Ein Traum von Revolution

Dokumentarfilm | Deutschland 2024 | 95 Minuten

Regie: Petra Hoffmann

Als im Jahr 1979 in Nicaragua der Diktator Somoza von sandinistischen Truppen gestürzt wurde, war die Hoffnung auf eine grundlegende politische Wende groß. Revolutionsbewegte Menschen aus aller Welt reisten nach Nicaragua, um beim basisdemokratischen Umbau des Landes mitzuhelfen. Warum die Revolution letztlich scheiterte, schildert die Filmemacherin Petra Hoffmann, die damals als junge Frau selbst vor Ort Hand ablegte, anhand von Interviews mit Beteiligten und vielen historischen Archivaufnahmen. Die Sandinisten und ihr Tun werden dabei allerdings kaum kritisch hinterfragt und auch die Umstände des Wandels vom damaligen Anführer Ortega zum Diktator werden nur am Rande beleuchtet. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Hope Medien Film und Fernsehprod./Hanfgarn & Ufer Filmprod./ZDF/arte/Deutsche Welle
Regie
Petra Hoffmann
Buch
Petra Hoffmann
Kamera
Börres Weiffenbach · Patrick Waldmann
Schnitt
Rafael Maier
Länge
95 Minuten
Kinostart
11.04.2024
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Sehr persönlicher Dokumentarfilm der Filmemacherin Petra Hoffmann über das Scheitern der sandinistischen Revolution in Nicaragua, wo sie in den 1980er-Jahren als junge Frau Aufbauarbeit leistete.

Diskussion

Im Juli 1979 wurde der nicaraguanische Diktator Anastasio Somoza von sandinistischen Truppen gestürzt. Die Revolution hatte gesiegt und löste eine riesige Welle der Solidarität aus. Nicaragua stand stellvertretend für die Hoffnung, dass es auch in anderen Ländern möglich sei, sich von einem brutalen Tyrannen zu befreien. Zehntausende Helfer aus aller Welt reisten in das zentralamerikanische Land, um beim Wiederaufbau mitzuhelfen. Allein aus der Bundesrepublik kamen 15.000 sogenannte Brigadisten, darunter auch die Filmemacherin Petra Hoffmann als junge Frau. Sie ernteten Kaffee und Baumwolle und bauten Schulen und Kindergärten.

Heute ist der damalige Hoffnungsträger, der Guerillaanführer und Politiker Daniel Ortega, selbst zum Tyrannen geworden. Echte oder vermeintliche Gegner lässt er erbarmungslos verfolgen und einsperren, darunter auch ehemalige Weggefährten. Auch Petra Hoffmann darf in Nicaragua nicht mehr einreisen. Deshalb fragt sie in Costa Rica, wohin zahlreiche Regimegegner geflüchtet sind, nicaraguanische und deutsche Unterstützer:innen der damaligen Revolution, wie es so weit kommen konnte.

Im Krieg gegen die Contras

Die Gründe für das Scheitern der Revolution sind vielfältig. Zum einen geriet das Land in einen langwierigen Bürgerkrieg. Sandinistische Truppen mussten sich der sogenannten Contras erwehren, die unter der Ägide des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und der CIA von den USA finanziert wurden. Gegen die brutalen Söldner aus Nord- und Mittelamerika kämpften neben den Sandinisten auch Freiwillige aus aller Welt. Darunter auch Werner Meier, der die damalige Zeit vor der Kamera schildert. Die internationalen Truppen waren genauso idealistisch wie die Aufbauhelfer, doch ihr Kampf war einer auf Leben und Tod. In Archivaufnahmen sieht man sie in einer Art Werbefilm, mit dem Geld für die Sandinisten gesammelt werden sollte, beim Spielen und Entspannen, aber auch bei militärischen Übungen. Ihre Einsätze, so Meier, konnten von einem Augenblick auf den anderen erfolgen. Von 124 Kämpfern seiner Truppe überlebten nur 28. Die meisten wurden nicht im Gefecht, sondern in der Gefangenschaft der Contras getötet.

