Drama | Frankreich/Italien/Iran 2010 | 106 Minuten

Regie: Abbas Kiarostami

Ein Schriftsteller, der ein kunstgeschichtliches Werk über Kopie und Original veröffentlicht hat, verbringt Zeit mit einer gleichaltrigen Frau. Ohne den Status dieses Paars näher zu erläutern, beobachtet der Film die Interaktion beider während eines Ausflugs in die Toskana, woraus sich ein geradezu magisches Beziehungsporträt entwickelt. Dank der Sensibilität der Inszenierung für feinste Zwischentöne und hervorragender Hauptdarsteller entsteht eine schwebende, facettenreiche Reflexion über Leben, Liebe und Kunst. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
COPIE CONFORME | ROONEVESHT BARABAR ASL AST | COPIA CONFORME
Produktionsland
Frankreich/Italien/Iran
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
MK2 Prod./BìBì Film/Abbas Kiarostami Prod.
Regie
Abbas Kiarostami
Buch
Abbas Kiarostami
Kamera
Luca Bigazzi
Schnitt
Bahman Kiarostami
Darsteller
Juliette Binoche (Sie) · William Shimell (James Miller) · Jean-Claude Carrière (Mann auf dem Platz) · Agathe Natanson (Frau auf dem Platz) · Gianna Giachetti (Cafébesitzerin)
Länge
106 Minuten
Kinostart
13.10.2011
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Das Drama um zwei Personen, von denen man nicht weiß, ob sie ein Paar, Freunde oder Fremde sind, reflektiert mit feinen Zwischentönen über Leben, Liebe und Kunst.

Diskussion

Eine Frau und ein Mann verbringen gemeinsam einen Nachmittag. Sie fahren aufs Land. Trinken Kaffee. Besichtigen Sehenswürdigkeiten, besuchen ein Museum, eine Kirche. Manchmal schweigt er, und sie redet, dann wechseln die Rollen. Einmal blinkt auf ihrer Wange eine Träne, dann lacht sie. Mal läuft er davon, mal wartet er. Ab und zu klingelt ein Handy, dann ist der andere vorübergehend allein. Sie gehen in ein Restaurant, schlendern über Plätze, durch Gässchen. Er legt seine Hand auf ihre Schulter, später sitzt sie auf einer Treppe, zieht ihre Schuhe aus, reibt die Füße.

Schließlich landen sie in einer Pension. „Ich muss...“, sagt er. „Erinnerst du dich...“, fragt sie. „Die Liebesfälscher“ erzählt laut Presseheft „eine universelle Geschichte, die irgendwem irgendwo passieren könnte“. Das ist maßlos untertrieben. Denn der Mann und die Frau sind Figuren aus einem Film von Abbas Kiarostami. Es ist der erste Film, den der Iraner in Westeuropa drehte.

Der Mann, James Miller, ist Engländer. Er hat ein Buch über Kopie und Original in der Kunst geschrieben, genauer: über die „Echtheit“ der Kopie und ihre Wichtigkeit für das Verständnis des Originals: „Copie conforme“ lautet der Titel des Buchs, gleich dem Originaltitel des Films. Die Frau ist Französin und bleibt namenlos. Sie hat einen etwa zwölfjährigen Sohn und betreibt in der Toskana ein Antiquitätengeschäft, vielleicht in Arezzo, wo sie wohnt, vielleicht auch in Florenz. 

Die Piazza della Signoria mit ihrer Kopie von Michelangelos David-Statue spielt in seiner Erinnerung eine wichtige Rolle. Er ist für eine Lesung nach Italien gekommen, lässt das Publikum warten. Sie betritt noch später den Saal, ist unruhig, hört kaum zu, geht frühzeitig, um mit ihrem Sohn zu essen. Der Bub fragt, fordert heraus, nervt seine Mutter. Dann fällt er wieder heraus aus der Handlung, die immer mehr zur Geschichte eines Paares wird: Miller und die Frau haben sich für den Nachmittag verabredet.

Paar, Freunde oder Fremde?

War man bisher nicht sicher, ob sie seine Frau oder Geliebte, ihr Kind sein Sohn sei, so tappt man jetzt, wo sie zusammen treffen, erst recht im Dunkeln. Für ein Paar scheinen die beiden zu wenig vertraut miteinander zu sein, und doch wird ihr Gespräch für zwei komplett Fremde beinahe zu schnell familiär, leise misstönig auch.

Später wird sie, derweil er vor der Tür telefoniert, von einer Wirtin auf ihren „Gatten“ angesprochen. Sie steigt, sofern es überhaupt eines ist, spontan ins Spiel mit ein, er tut, als er zurück ist, dasselbe: Fortan erzählt „Die Liebesfälscher“ die Geschichte eines seit 15 Jahren verheirateten Paares und schwingt sich auf in Höhen, wo die Begegnung zweier Menschen auf der Leinwand magisch wird.

Dass das gelingt, liegt vor allem an den Darstellern: Juliette Binoche, die der Frau eine präzise sinnliche Präsenz und Körperlichkeit verleiht, und William Shimell, der als Bariton sonst auf Opernbühnen zu Hause ist, hier aber überzeugend seine erste Kinorolle spielt. „Die Liebesfälscher“ lässt an Richard Linklaters „Before Sunrise“ (fd 31 720) denken, an Alain Resnais’ „Letztes Jahr in Marienbad“ (fd 10 656), an Filme von Godard und Truffaut. Es ist „bloß“ ein weiterer Film über eine Begegnung von einem Mann und einer Frau, doch als solcher höchst originell.

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