Cookie's Fortune - Aufruhr in Holly Springs

Satire | USA 1999 | 118 Minuten

Regie: Robert Altman

In einem kleinen Ort in den US-Südstaaten nimmt sich eine einsame alte Frau das Leben. Aus Gründen des familiären Prestiges tarnt ihre Nichte den Selbstmord als Mord, woraufhin der mit allen im Dorf befreundete Hausmeister der alten Dame verdächtigt und eingesperrt wird. Derweil probt die energische Nichte Oscar Wildes "Salomé" als Osterdrama, in dem einige Würdenträger des Ortes auftreten. Robert Altmans amüsante Gesellschaftssatire gibt auf liebevolle und zugleich sehr präzise Weise Atmosphäre und Lebensweise des amerikanischen Südens wieder. Zum Gelingen tragen zudem das Drehbuch, das plastische Charaktere und charmante Handlungsdetails aufweist, sowie das prominente Darsteller-Ensemble bei. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
COOKIE'S FORTUNE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Sandcastle 5/Elysian Dreams/Moonstone Entertainment/Kudzu
Regie
Robert Altman
Buch
Anne Rapp
Kamera
Toyomichi Kurita
Musik
David A. Stewart
Schnitt
Abraham Lim
Darsteller
Glenn Close (Camille Dixon) · Julianne Moore (Cora Duvall) · Liv Tyler (Emma Duvall) · Chris O'Donnell (Jason Brown) · Charles S. Dutton (Willis Richland)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Satire
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Lange genug hat Cookie die Trauer um ihren verstorbenen Ehemann mit sich herumgetragen und das große Haus allein bewohnt, auch wenn ihr der treue Willis stets beistand. Seine Waffensammlung erleichtert ihr schließlich die Erfüllung ihrer Todessehnsucht. Als ihre beiden Nichten Camille und Cora wegen einer Salatschüssel das Haus stürmen, finden sie Cookie tot in ihrem Bett. Da Selbstmord für die auf sozialen Status krankhaft bedachte Camille nicht akzeptabel ist, inszeniert sie das Haus zum Schauplatz eines Verbrechens um, und die gefügige Cora gehorcht aufs Wort. Da in dem kleinen Ort niemand sonst für die Tat in Frage kommt, wird Willis verhaftet, was dem Sheriff, der mit Willis seit Ewigkeiten angeln geht, nicht leicht fällt. Aber auch im Gefängnis kann man sich beschäftigen, mit Kartenspielen etwa, was man bald zu dritt tun kann, weil sich Cookies junge Großnichte Emma aus Protest mit einschließen lässt (aber auch, um dem Hilfssheriff näher zu sein), und kurz darauf zu viert, da sich der Anwalt des Ortes der Runde anschließt. Derweil zieht Camille in Cookies Haus, das noch vom gelben Crime-Scene-Band umspannt ist, und probt ansonsten ihre Version von Oscar Wildes „Salomé“ als düsteres Osterspiel, bei dem sich ein Teil der dörflichen Würdenträger als Schauspieler versucht.

„Der neue Altman“ gilt nach wie vor regelmäßig als Ereignis, gerade angesichts der übrigen US-Autorenfilmer und Regie-Einzelgänger der älteren Generation, die sich heutzutage oft genug mit Genre-Handwerk und Auftragsproduktionen über Wasser halten. Altman bleibt seinem ureigenen Genre der Gesellschaftssatire treu. Diesmal hat er sich als Schauplatz ein fiktives Nest in den Südstaaten ausgesucht, das die Farben, das Flair und die aristokratische Gesinnung der Konföderierten sowie, als ewigen Widerpart, den Common Sense des einst siegreichen Nordens aufweist. Entscheidend für Altmans Geschichte aber sind insbesondere das Zeitlupentempo der Lebensweise im Grand Old South und das Jeder-kennt-Jeden des abgeschiedenen Ortes. Ein atemloses Energiepaket wie Camille kann hier nur wie ein Fremdkörper erscheinen, und so hat der ganze Ort alle Hände voll damit zu tun, sie loszuwerden und das gewohnte Tempo wieder herzustellen. Altman sog diese Atmosphäre spürbar in sich auf, so wie alle Beteiligten (nach der „Berlinale“-Vorführung 1999) von dem beschaulich-schönen, realen Städtchen schwärmten, das als Drehort Verwendung fand. Tempo ist seit jeher das Geheimnis aller Komödien, es so weit herunterzuschrauben wie hier und zugleich den Witz und die Listigkeit der Figuren an kleinen Details immer wieder vor Augen zu führen, das gelingt aber nur wenigen Regisseuren. Dabei hatte Altman nur eine Hand voll Schauplätze zu bespielen, die Villa und das Gefängnis als die wichtigsten, beinahe wie bei einer Theaterverfilmung. Doch es stand ihm ein Drehbuch zur Verfügung, das eine ganze Reihe von plastischen, liebenswerten Figuren aufweist, zahlreiche ironische Einzeiler sowie kleine Gesten mit großer Wirkung. Offenbar hat seine texanische Autorin Anne Rapp, die bisher als Script Supervisor oder auch Produzentin für Regisseure wie Spielberg, Beresford, Kasdan, Benton und Pollack gearbeitet hat, einiges an eigener Anschauung in den Film eingebracht. Für die musikalische Untermauerung der Geschichte – seit jeher ein wichtiger Aspekt für Altman – sorgte „Eurythmic“ Dave Stewart mit einigen dezenten Südstaatenklängen. Außerdem sind als Darsteller mit komödiantischem Talent die Blues-Stars Rufus Thomas und Ruby Wilson zu sehen; Ersterer hatte dies bereits bei Jim Jarmusch unter Beweis gestellt, Letztere ist hier auch gesanglich zu erleben.

„Der neue Altman“ gilt stets auch unter Schauspielern als ein Ereignis, bei dem man dabei sein will. Ähnlich wie bei Woody Allen geht es nicht bloß ums Prestige, sondern um die Beteiligung an einem Projekt der wenigen noch verbliebenen, eigenständigen Geister der Branche; es geht um die Besetzung für ebenso ungewöhnliche wie dankbare Rollen und um die Arbeit in einem Ensemble, das man in seltener Interaktion vor der Kamera agieren lässt. Altman hat an die Stelle des kalkulierten Chaos seiner 70er-Jahre-Filme eine größere Konzentration auf die verbale und nonverbale Interaktion der Figuren gesetzt, und er scheut sich dabei auch nicht mehr vor konventionellen Mitteln wie Inserts und Großaufnahmen. Das Ergebnis ist eine höchst amüsante, stilsicher inszenierte und wunderbar gespielte Komödie mit satirischer Note, ohne die Bitterkeit von „The Player“ (fd 29 643) oder „Prêt-à-porter“ (fd 31 286), eher im Ton einer Liebeserklärung an die Provinz.
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