Am Ende von „We Need to Talk About Kevin“ verlässt Tilda
Swinton wortlos das Gefängnis, in dem ihr Sohn nach einem Massaker an seinen
Mitschülern einsitzt. Regisseurin Lynne Ramsay schickt die Figur in eine
Weißblende und gönnt dem am Boden zerstörten Zuschauer während des Abspanns
wenigstens ein paar Minuten Dunkelheit. Bis zu diesem Zeitpunkt musste der
Komponist Jonny Greenwood nicht viel zu dem Film beitragen. Seine Musik während
der zweistündigen Tragödie passte auf eine DIN A4-Seite. Doch jetzt, als die
weiße Schrift über die schwarze Leinwand huscht, ist fünf Minuten lang Unterstützung
erfordert. Ganz unaufgeregt tönt der Sound aus dem Computer: leicht bedrohlich,
auf keinen Fall versöhnlich. Greenwood hat keinen Balsam für die verwundete
Seele parat, was richtig ist, da der Film im Finale die aufgeworfenen Fragen nicht
auflöst.

Es kommt immer mal wieder vor, dass Musiker den
Sprung von der Showbühne ins Filmgeschäft wagen. Trent Reznor ist ein berühmtes
Beispiel, der seine Band „Nine Inch Nails“ verließ, um zusammen mit Atticus
Ross für David Finchers „The Social Network“ die Musik zu schreiben. Lisa Gerrard
und Pieter Bourke von „Dead Can Dance“ sind ein weiteres Beispiel. Ohne sie wären
die Filmmusiken zu „Gladiator“ oder „The Insider“ nicht denkbar gewesen. David
Byrne, Sting, Pharrell Williams: Die Liste der Popstars im Filmmusik-Business ließe
sich endlos fortschreiben. Doch während die einen ihre Melodien in Trickfilmen
und Musicals lediglich gewinnbringend vermarkten, haben andere etwas zu sagen.
Jonny Greenwood gehört zu letzteren.
Von
Radiohead zu „There Will Be Blood“
Bekannt wurde der 1971 in Oxford geborene Musiker
als Leadgitarrist der britischen Rockband Radiohead, einer der wenigen Bands, die
seit Beginn der 1990er-Jahre auf der wirren Welle der Stile und Strömungen ganz
oben surfen. Radiohead avancierte im Bereich des Alternative Rock zu einer
Institution. Greenwood ist zwar nicht der Kopf der Band; als solcher fungiert eher
der charisma