London kills me

Drama | Großbritannien 1991 | 107 Minuten

Regie: Hanif Kureishi

Ein 20jähriger drogenabhängiger Kleindealer will aussteigen und sich durch einen Job als Kellner ein Überleben in Würde sichern. Nach vielen Schwierigkeiten gelingt es ihm eher zufällig, sich dem sozialen Druck des Milieus zu entziehen und auch die Voraussetzungen für seine Arbeitsstelle zu erfüllen. Lapidar, ohne eigentlichen dramaturgischen Höhepunkt erzählte Aussteigergeschichte. Von überzeugenden Darstellern getragen, zeichnet der Film das Bild einer Gesellschaft, in der Leben zum Überlebenskampf geworden ist. (TV-Titel auch: "London schafft alle") - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LONDON KILLS ME
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Polygram/Working Title/Film Four International
Regie
Hanif Kureishi
Buch
Hanif Kureishi
Kamera
Edward Lachman
Musik
Mark Springer · Sarah Sarhandi
Schnitt
Jon Gregory
Darsteller
Justin Chadwick (Clint) · Steven Mackintosh (Muffdiver) · Emer McCourt (Sylvie) · Roshan Seth (Dr. Bubba) · Fiona Shaw (Headley)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Clint steckt mitten in der Londoner Szene. Er verkauft Drogen, ist selbst abhängig, arbeits- und wohnungslos und versucht, sich mit kleineren Drogendeals über Wasser zu halten. Doch die Portobello Road unserer Tage, das ist nicht mehr das "Swingin' London" der späten 60er und frühen 70er Jahre. Jetzt bestimmt der Kampf ums nackte Überleben das Leben. Das muß auch Clint erfahren, als er an seinem 20. Geburtstag zusammengeschlagen wird, weil er einem Groß-Dealer Geld schuldet, und ihm sein bester Freund Muffdiver die Frau ausspannt. Fast splitternackt auf die Straße geworfen, beschließt Clint, sein Leben zu ändern. Als er einen Job als Kellner in Aussicht gestellt bekommt, scheinen seine Wünsche in Erfüllung zu gehen. Doch da sein zukünftiger Arbeitgeber auf tadellosem Schuhwerk besteht, bricht für Clint eine ereignisreiche und abenteuerliche Woche an. Schließlich ist es nicht so einfach, ohne Geld in London ein Paar anständige Schuhe aufzutreiben. Das Blatt scheint sich zu wenden, als er mit Muffdiver eine leerstehende Wohnung besetzt, die für die Verhältnisse von Mittellosen nahezu verschwenderisch ausgestattet ist. Sogar Schuhe befinden sich im Wandschrank, doch sie sind einige Nummern zu klein, nur als Notlösung zu gebrauchen. Muffdiver, der von der Erweiterung seines Drogen-Distrikts und dem Service "Haschisch auf Rädern" träumt, schart seine Dealer um sich. Alle scheinen zufrieden, man hat ein Dach über dem Kopf und die Hoffnung auf eine geregelte Zukunft. Da auch Sylvie mit einzieht, wird das Verhältnis zwischen Clint und Muffdiver aber wieder frostiger. Als Clint das Geld stiehlt, mit dem Muffdiver sich ins große Drogen-Geschäft einkaufen wollte, wird die Situation bedrohlich. Doch zu einer wirklichen Auseinandersetzung kommt es nicht, stattdessen verbringt man einen Tag auf dem Land und besucht Clints Mutter, der die "Stadtflucht" gelungen ist. Mit den geklauten Schuhen seines Stiervaters versehen, ist Clint guter Dinge, anderntags seinen Job antreten zu können. Aber dann tritt eine dramatische Wende ein: der Mieter der besetzten Wohnung meldet sich mit brachialer Gewalt zurück, Clints neue Schuhe verschwinden, Muffdiver hält es für ratsam, die Stadt zu verlassen. Clint behält sein Ziel im Auge und erhält die Chance seines Lebens, allerdings in den Designer-Stiefeln seines Arbeitgebers, die er am Abend zuvor stehlen konnte.

Kino-Geschichten von der britischen Insel versprühen, wenn sie sich mit den Alltagsproblemen der Menschen auseinandersetzen, nicht gerade Optimismus. Die Träume ihrer Protagonisten sind bescheiden, an sozialen Aufstieg mag niemand mehr so recht denken und glauben. Ausstieg aus der Drogenszene, ein Job als Kellner kann unter diesen Voraussetzungen schon als absoluter Glücksfall gewertet werden. Nach Alan Parker, Ken Loach und Mike Leigh erzählt auch Hanif Kureishi - Autor der Erfolgsfilme "Mein wunderbarer Waschsalon" (fd 25 795) und "Sammy und Rosie tun es" (fd 26 937) - eine Geschichte minimalistischer Glücksvorstellungen. Nicht das Streben nach Erfolg ist angesagt, sondern Überleben in Würde. Diese sozialen Vorzeichen bestimmen Kureishis Erstlingsfilm. Er bleibt damit seinen Themen treu, beschreibt ein System, das sich auf gegenseitige Ausbeutung aufbaut, doch er räumt kaum noch Nischen ein, in denen der Mensch sich geborgen fühlen könnte. Freundschaften sind zu diesen Zeiten eine sehr unsichere Bank; Liebe bereitet eher Kummer, als daß sie Schmerzen lindem würde. Die Welt ist in einem Zustand, in dem sich jeder selbst der Nächste ist, und nur wer das begreift hat eine Chance. Als Überbringer dieser nicht gerade erbaulichen Botschaft hat Kureishi wundervolle Charaktere erdacht, und er kann auf brillante junge Schauspieler zurückgreifen, die sie überzeugend verkörpern. Sylvie läßt sich treiben, bleibt stets unentschlossen, pendelt, paßt sich an, wird bestimmt von der Angst vor dem Entzug: ein Leben, das dem Ende zutreibt. Muffdiver ist, ohne es zu wissen, längst Opfer der Verhältnisse, träumt allerdings in der Rolle des Außenseiters immer noch bürgerliche Karriere-Träume. Clint fühlt nur, daß Veränderung vonnöten ist, begreift aber kaum etwas von dem, was um ihn herum vorgeht. Er schafft den Absprung eher zufällig. Konsequent hinzuarbeiten auf ein Ziel, hat er nie gelernt. Glück und Instinkt sichern das Überleben. In seinem dramaturgischen Konzept unterläuft Kureishi immer wieder die Erwartungen der Zuschauer. Er baut Spannungen auf, die sich nicht in gewalttätigen Aktionen, sondern in Augenblicken der Entspannung, des Vertrauens oder in witzigen Pointen entladen. So gibt er seinem Film den Touch des Beiläufigen; nicht dramatische Höhepunkte, sondern Zufälligkeiten lenken das Leben seiner Protagonisten in eine neue Bahn. Ein banaler Film also - fast wie das wirkliche Leben. Nach seinen Erfolgen als Drehbuch-Autor und nach seinem Roman "Der Buddha aus der Vorstadt" hat sich Kureishi nun auch als Regisseur empfohlen. Man darf auf weitere Alltags-Geschichten hoffen. Ob diese allerdings weiterhin im Milieu britischer Underdogs angesiedelt sind, ist fraglich, denn kaum ein Kino in England will "London Kills Me" zeigen.
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