Drama | USA 1992 | 135 Minuten

Regie: John Sayles

Nach einem Unfall ist eine erfolgreiche Schauspielerin in der unteren Körperhälfte gelähmt. In ihrer Heimat Louisiana gewinnt sie mit Hilfe einer Pflegerin, die ihre Freundin wird, langsam ihren Lebensmut zurück. Ein in den Hauptrollen glänzend gespielter Film voller Lebenslust und Optimismus, der geschickt die Atmosphäre des amerikanischen Südens und der Cajun-Musik in seine Inszenierung einbindet. Mit einer Reihe von Nebenfiguren deutet er darüber hinaus weitere "Geschichten" an, die der Betrachter weiterspinnen kann. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PASSION FISH
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Atchafalaya
Regie
John Sayles
Buch
John Sayles
Kamera
Roger Deakins
Musik
Mason Daring
Schnitt
John Sayles
Darsteller
Mary McDonnell (May-Alice Colhane) · Alfre Woodard (Chantelle) · David Strathairn (Rennie) · Vondie Curtis-Hall (Sugar LeDoux) · Leo Burmester (Onkel Reeves)
Länge
135 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
"Nach der Arbeit trank ich ein paar Gläser Wein und ging dann ins Bett." May-Alices Leben verlief in "geordneten Bahnen" vor jenem Unfall, der ihre untere Körperhälfte lahmte. Eben noch eine bekannte Fernsehschauspielerin, findet sie sich nun in einer Klinik wieder, ohne Familie, Freunde und ohne Lebenslust. Nach ihrer Entlassung kehrt sie New York den Rücken und zieht in das alte Haus ihrer Familie in Louisiana. Auf den Rollstuhl und eine Pflegerin angewiesen, sucht May-Alice Zuflucht im Alkohol und im Fernsehen, jener einzigen Verbindung zu ihrem früheren Leben. Zwischen Apathie und Aggressivität schwankend, vergrault sie eine ganze Reihe von Krankenschwestern, bis eines Tages die farbige Chantelle vor der Tür steht. Schweigsam, aber entschlossen geht Chantelle daran, das Leben ihres Schützlings umzukrempeln; notfalls mit sanfter Gewalt, etwa wenn sie May-Alice mit dem Rollstuhl im Garten des Hauses stehenläßt, um sie zur selbständigen Rückkehr zu zwingen. Oder später, wenn sie sämtlichen Alkohol aus dem Haus verbannt und May-Alice den schwierigen Entzug "verordnet".

Bei einer Besorgungsfahrt in die Stadt begegnet Chantelle zwei Männern. Dem lebenslustigen Hufschmied Sugar, dessen Annäherungsversuchen sie nur sehr zögernd nachgibt; und dem Bootsbesitzer Rennie, einem Schwarm von May-Alice aus ihrer Schulzeit. Rennies gelegentliche Besuche bei den beiden Frauen bringen Leben ins Haus; nicht nur, weil er sich als tatkräftiger Handwerker nützlich macht. May-Alice fühlt ihre alte Zuneigung wieder aufflammen, auch wenn Rennie inzwischen Vater einer vielköpfigen Familie ist. Eine gemeinsame Bootstour durch die Sümpfe Louisianas weckt May-Alices lange vermißten Lebensmut endgültig. Bei der Rast auf einer Insel macht Rennie die Frauen mit einem alten Aberglauben bekannt: im Magen eines Fisches findet er zwei kleine andere Fische ("Passion Fish"), die die Erfüllung eines Wunsches garantieren.

Sporadische Gäste bieten den Frauen nicht nur Abwechslung, sondern auch Anlässe zur Standortbestimmung. May-Alices affektierte ehemalige Schulfreundinnen und ihre New Yorker Arbeitskolleginnen demonstrieren den Grad der Entfremdung zu beiden Welten. Anders Chantelles Besucher, die als Boten einer düsteren (und gegenüber May-Alice verschwiegenen) Vergangenheit auftreten: ihr Ex-Geliebter Luther hat seinen Drogenentzug noch nicht abgeschlossen; ihre kleine Tochter Denita wird solange in der Obhut des Großvaters bleiben, bis die ehemals süchtige Chantelle selbst endgültig Fuß gefaßt hat. Mit einem weiteren Besucher entscheidet sich das Schicksal der Frauen für die absehbare Zukunft: May-Alice lehnt das Angebot ihres Produzenten für ein Comeback ab; sie bleibt einstweilen in Louisiana, bei Chantelle und in Rennies Nähe.

"Passion Fish" erzählt von einer Freundschaft; von zwei Frauen, die ihr Leben völlig neu in Angriff nehmen müssen; vom Leben im amerikanischen Süden, wo die Uhren bisweilen wirklich langsamer zu gehen scheinen, und wo eine Horde Marsmenschen nicht fremdartiger wirken könnte als die Besucher aus der TV-Glitzerwelt New Yorks. Je mehr May-Alice diese Welt als ihr Zuhause akzeptiert (und das passiert mit Chantelles erstem Auftritt), desto mehr hält auch im Rhythmus des Films diese beschwingte Gelassenheit Einzug, mit der sich Sayles weit von der komplexen Großstadtwelt seines letzten Films "City of Hope" (fd 29 871) entfernt. Konzentriert sich Sayles diesmal in erster Linie auf die beiden Hauptfiguren, so birgt die Dramaturgie doch weit mehr "Geschichten", die oft nur in Andeutungen erzählt werden. Das gilt insbesondere für die Gäste der beiden Frauen, deren Auftritte immer gerade so lang sind, daß man neugierig auf die Figuren und ihr Eigenleben wird (auch wenn beispielsweise May-Alices Ex-Kolleginnen weitgehend in Klischees steckenbleiben). Sayles legt Fährten aus, liefert Skizzen, die sein Publikum weiterzeichnen darf. Abgeschlossen ist nichts, wenn die Abspanntitel über die Leinwand rollen. Wohl werden die beiden Frauen eine Weile zusammen bleiben. Ob sich May-Alice und Rennie näherkommen, bleibt ebenso offen wie Chantelles weitere Beziehung zu Sugar. Wobei man auch die beiden Männer gerade erst "kennenzulernen" beginnt. Das Leben des einstigen Rebellen Rennie etwa, dessen Frau sich erst nach der Hochzeit als religiöse Fanatikerin entpuppte, die alles verabscheut, was ihrem Ehemann lieb und teuer ist - beinahe verschwenderisch geht Sayles mit diesem Stoff für eine ganz eigene Geschichte, einen ganz anderen Film um. Auch ohne klassisches "Happy-End" vermittelt "Passion Fish" eine Atmosphäre von Lebenslust und Optimismus. Dazu leistet zum einen die Cajun-Musik ihren Beitrag, zum anderen die beiden Hauptdarstellerinnen, die das langsame "Auftauen" ihrer Figuren glaubhaft und anrührend verkörpern.
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