Kinderfilm | Niederlande/Deutschland/Belgien 2012 | 85 (24 B./sec.)/82 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Mischa Kamp

Ein neunjähriger Junge steht vor den Scherben seines harmonischen Familienlebens, als sein Vater Karriere macht, vom Geschäftsführer einer Kranfirma zum niederländischen Bauminister aufsteigt und ihn sowie seine Mutter verlässt. Bis zum zehnten Geburtstag will er seine Eltern wieder zusammenbringen, muss aber erkennen, dass es Alternativen gibt, wenn Vertrauen, Zuneigung und Liebe die Bande stärken. Liebenswerter Kinderfilm, der unaufgeregt und einfühlsam viele amüsante Einfälle mit der realitätsnahen Alltagsgeschichte verknüpft. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
TONY 10
Produktionsland
Niederlande/Deutschland/Belgien
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Lemming Film/NTR/Ma.Ja.De Filmprod./uFilm
Regie
Mischa Kamp
Buch
Mieke de Jong
Kamera
Bert Pot
Musik
Steve Willaert
Schnitt
Marc Bechtold · Sander Vos
Darsteller
Faas Wijn (Tony) · Rifka Lodeizen (Sissy) · Jeroen Spitzenberger (Gilles) · Annet Malherbe (Königin) · Carlo Boszhard (Lehrer)
Länge
85 (24 B.
sec.)
82 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
22.11.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Kinderfilm
Externe Links
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Diskussion
Am Ende des Films wird Tony zehn Jahre alt. Er wird seinen Geburtstag feiern und feststellen, dass sich an diesem Tag seine Eltern scheiden lassen, und er wird sagen: Es war der schönste Tag in meinem Leben. Wie geht das zusammen? Noch dazu, wenn der Film weder eine bizarre Sozialsatire noch eine Familientragödie ist, sondern ein höchst sympathischer, liebenswürdig-versponnener Kinderfilm? Es funktioniert, weil „Tony 10“ bei aller märchenhaften Fabulierfreude nie den Sinn für die Realitäten verliert, dem kindlichen Hauptdarsteller, der auch als Erzähler fungiert, stets respektvoll auf Augenhöhe begegnet und weil er die Erwachsenen um ihn herum nie als geistig minderbemittelte Komik-Chargen, sondern als glaubwürdig konturierte Partner mit Stärken und Schwächen zeichnet. Und es funktioniert, weil der Film zu erzählen versteht: unaufgeregt und entspannt, mit Humor, skurrilen Einfällen und hübsch erdachten Unglaubwürdigkeiten, die ebenso unterhalten wie sie trösten und verstehen helfen. Niemand lässt sich da gönnerhaft herab, um den agierenden Kindern im Vorbeigehen auf die Schulter zu klopfen – im Gegenteil: Selbst die niederländische Königin lässt ihre 24-karätige Krone beiseite, wenn es darum geht, einem Neunjährigen wirklich zuzuhören und sich um seine Sorgen zu kümmern. Alles beginnt mit Tonys Geburt. Tony schlägt die Augen auf und erblickt zum ersten Mal seine Eltern: Mutter Sissy, die einen kleinen Porzellanladen betreibt, und Vater Gilles, der eine stetig expandierende Kranfirma besitzt. Geborgen und geliebt wächst Tony im „Haus bei den großen Kränen“ auf; er hat „Kranblut“ in seine Adern, lernt früher einen Kran zu lenken als zu laufen. Tony liebt seine Eltern über alles, genießt das Glück seiner kleinen Familienidylle und bewundert seinen Vater über alle Maßen; dessen Energie und Tatkraft, die Gilles tatsächlich im Lauf der Jahre hoch aufsteigen lassen – bis zum niederländischen Bauminister. Gilles denkt stets groß, zunehmend aber auch zu groß. „Immer will er alles größer, die kleinen Dinge werden übersprungen“, erklärt Sissy später einmal traurig ihrem Sohn. Sie selbst fühle sich dadurch klein und ebenfalls übersprungen. Zu dieser Zeit ist Tony neun Jahre alt, der Vater hat kaum noch Zeit für ihn, streitet sich regelmäßig mit Sissy, von der er sich immer weiter entfernt. Als er sich in eine andere Frau verliebt, will Tony einschreiten und alles tun, um bis zu seinem zehnten Geburtstag die Eltern wieder zusammenzubringen. Zwischen Familien- und Schulalltag, Arbeits- und Fantasiewelt schmiedet Tony seine Pläne und Intrigen, bastelt fantasiereich und mutig am von ihm sehnlichst herbeigewünschten Happy End, wobei er mitunter zwischen seinem Herzenswunsch und der Wirklichkeit den Boden unter den Füßen zu verlieren droht. Das könnte freilich auch dem Zuschauer passieren, wenn er die präzis konturierte Arbeitswelt mit Gabelstaplern, Hebe- und Greifkränen unmittelbar und nahezu bruchlos neben der prächtigen Palastkulisse der niederländischen Königin erlebt, Welten, zwischen denen Tony „einfach so“ wandelt, mit der Königin Tischtennis spielt und einmal sogar von ihr in der Schule besucht wird, damit sein Referat „glaubwürdiger“ wird. Das sind liebenswert-skurrile Ideen, die spielerisch all jene Hierarchien und Machtverhältnisse auflösen, aus denen Kinder normalerweise ausgegrenzt werden, die aber zugleich den Weg freimachen für den Blick auf wesentlichere Dinge: den Blick auf ehrliche, aufrichtige Empfindungen, die man für seine Mitmenschen hegt, seien diese nun klein oder groß, jung oder alt. Bereits mit ihren Kinderfilm-Klassikern („Ein Pferd für Winky“ (fd 37 983) und „Wo ist Winkys Pferd?“ hat Regisseurin Mischa Kamp (geb. 1970) gezeigt, wie unaufgeregt und einfühlsam sie einen an der Wirklichkeit orientierten Kinotraum auszufabulieren versteht; wobei sie bei „Tony 10“ weit spektakulärer zu Werke geht, etwa wenn es um wahre „Krankunststücke“ geht, für die es freilich auch viel Fingerspitzengefühl bedarf – oder wenn die Kranschaufel in schwindelnder Höhe zum poetisch überhöhten Refugium für einen am Streit der Eltern leidenden Jungen wird. Mit Tony versteht auch der (kindliche) Zuschauer schließlich, dass Glück und Happy End eher relative Begriffe sind, zwischen denen man seinen Platz auf verschiedene Weise finden kann – mit Selbstbewusstsein, Fairness und Toleranz, vor allem aber mit Vertrauen und einer tiefen Zuneigung zu den Menschen, ohne sich (zu sehr) von Äußerlichkeiten abhängig zu machen.
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