Horror | USA/Großbritannien 2023 | 125 Minuten

Regie: Gary Shore

Während einer Recherche für ein Buch über den als verwunschene Touristenattraktion in Los Angeles vor Anker liegenden Luxusliner „Queen Mary“ offenbaren sich einem Ehepaar die Gräueltaten, die dem Dampfer im Laufe seiner 85-jährigen Geschichte den Ruf eines Spukschiffes eingebracht haben. In überkompliziert verschachtelten Handlungssträngen erzählt der Horrorfilm zwei separate Geschichten, die sich gegenseitig allerdings Atmosphäre, Spannung und Sinnhaftigkeit rauben. Aus der konfusen Handlung ragt allein das prächtige, fantasievoll gestaltete und durch eine gute Kamera visualisierte Setting heraus. - Ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
HAUNTING OF THE QUEEN MARY
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Fulwell 73/Imagination Design Works/White Horse
Regie
Gary Shore
Buch
Gary Shore · Tom Vaughan · Stephen Oliver
Kamera
Isaac Bauman
Musik
Tiffany Ashton · Jason Livesay · Nolan Livesay
Schnitt
Colin Campbell
Darsteller
Alice Eve (Anne Caulder) · Lenny Rush (Lukas Caulder) · Joel Fry (Patrick Calder) · Dorian Lough (Captain Bittner) · Wil Coban (David Ratch)
Länge
125 Minuten
Kinostart
28.12.2023
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Horror | Mystery | Thriller
Externe Links
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Visuell überbordender Horrorfilm über den Luxusliner „Queen Mary“, auf der 1938 wie in der Gegenwart Unerklärliches passiert.

Diskussion

Ein großes Schiff auf dem Meer, ein monströses Geheimnis, eine Reihe illustrer Gäste und keine Chance, dem Unheil zu entrinnen. Das ist der Stoff, aus dem Genrefilme gemacht werden. Der britische Regisseur Gary Shore hat sich neun Jahre nach seinem Debütfilm „Dracula Untold“ zusammen mit seinem Co-Autor Stephen Oliver eines der berühmtesten Luxusliner der Seefahrtsgeschichte ausgesucht, um das Rätsel des Passagierdampfers „Queen Mary“ zu lüften.

Alles beginnt mit einem Prolog, der aus Genrefilmen scheinbar nicht mehr wegzudenken ist. Der Schwenk über das glatte Meer beim Sonnenuntergang macht Platz für die Jahresziffern 1938. Ein Schiff in Titanic gleicher majestätisch-ruhiger Fahrt. Hell erleuchtet, mit drei rauchenden Schornsteinen, spielenden Kinder und Erwachsenen, die in Abendgarderobe die Decks bevölkern. „Haben Sie’s schon gehört? Irgendwas mit der Maschine!“ Es ist Halloween. Matrosen teilen Schwimmwesten aus.

Ein Sprung in der Zeit

Tief im Bauch des Dampfers klopft ein Offizier an die geöffnete Tür von Kabine B-474. Eine Familie und andere Menschen liegen blutüberströmt im Bad. „Anscheinend hat der Vater eine Axt benutzt. Der Wahnsinnige hat seither nicht aufgehört, vor sich hin zu pfeifen. Und das junge Mädchen? Wir suchen noch nach ihr“. Auf der Tonspur hört man neben dem Stimmengewirr aus dem Off eine scheinbar falsch gestimmte Spieluhr und ein Kinderlied sowie schreiende Geigen. Offensichtlich befindet man sich in einem Horrorfilm.

Mit der Einblendung „Früher am Abend“ springt der Film in die Zeit zurück, in der sich das Drama anbahnt. Eine dreiköpfige Familie aus der dritten Klasse schleicht sich auf die Halloween-Party der ersten Klasse. Doch trotz stimmiger Kostümierung geht dieser Ausflug schief.

Dann folgt ein abrupter Szenenwechsel mitten in der Party, der dank eines modernen Autos, der Kleidung und der iPads in der Jetztzeit verortet werden muss. Der kleine Lukas (Lenny Rush) fährt mit seiner Mutter Anne (Alice Eve) zur „Queen Mary“, die nach „diversen Vorkommnisse“ ausgemustert wurde und als Touristenattraktion in Los Angeles vor Anker liegt. „Mum, warum sind Geister immer ortsansässig?“ Beide treffen an Bord auf Patrick (Joel Fry), der nicht der leibliche Vater von Lukas ist; gemeinsam wollen sie sich hier einen Job sichern. Es geht um ein Buch über das verfluchte Schiff, und zwar aus Sicht eines Kindes. Während sich „Vater“ und Sohn einer Führung durch das gut besuchte Schiff anschließen, trifft sich Anne mit dem Security-Chef Charles Bittner (Dorian Lough), um Details ihres Vorhabens zu besprechen.

