Drama | USA 2024 | 434 (acht Folgen) Minuten

Regie: Michelle MacLaren

Nach einem Unfall auf der ISS kehrt eine Astronautin auf die Erde zurück, wo Mann und Tochter auf sie warten. Doch ihre Erinnerungen passen nicht mehr mit der Wirklichkeit zusammen. Überdies wird sie von Halluzinationen geplagt. Ist ihre Psyche daran schuld? Oder ist etwas Geheimnisvolles im Gang, was mit ihrer Arbeit im All zusammenhängt? Die Science-Fiction-Serie spielt mit interessanten Fragen rund um Grenzräume und Identitäten, um Verlust und Abschied und wie diese Aspekte neu zu bewerten sind, wenn sich die eigene Realität als unzuverlässig erweist. Dramaturgisch verlässt sie die Serie allerdings zu sehr auf Mystery-Elemente und versäumt es, den Figuren und Ideen eine der Laufzeit angemessene Tiefe zu verleihen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CONSTELLATION
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Turbine Studios/Haut Et Court
Regie
Michelle MacLaren · Joseph Cedar · Oliver Hirschbiegel
Buch
Peter Harness
Kamera
Yaron Scharf · Markus Förderer
Musik
Ben Salisbury · Suvi-Eeva Äikäs
Schnitt
Morten Højbjerg · Yorgos Lamprinos · Jesse Parker · Crispin Green
Darsteller
Noomi Rapace (Jo) · Jonathan Banks (Henry) · James d'Arcy (Magnus) · Julian Looman (Frederic Duverger) · Lenn Kudrjawizki (Sergei)
Länge
434 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Science-Fiction | Serie | Thriller
Externe Links
IMDb | JustWatch

Science-Fiction-Serie um eine Astronautin, die nach einem Unfall auf der ISS auf die Erde zurückkehrt, aber eine veränderte Welt vorfindet.

Diskussion

Dass die schwedische Astronautin Jo (Noomi Rapace) einen Unfall auf der ISS überlebt, grenzt an ein Wunder. Eben noch chattet sie mit ihrer Tochter Alice (Davina Coleman), als die Raumstation mit einem unbekannten Objekt kollidiert und alle Crewmitglieder in Lebensgefahr geraten. Nur durch Jos beherzten Einsatz kann ein Großteil der Besatzung und ein wichtiges Experiment gerettet werden. Zurück auf der Erde bemerkt sie jedoch, dass sie sich von ihrem Mann (James D’Arcy) und ihrer Tochter entfremdet hat. Schuld daran scheinen verstörende Visionen und eklatante Erinnerungslücken an ihr Familienleben zu sein. Verliert die Astronautin den Verstand? Oder ist das Forschungsprojekt, das sie bergen konnte, Teil eines größeren Geheimnisses?

Die Echokammer der Albträume

„Constellation“ nutzt nach einem actionlastigen Einstieg die Science-Fiction-Elemente als Sprungbrett ins Mystery-Genre und macht es sich dort gemütlich. Die Serie erschafft eine zwielichtige Welt voller Doppelgängerinnen und Trugbilder. Kratzige Tonbänder spielen kryptische Nachrichten ab. In einer einsamen Hütte sind Stimmen aus der Ferne zu hören, die eigentlich der Person im Nebenzimmer gehören sollten. Instinktiv fragt man sich, ob hier in einer Art „Körperfresser“-Szenario die Menschen durch Aliens ersetzt werden? Oder spielt sich alles in einer Paralleldimension ab? Ist es nur ein Albtraum, dessen wahre Bedeutung entschlüsselt werden muss? Die Antwort kann man mit einiger Aufmerksamkeit schon nach wenigen Folgen erahnen. Bedauerlicherweise aber sind die Figuren weitaus begriffsstutziger.

Einen Verweis, den die Serie häufig in Wort und Bild bemüht, ist „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll. Doch im Gegensatz zur Romanheldin, die schnell die Absurdität der Zauberwelten akzeptiert, sucht Jo bis zum Ende nach rationalen Erklärungen, statt die Prämisse ihrer eigenen Geschichte anzunehmen. Folge für Folge stolpert man deshalb mit der skeptischen Astronautin dem sprichwörtlichen weißen Kaninchen hinterher, obwohl der Eingang zum Wunderland schon lange sichtbar war. Wichtige Situationen werden aus unterschiedlichen Blickwinkeln doppelt und dreifach gezeigt, um Details zu ergänzen, obwohl sich das Gesamtbild dadurch kaum verändert. Sogar eine der spannendsten Episoden, in der ein Schlüsselereignis in abgeänderter Version geschildert wird, bringt die Serie keinen Schritt voran, sondern fungiert nur als Gimmick.

An den Grundideen von „Constellation“ hapert es dabei nicht, denn viele der Fragen, die aufgeworfen werden, passen hervorragend ins Genre. Es geht um Grenzräume und Identitäten, um Verlust und Abschied und darum, alle diese Aspekte neu zu bewerten, wenn die eigene Realität in Frage gestellt wird. Doch anstatt solche Fragen in den Raum zu rufen und auf ein Echo zu warten, werden sie lediglich geflüstert, um die Gruselgeschichte nicht zu stören.

Weltraummission im falschen Orbit

Dank des seriellen Formats hätte „Constellation“ durchaus Möglichkeiten gehabt, tiefer in existenzielle Ideen einzutauchen oder die Hintergründe der Figuren facettenreich auszuloten. Doch diese Möglichkeiten versagt sich die Serie zugunsten eines Rätsel-Plots. Damit manche Wendungen funktionieren, ist es essenziell, als Zuschauer möglichst wenig über die Charaktere und deren Beziehungen untereinander zu wissen. Und um das Mystery-Element zu erhalten, müssen Ideen lange Zeit vage bleiben. Was bleibt, sind schlichte Genrestandards. Natürlich will Jo ihre Crew retten und zu ihrer Tochter zurück; aber wie genau die Dynamik innerhalb der Crew aussieht und was genau sie mit ihrer Tochter verbindet, wird kaum ausformuliert. Zwischen den interessanten Szenen bleibt dadurch viel Raum, der mit Generischem gefüllt wird, obwohl sich das Publikum nach Außergewöhnlichen sehnt.

In seltenen Momenten wird dieser Wunsch erfüllt: Wenn die Wirklichkeit unter flackernden Nordlichtern zu wanken beginnt und der Vorspann zu grandioser Musik einsetzt, spürt man, dass es in irgendeinem Paralleluniversum eine Doppelgänger-Version dieser Serie, in der all die vielversprechenden Einzelteile, leicht verändert, ein stimmiges Ganzes ergeben. Doch die Erzählstruktur, die mehr Wert auf flache Geheimnisse als auf starke Figuren legt, sorgt dafür, dass „Constellation“ sowohl inhaltlich als auch emotional eine kleine Ewigkeit braucht, um auf den spannenden Kern seiner Geschichte zu stoßen. Noomi Rapace und Jonathan Banks sind hervorragend besetzt und hätten ein stärkeres Drehbuch verdient. Die beste Möglichkeit, „Constellation“ zu genießen, ist es, keine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen, sondern den Kopf auszuschalten, um sich völlig in die Atmosphäre der Serie sinken zu lassen.

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