Drama | Argentinien/Frankreich/Italien 2023 | 109 Minuten

Regie: Juan Sebastián Torales

Nach homophoben Angriffen auf ihren Sohn zieht eine argentinische Familie vorübergehend von der Stadt aufs Land. Während die Schwester den Sommer damit verbringt, ihre Sexualität kennenzulernen und auszuleben, wird der Junge auf die Konfirmation vorbereitet. Der vielschichtige Film beschreibt sexuelles Erwachen und Konfirmation als Antipoden eines Lebens, das zwischen religiöser Schuld, jugendlichem Begehren und gesellschaftlicher Verachtung keinen Ausweg findet. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ALMAMULA
Produktionsland
Argentinien/Frankreich/Italien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Tu Vas Voir Prod./Twins Latin Films/Augustus Color
Regie
Juan Sebastián Torales
Buch
Juan Sebastián Torales
Kamera
Ezequiel Salinas
Musik
Matteo Locasciulli
Schnitt
Juan Sebastián Torales
Darsteller
Nicolás Díaz (Nino) · Martina Grimaldi (Natalia) · María Soldi (Estela) · Cali Coronel (Ernesto) · Luisa Lucía Paz (María)
Länge
109 Minuten
Kinostart
29.02.2024
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Fantasy
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IMDb | TMDB

Im Nordargentinien zieht eine Familie aufs Land, weil ihr Sohn homophoben Angriff ausgesetzt ist. Hier soll er sich auf die Konfirmation vorbereiten und auf den rechten Weg finden.

Diskussion

Die Mutter (María Soldi) betet vor dem Abendbrot, dass Gott ihre Tochter Natalia (Martina Grimaldi) beschützen möge und auch die Arbeit des Ehemanns Ernesto (Cali Coronel), dass er dem vermissten Sohn der Nachbarin und einige weitere Personen beistehe. Nur Nino (Nicolás Díaz) geht beim Gebet leer aus. Ignoriert zu werden, ist die bisher beste Erfahrung, die Nino mit der Religion gemacht hat. Er ist schwul. In der Heimatstadt seiner Familie wird er dafür zusammengeschlagen und bespuckt. Die Mütter seiner Peiniger beschweren sich bei Ninos Mutter, dass ihr Sohn ein schlechter Einfluss sei. Nicht die Gesellschaft ist pervers, sondern der Homosexuelle. So sieht es auch Ninos Mutter, auf deren Geheiß hin die Familie aufs Land zieht, in die Nähe des Waldes, in dem der Vater arbeitet und von dem es heißt, er werde von Geistern heimgesucht. Almamula ist der Name des Geistes, der die Sünder und die Unzüchtigen holt.

Bist du da? Hörst du mich?

Für Nino ist der Wald verboten. Schwester Natalia lädt ihre Freundinnen ein, genießt den Pool, schwitzt zusammen mit den älteren Jungs, spielt im Wasser die sexuellen Kennenlern-Spielchen, die Nino versagt bleiben. Er muss seine Beziehung zu Gott bereichern, heißt es im Konfirmationsunterricht, den Nino jetzt statt der Schule besucht. Wie genau das aussehen könnte, versteht der Junge nicht. Er versucht es, fragt den am Kreuz hängenden Jesus: „Bist du da? Hörst du mich?“ Keine Antwort.

Was kann Gott diesem Jungen geben? Diejenigen, die vorgeben an Gott zu glauben, begegnen Nino nur mit Hass. Dennoch bereitet die Mutter mit allem Eifer die Konfirmationsfeier vor und bestellt eine eigene Jesusfigur, die noch etwas dunkler und exotischer sein soll. Die Mutter macht sich ihren Gott, wie sie möchte.

Das sexuelle Erwachen und die Konfirmation laufen in „Almamula“ als entgegengesetzte Kräfte aufeinander zu. Die Libido zerrt Nino in die eine Richtung, der organisierte Glaube in eine andere. Wo beide zusammenkommen, wartet das Monster, wartet Almamula auf den Jungen. Eine Aussicht, die anfangs eine Schreckensvision ist, aber zunehmend zu einer Idee der Erlösung wird. Die nächste Sünde und das Monster, das sie bestraft, sollen ihn befreien.

Auf den Schienen des Fatalismus

Wo die Kirche ihm das Begehren verbietet, begehrt er Jesus. Sein Abbild in der Hand haltend, masturbiert er im verbotenen Wald. Almamula soll ihn holen und von den Schrecken und der Schuld befreien, die ihm das freudlose Leben im Schatten der verlogenen Religionsgemeinschaft bereitet. Als Handstigmata werden sie bald auch auf dem Körper des Jungen sichtbar. Der Einzige, der sich um den Jungen kümmert, seine Wunden wäscht, ihm mit Rat zur Seite steht und seine Versuche, sich ihm sexuell zu nähern, nicht verurteilt, sondern zärtlich ablenkt, ist Malevo (Beto Frágola), einer der indigenen Arbeitskräfte seines Vaters.

Für einen Film, der Geister, Monster, kolonialgeschichtliches Erbe, homosexuelles Begehren und religiöse Schuld miteinander vermengt, bringt „Almamula“ erstaunlich wenig Dynamik auf. Der Film gleitet auf den Schienen des Fatalismus dahin, lässt die Kamera mit dem Schatten in den Wald kriechen und den Protagonisten noch mehr in der Dunkelheit versinken, die ihn schon zu Beginn des Films umgibt. Es ist ein konsequenter Weg, auf dem es zumindest in der Peripherie viel zu sehen gibt von der argentinischen Geschichte und der argentinischen Malaise. Aber es ist abver auch ein Weg, dem „Almamula“ im gleichen Trott folgt. Bis in den Abgrund.

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