© Ji-Elle, CC BY-SA 4.0 (Statue Nr. 26, König Ghézo, dem "Dahomey" eine Stimme gibt)

Goldener Bär für "Dahomey"

Die 74. Berlinale hat mit dem Dokumentarfilm über die Rückführung geraubter Kulturgüter nach Benin einen überraschenden Sieger gefunden

Veröffentlicht am
09. März 2024
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Der „Goldene Bär“ der Berlinale 2024 geht an den Dokumentarfilm „Dahomey“, der mit experimentellen Ansätzen von der Rückgabe geraubter Kulturgüter aus der Kolonialzeit in ihr Ursprungsland Benin handelt. Eine unerwartete Wahl, mit der die Berlinale einmal mehr ihre politische Fahne flattern ließ. Aber auch die internationale Filmkunst wurde von der Jury gewürdigt, mit Preisen für die etablierten Filmemacher Hong Sang-soo und Bruno Dumont.



Das Thema ist von hoher Aktualität, viele Fragen drängen auf Klärung, und der künstlerische Ansatz der französisch-senegalischen Regisseurin Mati Diop ist ambitioniert und vielschichtig. Trotz alldem darf die Verleihung des „Goldenen Bären“ an den experimentell angehauchten Dokumentarfilm „Dahomey“ bei der 74. Berlinale als gelinde Überraschung gelten. Diop nimmt die Rückführung von 26 der in der Kolonialzeit geraubter Kunstschätze nach Benin zum Ausgangspunkt für eine Beobachtung des Transports, der Ausstellung im Präsidentenpalast und der kontroversen Meinungen innerhalb der vor allem jüngeren Bevölkerung in Benin. Hinzu kommt als Verfremdungseffekt die Stimme einer der Statuen, die ebenfalls ihre Unsicherheit angesichts der Vorgänge formuliert.

Mit der Prämierung von „Dahomey“ kann sich die Berlinale einmal mehr als Bühne politischer Botschaften feiern, die in den meisten anderen Wettbewerbsfilmen weniger im Vordergrund standen. So entfielen die Preise der Jury mit „A Traveler’s Needs“ und „L’Empire“ auf die neuen Filme der etablierten Regisseure Hong Sang-soo respektive Bruno Dumont, sodass auch die Filmkunst gewürdigt wurde. Zudem ging der Regiepreis an das innovative Debüt „Pepe“ von Nelson Carlos de Los Santos Arias über die Leiden eines für den Zoo des Drogenbarons Pablo Escobar entführten Nilpferds.

Neben diesen nachvollziehbaren Leistungen standen allerdings eine Reihe von Auslassungen und weniger stimmigen Entscheidungen. So heimste der deutsche Filmemacher Matthias Glasner für seinen inhaltlich überfrachteten Wettbewerbsbeitrag „Sterben“ den Drehbuchpreis ein. Beim Preis für die beste Hauptrolle blieben viele herausragende Darstellerinnen im Wettbewerb außen vor; geehrt wurde vielmehr Sebastian Stan, dessen Auftritt in „A Different Man“ vor allem von kongenialer Maskenarbeit zehrt.

Seine Rolle eines Mannes, der sich von einer krankheitsbedingten Gesichtsverformung befreit, um dies hernach zu bereuen, kämpft allerdings gegen ein ungenaues Drehbuch. Bedauerlich bleibt auch, dass einige der besten Arbeiten im Wettbewerb leer ausgingen, etwa die feinsinnigen Filme „Black Tea“ von Abderrahmane Sissako und „Shambhala“ von Min Bahadur Bham.

Immerhin zeichneten sowohl die FIPRESCI-Jury als auch die Ökumenische Jury den iranischen Beitrag „My Favourite Cake“ aus, einen ebenso amüsanten wie bei aller inszenatorischen Leichtigkeit hochpolitischen Film, der lange als Favorit für den „Goldenen Bären“ gegolten hatte.

Mati Diop und der "Goldene Bär" für "Dahomey" (Elena Ternovaja CC BY-SA 3.0)
Mati Diop und der "Goldene Bär" für "Dahomey" (© Elena Ternovaja CC BY-SA 3.0)


Die wichtigsten Preise der 74. Berlinale 2024


Goldener Bär

Dahomey“ von Mati Diop


Großer Preis der Jury

A Traveler’s Needs“ von Hong Sang-soo


Jury-Preis

L'Empire“ von Bruno Dumont


Beste Regie

Nelson Carlo de Los Santos Arias für „Pepe“


Beste Leistung in einer Hauptrolle

Sebastian Stan in „A Different Man“


Beste Leistung in einer Nebenrolle

Emily Watson für „Small Things Like These“


Bestes Drehbuch

Matthias Glasner für „Sterben“


Preis für eine herausragende künstlerische Leistung

Martin Gschlacht für „Des Teufels Bad“


Bester Dokumentarfilm

No Other Land“ von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, Rachel Szor

Bester Dokumentarfilm: "No Other Land" (Fabien Greenberg)
Bester Dokumentarfilm: "No Other Land" (© Fabien Greenberg)


Bester Film Encounters

Direct Action“ von Guillaume Cailleau, Ben Russell


Beste Regie Encounters

Juliana Rojas für „Cidade; Campo“


Spezialpreis Encounters (ex aequo)

The Great Yawn of History“ von Aliyar Rasti

Some Rain Must Fall“ von Qui Yang


Bester Erstlingsfilm

Cu Li Never Cries“ von Phạm Ngọc Lân


Bester Kurzfilm

Un movimiento extraño“ von Francisco Lezama


Goldener Bär für das Lebenswerk

Martin Scorsese

Ehren-Bär für Martin Scorsese (imago/Marechal Aurore/ABACA)
Ehren-Bär für Martin Scorsese (© imago/Marechal Aurore/ABACA)


Mitglieder der Internationalen Jury waren Lupita Nyong’o (Präsidentin), Brady Corbet, Ann Hui, Christian Petzold, Albert Serra, Jasmine Trinca, Oksana Zabuzhko.


Bester Film Generation 14 plus

Last Swim“ von Sasha Nathwani


Bester Film Kplus

It’s Okay!“ von Kim He-young


Preise der Ökumenischen Jury

My Favourite Cake“ von Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha

Sex“ von Dag Johan Haugerud

Maria’s Silence“ von Davis Simanis


Fipresci-Preise

My Favourite Cake“ von Maryam Moghaddam & Behtash Sanaeeha

Sleep with Your Eyes Open“ von Nele Wohlatz

Faruk“ von Aslı Özge


Heiner-Carow-Preis

Ivo“ von Eva Trobisch

"Ivo" von Eva Trobisch (Adrian Campean)
"Ivo" von Eva Trobisch (© Adrian Campean)

Caligari-Preis

Shahid“ von Narges Kalhor


Gilde-Filmpreis

Sterben“ von Matthias Glasner


Friedensfilmpreis

Favoriten“ von Ruth Beckermann


Amnesty International Filmpreis

The Stranger’s Case“ von Brandt Andersen

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