Nach einem Schnitt geht es aber in der Vergangenheit weiter. Ein Kapitän hat ein Disput mit seinen Offizieren wegen der zu hohen Geschwindigkeit. Schnitt. Die Führung mit Lukas und Patrick führt in den Bauch des Schiffes, wo der Junge den Anschluss zur Gruppe verliert. Schnitt. Anne trifft Charles Bittner. Schnitt. Lukas geht in Irre. Schnitt. Die Offiziere sind besorgt wegen des Antriebskessels. Schnitt. Lukas verirrt sich weiter. Anne und Bittner unternehmen eine eigene Tour durchs Schiff.

Wohin führt das alles

Nach einer knappen halben Stunde hat es die Inszenierung geschafft, die Zuschauer komplett zu verwirren. Von der Eingangsgeschichte wird erst wieder erzählt, wenn das Ehepaar Calder den Job erhalten hat und (ohne ihren Sohn) auf die „Queen Mary“ zu weiteren Recherchen zurückkehrt. Das Schiff ist dann wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Das Paar ist allein an Bord.

Die Handlung entfaltet sich dabei nicht nur auf zwei Zeitebenen entfaltet, sondern teilt sich dort in mindestens je zwei Erzählstränge auf. Woher das Böse im Schiff stammt und ob es überhaupt eine Rolle spielt, wird dabei aber nicht aufgeklärt. Denn zurück auf der Party in der Halloween-Nacht 1938 wird lang und breit erzählt, wie sich der Vater David Ratch (Wil Coban) mit einem Produzenten am Nebentisch anlegt, weil der seine Tochter Jackie Ratch (Florrie May Wilkinson) nicht engagieren will. Als dabei die Maskerade auffliegt und David und seine Frau Gwen (Nell Hudson) des Saales verwiesen werden, bleibt Jackie zurück, um ausgerechnet von Fred Astair (Wesley Alfvin) zu einer – umjubelten – Stepp-/Gesangs-Showeinlage aufgefordert zu werden. Parallel dazu erleben Anne und Patrick in der Jetztzeit haarsträubende Begegnungen der dritten Art auf der „Queen Mary“.

Wenn es sich bei der Handlung um ein „Whodunit“ handeln und ein Detective vom Schlage eines Hercule Poirot irgendwann die illustren Gäste auf dem Schiff versammeln würde, um alles aufzuklären, was einem an scheinbar Zusammenhanglosem vorgesetzt wurde, besäße der Film vielleicht einen finalen Reiz. Doch „The Queen Mary“ ist ein Horrorfilm, irgendwo zwischen „Shining“ und „Tanz der Teufel“, bei dem die Inszenierung alles unternimmt, um die in Ansätzen durchaus vorhandene unheimliche Stimmung durch ein verkopftes Andeutungskino radikal zu entzaubern. Paradoxerweise wird einem aber weder Hercule Poirot noch der Wikipedia-Eintrag zum Schiff zur Hand gegeben, die erklären könnten, was es mit dem Schwimmbad, der Familientragödie oder der Kabine B-474 auf sich hat.

"The Queen Mary - No Escape!"

Denn während der Regisseur die Vermittlung der Geschichte komplett aus den Augen verliert, kümmert er sich geradezu liebevoll darum, die wunderbar eingefangenen optischen Spielereien miteinander zu verknüpfen. Ein rotes Licht in einem Bullauge fungiert genauso als Übergang zwischen den Zeitebenen wie der Tritt über eine Schwelle. Schwenks werden 85 Jahre später zu Ende geführt und Dialogfragmente an anderen Orten aufgenommen. Der überbordend ausgestattete und artistisch montierte Film bleibt visuell immer im Fluss, ohne dass man die Handlung entschlüsseln könnte.

Wenn man den Film zwischendurch anhalten könnte, würde man immer wieder auf Werbeplakate aufmerksam werden, auf denen „Jeder kann ein Opfer sein“ steht. Denn „The Queen Mary“ macht nur Sinn, wenn man den Film ein zweites Mal sieht oder besser noch analysiert und seine kontraproduktiven Verschachtelungen chronologisch ordnet. Das ist für ein Kinoerlebnis aber kontraproduktiv, weshalb der seine Zuschauer bereits in den ersten Minuten verliert und zum Ende genervt hinterlässt, da die Handlungsfragmente zu einem großen Malstrom verwirbelt werden, in dem man buchstäblich nicht mehr oben von unten unterscheiden kann. Auf einem anderen Werbeschild prangt der Satz: „The Queen Mary – No Escape“! Wie treffend!

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