Der Husar auf dem Dach

Literaturverfilmung | Frankreich 1995 | 136 Minuten

Regie: Jean-Paul Rappeneau

Ein italienischer Husar gelangt 1838 auf der Suche nach vermißten Mitstreitern für die Befreiung Italiens nach Südfrankreich. Die Cholera hat ganze Landstriche verwüstet, die Menschen sind angsterfüllt und aggressiv. In einer Stadt trifft er eine junge Marquise; ihre Wege werden sich von nun an häufiger kreuzen. Aufwändige Romanverfilmung, die sich eng an die Vorlage anlehnt und besonderen Wert auf eine sorgfältige Ausstattung legt. Dabei stehen drastische Bilder des Elends neben Bildern im Stil romantischer Naturmalerei. Die Thematik der Angst und Entfremdung bleibt indes im Mittelpunkt. - Ab 16 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
LE HUSSARD SUR LE TOIT
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Hachette Première & Cie/France 2 Cinéma/C.E.C. Rhône Alpes
Regie
Jean-Paul Rappeneau
Buch
Jean-Paul Rappeneau · Nina Companéez · Jean-Claude Carrière
Kamera
Thierry Arbogast
Musik
Jean-Claude Petit
Schnitt
Noëlle Boisson
Darsteller
Olivier Martinez (Angelo Bardi) · Juliette Binoche (Pauline de Théus) · François Cluzet (Arzt) · Laura Marinoni (Carla) · Carlo Cecchi (Giuseppe)
Länge
136 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16 möglich.
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion

Mit "Cyrano de Bergerac" (fd 28 716) hatte Jean-Paul Rappeneau Maßstäbe gesetzt, was einen zeitgemäßen, unterhaltsamen Umgang mit Literatur vor einem historischen Hintergrund angeht. Mit "Der Husar auf dem Dach" nach dem Roman von Jean Giono stellte er mit 52 Mio. Mark Produktionskosten gleich einen neuen französischen Rekord auf. Aber der Film prahlt nicht mit seiner Ausstattung und seinem Statistenheer. Vielmehr besticht er durch seine Sorgfalt: in der Rekonstruktion der Schauplätze, in der stilistischen Geschlossenheit der Bilder und, wie bereits bei "Cyrano de Bergerac", auch dank Jean-Claude Carrière in der adäquaten Verwandlung von Literatur in ein Drehbuch.

Der opernhafte, lebendige Ton von "Cyrano de Bergerac" ist allerdings einer düsteren Vision von Krankheit und Tod gewichen. Im Sommer des Jahres 1838 wird der Süden Frankreichs von einer verheerenden Cholera-Epidemie heimgesucht. Der Husar, ein italienischer Freiheitskämpfer auf der Flucht vor Agenten und der Suche nach vermißten Mitstreitern, reitet durch Landschaften und Dörfer, wo Leichen auf den Straßen und in ihren Betten liegen, entstellt, verwest, von Tieren zerfetzt. Meist ist er der einzige, der den Mut aufbringt, den Kranken zu helfen. Die Angst, so heißt es im Film, ist es, die die Menschen umbringt. Sie läßt sie mitunter auch zu Bestien werden.

Szenen, die dies zeigen, gab es bereits in "Cyrano de Bergerac", Schlachtgemetzel, die die Liebeskomödie auf drastische Weise aufbrachen. Hier entwickelt sich umgekehrt inmitten des Grauens eine subtile Liebesgeschichte zwischen dem Husar und einer jungen Marquise, die sich vor der Seuche einfach eingeschlossen hatte. Beide treibt ein Ziel voran, für das sie schließlich ihre Liebe opfern: den Husar die Idee der Freiheit für sein von Österreich besetztes Land, die Marquise die Rückkehr zu ihrem Mann, dem sie sich eher in Dankbarkeit verbunden fühlt als in Liebe.

Einerseits geht es sehr pragmatisch zu. Die Dialoge sind kurz und beschränken sich meistens darauf, was als Nächstes zu tun ist. Damit setzen die Hauptfiguren ein Gegengewicht zur Kraft des Irrationalen, die die Bewohner der Region antreibt. Andererseits haftet den Hauptfiguren auch etwas Schicksalhaftes an. Hier lässt Rappeneau die großen Gesten des Abenteuerfilms aufleben, und hier erlaubt er sich den einzigen schwelgerischen Luxus: die zahllosen Landschaftsbeschreibungen, die Giono in seinen Roman einfließen ließ, finden ihre Entsprechung in manchmal atemberaubenden Panorama-Aufnahmen im Stile romantischer Malerei, begleitet von ebensolcher leitmotivisch verwendeter Musik.

Olivier Martinez spielt den Husar als verschlossenen Draufgänger mit unzeitgemäßem Charme, und Juliette Binoche ist als Marquise weit weniger entrückt als in ihren zurückliegenden Rollen. Die Figurenzeichnung, durch Gastspiele von Stars wie Gérard Depardieu und François Cluzet verstärkt, entspricht weitgehend der bei Jean Giono. Indem sich Giono die Perspektive des Husars, bisweilen auch die anderer Figuren, zu eigen machte, blieb er als Autor ein distanzierter Beobachter. Rappeneau und Carrière strafften das Geschehen und brachten die bisweilen vielschichtige Parallelhandlung in eine streng lineare Form, fügten wenige Motive hinzu, übernahmen hingegen viele, wie etwa die Raben als Todesboten.

Es hat bereits mehrere Versuche gegeben, den "Husar" zu verfilmen, bei denen Darsteller wie Alain Delon und Marlon Brando im Gespräch waren. Rappeneaus Verfilmung wird erneut Maßstäbe setzen durch die zeitlose Neuinterpretation von Gionos Thematik: bedingungslose Menschlichkeit und angstvolle Aggression im Angesicht des Todes, sowie die Entfremdung der Menschen voneinander und von der sie umgebenden Natur.

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