Aber auch die Helfer lebten gefährlich. Manche von ihnen wurden entführt oder kamen als „Kollateralschäden“ des Krieges ums Leben. In einem Fernsehbeitrag sieht man den Journalisten Gerhard Löwenthal, der die idealistischen jungen Westler kritisierte. Er warf ihnen vor, auf zwei Hochzeiten zu tanzen – Revolutionäre zu spielen und bei Schwierigkeiten auf die Hilfe der bundesdeutschen Regierung zu spekulieren.

Die Stimmung wandelte sich

Die nicaraguanische Wirtschaft musste dem langen Bürgerkrieg Tribut zollen, aber auch dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa. Die anfängliche Euphorie über Freiheit, Aufbau oder Alphabetisierung der ärmlichen Bevölkerung wich bald einer zunehmenden Verbitterung und Desillusion. Staaten, die Nicaragua bis dahin wirtschaftlich unterstützt hatten, setzten die Hilfe aus, was den endgültigen Zusammenbruch besiegelte. Teile der ländlichen Bevölkerung schlugen sich auf die Seite der Contras. 1990 wurde die konservative Politikerin Violetta Chamorro zur Präsidentin des Landes gewählt. Sie machte viele der Errungenschaften der Sandinisten wie Sozialreformen oder Verstaatlichungen wieder rückgängig und holte die in die USA geflohenen Großgrundbesitzer wieder ins Land.

Als Erzählerin aus dem Off fungiert die Regisseurin persönlich, die Archivbilder kommentiert und ergänzt. Neben offizielleren Bildern aus Nachrichtensendungen oder sandinistischem Filmmaterial sieht man private Aufnahmen der Brigadisten. Hoffmann selbst ist ebenfalls zu sehen: als junge Studentin, die von der Mühsal der Aufbauarbeit und permanentem Geräte- und Materialmangel berichtet.

Das Land ist heute wieder eine Diktatur

Einen großen Platz nehmen Interviews mit ehemalige Weggefährt:innen von Ortega ein, die heute zumeist in Costa Rica leben und teilweise lange Jahre in Gefängnissen zubrachten. Ortega, der 2006 zum zweiten Mal an der Macht kam, ist in die Fußstapfen von Somoza getreten und lässt jede Opposition brutal verfolgen. 2018 wurden auf einer Demonstration 400 Menschen von Paramilitärs erschossen und Tausende verletzt. Wie es zu dem (Sinnes-)Wandel Ortegas gekommen ist, wird nur am Rande erwähnt. Seine Entwicklung bleibt rätselhaft. Auch werden Sandinisten und ihr Tun kaum kritisch hinterfragt. Oppositionelle von damals kommen nicht zu Wort.

Dafür schildern Intellektuelle die undemokratischen Verhältnisse im heutigen Nicaragua. Dora María Téllez, Historikerin und früher eine berühmte Revolutionärin, die von 1985 bis 1990 unter Ortega auch Gesundheitsministerin war, berichtet von unmenschlichen Bedingungen während ihrer Haft. Sie wurde 2023 gemeinsam mit 2000 anderen Häftlingen im Zuge einer Amnestie entlassen und lebt jetzt ebenfalls in Costa Rica. Dort beobachtet Hoffmann auch andere nicaraguanische Exilanten. Unter ihnen zahlreiche Künstler und Musiker, in deren Werke die Heimat stets präsent ist.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Mit anderen deutschen Ex-Helfern und -Helferinnen reflektiert Hoffmann in Gesprächen oder als Erzählerin im Off über den Zusammenhalt und die sinnstiftende Arbeit während der Revolution. Doch heute muss auch sie die bedrohliche Realität des Landes anerkennen und sinniert über verlorene Träume. Während sie den Grenzfluss zwischen Nicaragua und Costa Rica befährt, will sie die Hoffnung auf bessere Zeiten in dem einst so optimistisch stimmenden Land nicht aufgegeben.

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