Abenteuer | USA 2023 | 122 Minuten

Regie: Marc Forster

Eine 15-jährige Jüdin kann sich während der deutschen Okkupation Frankreichs auf dem Hof eines Mitschülers verstecken. Die beiden Heranwachsenden freunden sich an und erschaffen sich in der Scheune einen magischen Sehnsuchtsort. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Versteck entdeckt wird. Die konventionelle Literaturverfilmung wird dem Leid der Figuren nicht gerecht, auch wenn Pathos und Sentimentalität weitgehend vermieden werden. Irritierend ist die lustvoll übertriebene Darstellung der Protagonistin als alter Frau, die den anderen Figuren die Show stiehlt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
WHITE BIRD: A WONDER STORY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
2DUX²/Lionsgate/Mandeville/Participant/Stillking
Regie
Marc Forster
Buch
Mark Bomback
Kamera
Matthias Koenigswieser
Musik
Thomas Newman · Mark Siegel
Schnitt
Matt Chesse
Darsteller
Ariella Glaser (Sara) · Helen Mirren (Großmutter Sara) · Gillian Anderson (Vivienne) · Orlando Schwerdt (Julien) · Bryce Gheisar (Julian)
Länge
122 Minuten
Kinostart
11.04.2024
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Abenteuer | Drama | Kriegsfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Konventionelle Literaturverfilmung um eine französische Jüdin, die sich als Heranwachsende auf dem Hof eines Mitschülers vor den Nazis versteckt.

Diskussion

Die 15-jährige Jüdin Sara (Ariella Glaser) wächst 1942 in dem kleinen französischen Ort Aubervilliers-aux-Bois glücklich und behütet auf. Doch die Nazis haben Frankreich besetzt; die Gefahr von Deportationen wächst. Eines Morgens durchsuchen deutsche Soldaten Saras Schule nach jüdischen Kindern. Sara kann sich nur mit Hilfe ihres gelähmten Mitschülers Julien (Orlando Schwerdt), mit dem sie zuvor kaum gesprochen hat, auf dem Hof seiner Eltern in einer Scheune verstecken. Monate vergehen. Sara erträgt die langen Tage und die kalten Nächte nur, weil Julien sich liebevoll um sie kümmert.

Die Scheune wird zu einem magischen Zufluchtsort. Die Jugendlichen schaffen sich darin ihre eigene Welt. Mehrmals sitzen beide in einem alten Auto und stellen sich bildlich vor, wie sie durch die Straßen von Paris und New York fahren. Dazu passt auch, dass der Junge in einem Kino arbeitet. Einmal läuft „Das blaue Licht“ von Leni Riefenstahl, aber auch Chaplins „Moderne Zeiten“ ist zu sehen. Später wird das Kino zerstört – der Traum ist vorbei. Sara muss zunehmend fürchten, entdeckt zu werden.

Die Geschichte eines Wunders

Diese Geschichte ist in eine Rahmenhandlung eingebettet, die in der Gegenwart in New York spielt. Julian wurde wegen Mobbings von seiner Schule verwiesen. Seine französischstämmige Großmutter Sara (Helen Mirren) ist eine gefeierte Künstlerin, der in Manhattan gerade eine Retrospektive gewidmet ist. Sie erzählt Julian ihre Geschichte, aus der er lernen soll. Das Voice-over von Helen Mirren lässt erahnen, dass der Film auf einer Buchvorlage beruht, geschrieben von R.J. Palacio. Darin geht es um ein Wunder; der Originaltitel des Romans „White Bird – A Wonder Story“ verweist darauf. Der Junge ist ein mathematisches Genie, während das Mädchen sehr gut zeichnen kann.

Regisseur Marc Forster schlägt Schneisen zu anderen Verfilmungen, in denen Jugendliche unter der Nazi-Herrschaft zu leiden hatten, zu „Der Junge im gestreiften Pyjama“ etwa, zu „Die Bücherdiebin“ oder „Das Tagebuch der Anne Frank“ von Hans Steinbichler. Seine Inszenierung versucht redlich, sich gegen die offensichtliche Botschaft – der weiße Vogel des Filmtitels steht für Hoffnung – und die übertriebenen Symbole des Buches zu wehren. Doch insgesamt ist sein Film zu glatt und zu schlicht, auch inszenatorisch zu konventionell und zu sauber. Einmal laufen Julien und Sara sechs Kilometer durch einen Abwasserkanal, ohne dass sie schmutzig werden. Auch die Frisur von Gillian Anderson, die Juliens Mutter spielt, sitzt immer perfekt. „White Bird“ wirkt wie kitschiges Ausstattungskino in Breitwand, dessen Bilder man wohl attraktiv finden soll. Doch dem Leid der Figuren wird der Film nicht gerecht.

Pathos und Sentimentalitäten in Grenzen

Immerhin gelingt es, Pathos und Sentimentalität in Grenzen zu halten und die Melodramatik der Geschichte nicht zu sehr zu forcieren, auch wenn Helen Mirren am Schluss eine theatralische Rede über Zusammenhalt und Menschlichkeit halten muss. Mit der übertrieben lustvollen Interpretation ihrer Rolle als Lebenskünstlerin überschreitet sie in ihrer Darstellung öfters die Grenze zur Karikatur und lenkt damit vom eigentlichen Thema des Films ab. Obwohl Mirren nur wenige Minuten auf der Leinwand zu sehen ist, stiehlt sie den anderen Darstellern die Show. Das darf man durchaus irritierend finden.

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