land bereits in der fünften Generation. Doch wie kann man ein Land bewirtschaften, auf dem nichts wächst? Seinem eigentlichen Brotjob geht er in einer Hühnerfarm nach, die als runder Turm futuristisch in den Himmel über den seelenlosen Landschaften ragt. Denn Großkonzerne hinterlassen gewaltige Spuren in der Natur und schlachten deren Rohstoffe rücksichtslos aus. Dagegen nimmt sich Hens Arbeitsplatz, ein Diner am Highway, in dem sie als Kellnerin arbeitet, noch altmodisch aus.

Ein kurioses Angebot stürzt das Ehepaar in Konflikte

Eines Abends bekommen Junior und Hen unverhofft Besuch. Der Fremde heißt Terrance (Aaron Pierre), gibt sich als Mitarbeiter der Regierung aus und kündigt an, dass Junior ausgewählt wurde, um bei einem extraterrestrischen Klimamigrationsprojekt mitzumachen. Er soll ein Jahr lang im All die Möglichkeiten außerirdischen Lebens auf einer Raumstation im Orbit der Erde testen.

Damit Hen sich nicht alleine fühlt, soll ihr ein Android, der Junior täuschend ähnlichsieht, zur Seite gestellt werden. Die Eheleute sind skeptisch, und vor allem Junior, der seine Frau gerne bevormundet, hält sich für unersetzlich. Doch trotz des Widerstands der beiden zieht Terrance bald bei ihnen ein und führt sehr private Interviews mit Junior und Hen – um so viele Daten wie möglich für den Androiden zu sammeln. Die Prozedur zehrt an den Nerven des Paares, in dessen Ehe es bereits seit geraumer Zeit kriselt. Vor allem Hen fühlt sich von ihrem Mann kaum noch beachtet. Wie sollen die beiden die Trennung verkraften?

Der Science-Fiction-Stoff wird zum Beziehungsdrama

So entwickelt sich der dritte Spielfilm des australischen Regisseurs Garth Davis – er basiert auf dem Science-Fiction-Roman „Enemy“ von Iain Reid – zusehends zu einem klaustrophobischen Beziehungsdrama. Die Zimmer des altmodischen – und hellhörigen – Farmhauses geraten zum Schauplatz von Gefühlsausbrüchen und intimen Beichten, während Junior in der ständigen Anwesenheit von Terrance dem Alkohol frönt und Eifersuchtsanfälle bekommt. In dem Haus funktioniert alles noch analog. Kein Internet wird abgerufen, ab und an ertönt lediglich Musik über ein Abspielgerät. Ansonsten spielt Hen gelegentlich, und eher heimlich, auf ihrem altmodischen Klavier im Keller. Denn ihr Gatte hält nichts von ihrem Hobby und würde das Instrument am liebsten entsorgen.

Dennoch kann der Film das Leben in einer absehbaren Zukunft glaubhaft vermitteln, in der Regression, Verfall und Fortschritt synchron herrschen. Panoramaaufnahmen zeigen den Raubbau am Land, die riesigen Flächen, auf denen Bodenschätze gehoben werden. Der Lebensraum des Paares ist eine Ödnis, auf der kaum etwas wächst und die trotz all ihres Schreckens schön anzusehen ist.

Natürlich steht diese Wüste symbolisch für die Seelenlandschaft des Paars. Wie sollen sie hier ein erfülltes Leben führen, geschweige denn Nachwuchs aufziehen? Auch von der Figur Terrances (den Aaron Pierre charismatisch verkörpert) geht eine mysteriöse Bedrohung aus. Wer ist dieser Mann, der sich mit solch einer Selbstverständlichkeit in das Leben der beiden einmischt und sich durch nichts beirren lässt? Bahnt sich hier eine Ménage-à-trois an? Und schlummert in Juniors Reaktion auf den schwarzen Mann außer Eifersucht nicht auch alteingesessener Rassismus? Was führt Terrance im Schilde? Immer wieder sieht man geheimnisvolle Figuren auftauchen, die Junior bedrohen. Sind es Flüchtlinge oder gezielt eingesetzte Agents Provocateurs?

Ein Twist gegen Ende lässt alles in neuem Licht erscheinen

In einem Twist, der kurz vor Schluss erfolgt, wird allen Beteiligten, und damit auch den Zuschauer:innen klar, dass Terrance das Paar an der Nase herumgeführt hat. Rückblickend erscheint der Film dadurch in einem anderen Licht. Es geht vor allem um Fragen nach Selbstverwirklichung, der Gestaltung von Zweisamkeit, der Sehnsucht nach Liebe und um Selbsttäuschung. Insofern erscheint die dystopische Projektion vor allem als (wenn auch nachvollziehbares und schön anzusehendes) Beiwerk. Assoziationen und Vergleiche zu „Interstellar“, „Elysium“ oder „Blade Runner“ drängen sich dennoch auf. Nicht alles im Film hält einer Sinnprüfung stand, hier und da klaffen Lücken in der Logik, und auch die stets im Hintergrund dräuenden Synthesizer erschließen kein musikalisches Neuland. Dennoch fügen sich die Leistungen des aufsteigenden Stars Paul Mescal („Aftersun“, „All of Us Strangers“ und bald „Gladiator 2“) und von Saoirse Ronan organisch in die Geschichte ein. Als junges Paar, das zwischen Tradition, Zukunftsangst und ungleichen Ansprüchen an eine Beziehung schwankt, überzeugen die beiden mit Sensibilität und viel Körpereinsatz.

Kommentar verfassen

Kommentieren