Komödie | USA 1995 | 106 Minuten

Regie: Gus Van Sant

Eine naiv-durchtriebene Provinzschönheit, die bei einer lokalen Fernsehstation arbeitet, wünscht sich nichts sehnlicher als nationale Bildschirmpräsenz. Ihr Wunsch geht in Erfüllung, als man sie der Anstiftung zum Mord an ihrem Ehemann beschuldigt. Eine grelle Mediensatire, die die Auswüchse des Fernsehens mit den Mitteln des Fernsehens entlarven will. Im inszenatorischen Detail gelungener als im dramaturgischen Ganzen, kontrastiert der stark überzeichnende Film in Rückblenden den tatsächlichen Sachverhalt mit seiner Aufbereitung in fernsehtypischen Sendeformen. Das Ergebnis ist ein weniger beunruhigend als vielmehr amüsant angelegtes Bild von Realitätsverlust und verzerrter Wahrnehmung bei Fernsehmachern und -konsumenten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TO DIE FOR
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Columbia
Regie
Gus Van Sant
Buch
Buck Henry
Kamera
Eric Alan Edwards
Musik
Danny Elfman · div. Popsongs
Schnitt
Curtiss Clayton
Darsteller
Nicole Kidman (Suzanne Stone) · Matt Dillon (Larry Maretto) · Joaquin Phoenix (Jimmy Emmett) · Alison Folland (Lydia Mertz) · Casey Affleck (Russel Hines)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
VCL (FF P&S, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Es hat den Anschein, als gebe es im "global village" des Medienzeitalters nur zwei Möglichkeiten, in großem Stil bekannt zu werden. Entweder man macht irgend etwas "Besonderes" und kommt damit in die Fernseh-Nachrichten, oder man gehört zu denen, die sie verkünden. Und wenn man nicht für die "Tagesthemen" arbeitet, wo unsere Lokalmoderatoren sich mit ein paar Milliönchen Zuschauem begnügen müssen, sondern beispielsweise für die US-Fernsehriesen ABC oder NBC, dann kann man allabendlich mehr als hundert Millionen Haushalte erreichen. Wem das noch nicht genug ist, der könnte zum Beispiel bei CNN International die "world news" verlesen: schätzungsweise eine Milliarde Menschen in mehr als 200 Ländern rund um den Globus kann diese Nachrichtensendung empfangen - fast ein Drittel der Weltbevölkerung.

Ob Suzanne Maretto, geborene Stone, schon am Anfang ihrer Laufbahn Ambitionen in solchen, allein beim Fernsehen möglichen Dimensionen hat, bleibt offen. Jedenfalls will die leicht naive, aber durchtriebene und krankhaft ehrgeizige Provinzschönheit aus Little Hope, New Hampshire, TV-Karriere machen - koste es, was es wolle. Bei aller intellektuellen Beschränktheit weiß Suzanne, daß der "anchorman" eines großen Networks bekannter ist als der amtierende Regierungssprecher, und daß seine Worte mehr Gewicht haben. Genau so gut weiß sie, daß man auf eine ganz bestimmte Weise telegen sein muß, um beim Fernsehvolk anzukommen. Für Männer heißt das: sonore Stimme, graue Schläfen und seriöse Erscheinung, für Frauen vor allem Sex Appeal: jugendlicher Look, Zahnpastareklame-Lächeln, lange Beine, kurze Röcke. Aber Suzanne macht es auch nichts aus, über solche Äußerlichkeiten hinauszugehen, um ihren Traum zu verwirklichen. Sie würde buchstäblich über Leichen gehen für ihr Ziel, bekannt zu werden, und genau damit erreicht sie es auch, wenn auch nur für kurze Zeit.

Als eines Tages ihr Mann Larry ermordet aufgefunden wird, steht sie, wie erträumt, im Rampenlicht. Endlich reißt man sich um sie, für Nachrichten und Reportagen, Interviews und Talkshows, zumal die bereits ermittelten und geständigen Täter, drei desillusionierte Jugendliche aus dem Ort, angeben, von ihr zur Tat angestiftet worden zu sein. Suzanne dementiert die Vorwürfe und äußert Mitleid und Verständnis für die drei Underdogs, die sie nur von den Arbeiten zu einem Dokumentarfilm kennen will. Zunächst hat das attraktive und fleißige "all American girl" die öffentliche Meinung auf seiner Seite, doch mit jeder weiteren Information über Suzanne Stone, peu à peu geliefert von Eltern und Schwiegereltern, Freunden und Nachbarn, ihrem Arbeitgeber und schließlich ihr selbst, gerät das makellose Bild von der liebenden Ehefrau und strebsamen Angestellten ins Wanken.

Regisseur Van Sant schiebt in verschachtelten Rückblenden den tatsächlichen Sachverhalt in die Fernsehtypisch "aulbereiteten" Versionen ein, so daß sich (Sende-)Formen und Inhalte im Lauf des Films immer mehr voneinander absetzen. Da er die Auswüchse des zeitgenössischen US-Fernsehens mit den Mitteln des Fernsehens satirisch entlarven will, benutzt er die zweifelhaften Tricks und Kunstgriffe des kritisierten Mediums selbst, meist grell überzeichnet und somit erkennbar, gelegentlich aber auch in jenen Teilen, die eigentlich "realistisch" gehalten sein müßten. Das liegt nicht zuletzt an Nicole Kidman, die sich bis zur Ununterscheidbarkeit mit der Rolle der publicity-süchtigen Suzanne identifiziert und ihren Part mit einer selten gesehenen Hingabe spielt. Für den Betrachter wirft das (unglücklicherweise noch während des laufenden Films) die an sich nachrangige Frage auf, wieweit die Schauspielerin und nicht der von ihr gespielte Charakter für ihre Karriere zu gehen bereit wäre.

Im dramaturgischen Ganzen ist Van Sants Film weniger gelungen als im inszenatorischen Detail. Warum eine derart ehrgeizige, egoistische und eiskalt berechnende Frau, die so wild entschlossen ist, "jemand zu sein" und aus ihrem Leben etwas zu machen, ausgerechnet eine simple Schlafmütze wie den Familienmenschen Larry heiraten und an Ort und Stelle bleiben würde, ist das Geheimnis des Drehbuchautors. Täte sie es aber dennoch, würde sie dann nicht eher versuchen, ihren Mann später mit einer für sie lukrativen Scheidung loszuwerden als durch einen dilettantisch ausgeführten Auftragsmord, der ihre drei Mitwisser und potentielle Erpresser beschert? Wenn man sich solche Fragen nicht stellt, kann "To Die For" gut unterhalten mit seinem rapiden Tempo, seiner treffend gewählten Besetzung und seinen Finessen in Schnitt, musikalischem Kommentar und inszenatorischen Details (man sieht Larrys Tod eintreten: der zuvor feucht glänzende Augapfel trocknet langsam ein; Vater Maretto zitiert in einer Talkshow Coppolas "Paten" - und bedient sich später seiner Methoden). Insgesamt ist Vans Sants Film aber eher amüsant als beunruhigend angelegt; man darf sich zu jenen zählen, die das Phänomen Fernsehen immer schon durchschaut haben. Wirklich Neues über die Praktiken der Fernsehmacher erfährt man nicht, und gelegentliche Auswüchse sind für den Regisseur offenbar eher kurios als gefährlich. Dabei zeigt sich die bedenkliche Tendenz zu "Realitätsverlust" und verzerrter, von kommerziellen Interessen geleiteter Wahrnehmung und Darstellung von Fakten keineswegs nur in solchen Extremen wie der Berichterstattung im O. J. Simpson-Fall.
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