Ein königlicher Tausch

Drama | Frankreich/Belgien 2017 | 104 Minuten

Regie: Marc Dugain

Im Jahr 1722 schließen der französische und der spanische Königshof einen Handel ab: Die vierjährige spanische Infantin wird dem 12-jährigen König Ludwig XV. als Braut zugeführt, im Gegenzug sollen auch der 16-jährige spanische Thronfolger und die jugendliche Tochter des französischen Regenten verheiratet werden. Das Arrangement zur Friedenssicherung erweist sich aber auf beiden Seiten als unglücklich. Sorgfältig inszeniertes Historiendrama, das pointiert das bizarre Selbstverständnis des absolutistischen Systems bloßlegt, das sich mit Zeremoniell gegen den unausweichlichen Untergang stemmt. Präzise treten dabei vor allem die hervorragend gespielten Kinder-Protagonisten als Opfer der monarchistischen Machtspiele hervor. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
L' ÉCHANGE DES PRINCESSES
Produktionsland
Frankreich/Belgien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
High Sea Prod./Scope Pic.
Regie
Marc Dugain
Buch
Marc Dugain · Chantal Thomas
Kamera
Gilles Porte
Musik
Marc Tomasi
Schnitt
Monica Coleman
Darsteller
Lambert Wilson (Philipp V. von Spanien) · Anamaria Vartolomei (Louise Elisabeth) · Olivier Gourmet (Regent von Frankreich) · Kacey Mottet Klein (Don Luis) · Igor van Dessel (Ludwig XV.)
Länge
104 Minuten
Kinostart
28.02.2019
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Historienfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Alamode (16:9, 2.35:1, DD5.1 frz./dt.)
Verleih Blu-ray
Alamode (16:9, 2.35:1, dts-HDMA frz./dt.)
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Sorgfältig inszeniertes Historiendrama aus der Zeit des späten Absolutismus, als der französische und der spanische Königshof 1722 gegenseitig ihre noch kindlichen Thronnachfolger miteinander verheiraten.

Diskussion

Nach über 70 Jahren unter dem „Sonnenkönig“ ist das Land ausgebrannt. Wo Ludwig XIV. über Frankreich und Europa strahlte, ist im Jahr 1722 der alte Glanz des Absolutismus erloschen. In frühen Momenten von „Ein königlicher Tausch“ streift der 12-jährige Ludwig XV. durch das vernachlässigte Schloss von Versailles, deckt eine verhüllte Statue seiner verstorbenen Mutter auf und lässt für Augenblicke die Aura des Schlafzimmers auf sich wirken, in dem sie sich das letzte Mal in den Armen lagen. Langsam tastet sich der Film vorwärts und etabliert bereits hier die Gewissheit, dass auch das monarchistische System als Ganzes dem Tode nahe ist.

Wie sehr sich die Ahnung des Untergangs bereits unter die Oberfläche von Repräsentanz und Zeremoniell gemischt hat, bezeugt das eifrige Betreiben des Regenten Philipp von Orléans. Sieben Jahre nach dem Tod von Ludwig XIV. gilt es, dessen Urenkel rasch als nächsten Herrscher aufzubauen und dafür neue Allianzen zu schmieden. Die lange Zeit der Kriege mit Spanien legt eine friedensstiftende Vermählung Ludwigs XV. mit der Infantin Maria Anna Victoria nahe; im Gegenzug vermittelt der Regent seine eigene Tochter Louise Elisabeth an den spanischen Thronfolger Don Luis. Dass es sich dabei um Kinder zwischen vier und 16 Jahren handelt, erscheint den Planern nicht als Hindernisgrund.

Eine Gleichung mit vier Unbekannten

Was aus dynastischer Perspektive eine vielversprechende Abmachung war, erwies sich in der Realität allerdings als Gleichung mit vier Unbekannten. Regisseur Marc Dugain stellt in seiner Annäherung an die historische Begebenheit lustvoll aus, wie die Absurdität des Handels augenscheinlich wird: Der schüchterne französische Jungkönig weiß mit dem fröhlichen Kleinkind, das seine Braut sein soll, nichts anzufangen, und lässt die Kleine alsbald mit ihren Puppen alleine. Der schwächliche und von seinem Vater gegängelte Don Luis sieht sich hingegen mit einer schnippischen Prinzessin konfrontiert, die ihre Ablehnung der Zwangsheirat in jeder Geste und jedem Wort verrät.

