Drama | Deutschland 2021 | 270 (6 Folgen) Minuten

Regie: Andreas Menck

Der Chirurg Amin Ballouz ist Chefarzt einer kleinen Klinik in der Uckermark nahe der polnischen Grenze. Der engagierte Arzt mit migranten Wurzeln kehrt nach dem tragischen Unfalltod seiner Frau in die Krankenhausroutine zurück, kämpft aber insgeheim weiter mit den Schatten seiner Vergangenheit; seine Patienten konfrontieren ihn außerdem mit unterschiedlichsten menschlichen Schicksalen. Eine in der Titelrolle glänzend gespielte Serie, die in Mikrodramen souverän von Liebe, Tod, Trauer und Melancholie erzählt und dem angestaubten Fernsehsubgenre neues Leben einhaucht. - Ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
X Filme Creative Pool
Regie
Andreas Menck · Philipp Osthus
Buch
Conni Lubek · Kerstin Laudascher · Silja Clemens
Kamera
Julian Landweer · Christof Wahl
Musik
Boris Bojadzhiev
Schnitt
Claudia Klook · Julia Dupuis · Mark Broszeit
Darsteller
Merab Ninidze (Dr. Amin Ballouz) · Julia Richter (Dr. Barbara Forster) · Daniel Fritz (Dr. Mark Schilling) · Nadja Bobyleva (Dr. Michelle Schwan) · Vincent Krüger (Vincent Patzke)
Länge
270 (6 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Drama | Serie

Arztserie um einen sensiblen, aber durch den Tod seiner Frau traumatisierten Chefarzt mit migranten Wurzeln, eine märchenhaft überhöhte Provinzklinik und anrührende Herz-Schmerz-Momente ohne billigen Kitsch.

Diskussion

„Ich schaffe das nicht.“ Dr. Amin Ballouz (Merab Ninidze) steht regungslos an einer sonnendurchfluteten Allee irgendwo in der menschenleeren Uckermark. Vor ihm liegt Christina, eine hochschwangere Frau, die gerade mit ihrer sechsjährigen Tochter Flori verunglückt ist. Er sollte jetzt sofort Erste Hilfe leisten, denn die nächste Klinik liegt viele Kilometer entfernt, und bis der Krankenwagen da ist, wird wertvolle Zeit verstreichen. Doch der erfahrene Chefarzt wartet, überlegt und beginnt erst nach einigem Zögern mit der überlebensnotwendigen Hilfestellung für die blutende Mutter. Was ist nur in ihn gefahren? Woran denkt er in diesem seltsamen Moment zwischen Leben und Tod?

Schon der Einstieg in die Krankenhausserie „Doktor Ballouz“ ist ziemlich ungewöhnlich und von kleinen, gespensterhaften Momenten durchzogen. Dramaturgisch, aber auch durch ihre Besetzung ist sie meilenweit von trivialen Klinikdramen wie „In aller Freundschaft“ oder historischen Seifenopern à la „Schwarzwaldklinik“ entfernt. Die titelgebende Hauptfigur der zeitgemäßeren Arztserie bewusst anders angelegt. Mit all seinen netten Spleens und mitunter sehr kindgerechten Behandlungsmethoden, bei denen schon mal Stofftierhasen geröntgt werden, gleicht Ballouz so gar nicht den klassischen „Halbgöttern in Weiß“; er hat eine Katzenphobie, aber kein luxuriöses Luxuslandhaus, fährt jeden Tag mit seinem türkisfarbenen Trabbi zum Krankenhaus und unterhält sich nach Dienstsschluss am liebsten mit der Tankwartin Cindy (Barbara Philipp).

Arzt oder selbst Traumapatient?

Schon in der ersten von sechs Episoden steht Ballouz vor zahlreichen Kippmomenten sowie den Scherben seines Lebens. Nach dem tragischen Unfalltod seiner Frau (Clelia Sarto), die er selbst noch operierte, ehe sie einen tödlichen Hirnschlag erlitt, hatte er sich entgegen der Ratschläge seines Teams weitgehend isoliert und um eine berufliche Auszeit gebeten, die ihm offensichtlich nicht guttat.

Hat er in diesem psychisch angeknacksten Seelenzustand überhaupt noch das Zeug zum Chefarzt einer beschaulichen Klinik nahe der polnischen Grenze? Wie werden ihm die KollegInnen aufgrund seines persönlichen Unglücks fortan zwischen OP-Tisch und Krankenhausflur begegnen? Und machen ihn seine schmerzhaften Erinnerungen am Ende nicht selbst zum Traumapatienten?

Keine reißerische Melodramatik

In den zwischen Emotionalität und Melancholie mäandernden Drehbüchern von Conni Lubek, Kerstin Laudascher und Silja Clemens, die lose auf den realen Erlebnissen des gleichnamigen Arztes aus der Uckermark fußen (dokumentiert im Sachbuch „Deutschland draußen. Das Leben des Dr. Amin Ballouz, Landarzt“), steht kein strahlender Held. Vielmehr agiert im Zentrum der Handlung ein ehemaliger Geflüchteter, der zum Witwer wurde, mit seinem Beruf wie mit seiner tragischen Vergangenheit kämpft und keinesfalls jedes Leben rettet, was zu emotional anrührenden Momenten führt. In seinen formal-ästhetischen Inszenierungsmitteln scheut "Doktor Ballouz" weder Pathos noch große Gefühle, ohne jedoch in plumpe Rührseligkeit oder reißerische Melodramatik zu verfallen.

Das liegt zum einen an der leitmotivisch eingesetzten, zärtlich-melancholischen Musik von Boris Bojadzhiev sowie der schnörkellos-souveränen Bildgestaltung von Julian Landweer und Christof Wahl.

In den zwar erwartbaren, aber thematisch heterogenen Erzählungen der einzelnen Episoden, die tödliche Krebsdiagonosen, komplizierte Gespräche mit Hinterbliebenen über Organtransplantationen, aber auch wie die katastrophalen Folgen eines Unfalls in einer Erdölraffinerie umfassen, unterscheidet sich „Doktor Ballouz“ ebenfalls deutlich von belangloser Konfektionsware.

Kleine Gesten und Blicke prägen sich ein

In der märchenhaft überhöhten Grundatmosphäre dieser Serie sind es die kleinen Gesten und Blicke, die sich einprägen und dem ungleichen Ärzteteam um Ballouz Verve und Wärme verleihen, ohne kritische Szenen um Tod, Leid und Abschied künstlich zu kaschieren.

In der warmherzigen, wunderbar entschleunigten Serie ist alles auf den empathischen Arzt ausgerichtet. Merab Ninidze spielt die Figur mit leiser Melancholie im Blick, aber durchaus auch humorvollen Tönen angenehm zurückhaltend und überzeugend. Ergänzt durch ein pointiert gezeichnetes Darstellerensemble sowie eine Reihe gelungener Gastauftritte könnte sich diese Serie nicht nur in Corona-Zeiten zu einem Dauerbrenner entwickeln.

 

Ab dem 01.04.2021 in der ZDF-Mediathek. TV-Ausstrahlung im ZDF: ab dem 08.04.2021, jeweils am Donnerstag um 20:15 Uhr

 

 

 

 

Kommentar verfassen

Kommentieren