Doch trotz dieser wenig hoffnungsvollen Anfänge treiben die Königshöfe die begonnene Politik weiter voran, was Dugain mit einem Blick ausbreitet, wie ihn Bertrand Tavernier mit Filmen wie „Wenn das Fest beginnt...“ und „Die Prinzessin von Montpensier“ ins französische Kino einführte: durchweg mit dem Amüsement des heutigen Betrachters über das seltsame Benehmen der Aristokraten, in dem aber stets auch Bitterkeit über ihren ungebrochenen Ernst mitschwingt.

Der vor allem als Schriftsteller arbeitende Marc Dugain greift bei seiner dritten Regiearbeit auch ein Thema auf, das schon in seinem Roman „La chambre des officiers“ (1998) und dessen Verfilmung unter der Regie von François Dupeyron (2001) im Fokus stand. Darin ging es um  die erstarrte französische Gesellschaft während und nach dem Ersten Weltkrieg, die nur äußerlich Unverletzte und Tote, nicht aber die zahllosen schwer Versehrten unter den Soldaten akzeptieren wollte. Diese findet in „Ein königlicher Tausch“  ihr Pendant im unbeweglichen absolutistischen System, das nur Prinzipien und keine Individualität kennt.

Dies ist als Motiv des Historienfilms nicht unvertraut, doch glückt Dugain in der Konzentration auf seine vier hervorragend verkörperten Kinder-Protagonisten ein frischer Zugang zum Kostüm- und Perückengenre. Vor allem im Verhalten der Jungen, die hilflos dem höfischen Zwang folgen, weil sie keine Alternative erkennen, tritt ihre unausgesprochene Verzweiflung in starken Szenen hervor, wenn Ludwig mit seiner Kindsbraut ein gehemmtes Gespräch über Nachwuchs führen muss, oder der unbeholfene Luis zwischen den Anforderungen von Vater und Stiefmutter und der Trotzhaltung seiner Frau aufgerieben wird.

Spielball im Ringen um die Macht

Selbst als beide Jungen verfrüht gekrönt worden sind, bleiben sie Spielball anderer im Ringen um die Macht – von Erwachsenen, die sich letztlich kindischer verhalten als die kleinen Monarchen und nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind. Wenn Ludwig XV. einmal wütend die Figuren eines Schachspiels umstößt, verrät er damit die Ohnmacht seiner Position, in der er als König den Vorgaben anderer folgen muss.

„Ein königlicher Tausch“ beruht auf einem Roman der Historikerin Chantal Thomas, die auch die Vorlage zu Benoît Jacquots „Leb wohl, meine Königin!“ geschrieben hat. Während es bei Jacquot um die Konfrontation der ausgedienten Etikette des Adels mit dem Chaos der Revolution im Jahr 1789  und um die Gegensätze von privater und öffentlicher Seite ging, ist diese Trennung bei den Hofgesellschaften in „Ein königlicher Tausch“ nicht vorhanden.

Auch im engsten Kreis von Familie und Vertrauten spielen die Charaktere die royalen Rollen und geben sich keine Blöße. Sogar intime Gespräche bei Tisch oder im Bett erhalten so etwas Zeremonielles und Staatstragendes, weshalb ein Ausbruchsversuch aus diesem System, wie ihn vor allem Louise Elisabeth immer wieder unternimmt, als besonderer Affront verstanden wird.

Eine Krone auf dem Dach der Kutsche

Angemessen stilisierte Dialoge und die zurückhaltende, mit gedämpftem Licht arbeitende Kameraarbeit von Gilles Porte hellen die Selbsttäuschung der Aristokraten auf, wobei Dugain kammerspielhafte Augenblicke der großen Geste des Historienfilms vorzieht. Eine ungebrochene Feier reiner Pracht gibt es hier nicht zu sehen, wovon der Film selbst in der aufwändigsten Sequenz nicht abweicht: Die Begegnung der Prinzessinnen an der französisch-spanischen Grenze folgt einer gespenstischen höfischen Choreografie und wirkt doch nur wie ein bizarrer Austausch von Gefangenen. Wie Geister, die nicht wissen, dass ihre Stunde geschlagen hat, bewegen sich die Abkömmlinge des Absolutismus auf ihr unausweichliches Ende zu.

Die Kronen, um die sich alles Geschacher dreht, sitzen in „Ein königlicher Tausch“ nur noch dort passgenau, wo ihre repräsentative Stellung am klarsten ist: Festgeschraubt auf dem Dach der Kutschen, in denen die Prinzessinnen ihrem neuen Leben entgegenfahren. Am Ende, wenn diese Kutschen unter ernüchterten Vorzeichen eine weitere Reise antreten, fehlen diese Zeichen royaler Macht.

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