Schnee (2023)

Mystery | Österreich/Deutschland 2023 | 270 (sechs Folgen) Minuten

Regie: Catalina Molina

Eine vierköpfige Familie zieht aus Wien in einen Bergort in den Südtiroler Alpen, in dem der Ehemann und Vater aufwuchs; vom der Höhenluft erhofft sich die Familie Linderung fürs Asthmaleiden der Tochter. Doch dann wird das Mädchen von einer unheimlichen Erscheinung besucht und scheint eine seltsame Verbindung zu dem Berg, der über dem Ort thront, zu entwickeln; schuldhafte Verstrickungen aus der Vergangenheit kommen an die Oberfläche, und ein geplantes Gondelbau-Projekt sorgt für Konflikte. Eine atmosphärische Mystery-Serie, die elegant Familiendrama, sanften Grusel und Öko-Thriller verbindet und dabei durch gute Darsteller ebenso besticht wie durch die suggestive Bildsprache. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SCHNEE
Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Primary Pic./X-Filme
Regie
Catalina Molina · Esther Rauch
Buch
Kathrin Richter · Jürgen Schlagenhof · Michaela Taschek
Kamera
Leah Striker
Musik
Giorgio Giampà
Schnitt
Karin Hammer · Cordula Werner
Darsteller
Brigitte Hobmeier (Lucia Salinger) · Robert Stadlober (Matthi) · Maria Hofstätter (Maria Hofer) · Karl Fischer (Bruno Hofer) · Laeni Geiseler (Alma)
Länge
270 (sechs Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Mystery | Serie | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Eine Mysteryserie um eine Familie, die in ein Bergdorf in den Südtiroler Alpen zieht und dort in Unheimliches verwickelt wird.

Diskussion

Sie hätte noch nie so viele Sterne gesehen, sagt Lucia (Brigitte Hobmeier) am ersten Abend, den sie im neuen Heim der Familie im Tiroler Bergdorf Rotten verbringt. Der Himmel scheint näher, die Luft ist klarer in dieser Höhe – und letzteres ist auch der Grund dafür, warum Lucia, ihr Mann Matthi (Robert Stadlober) und ihre Kinder Alma (Laeni Geiseler) und Jonas (Paolo Di Sapia) von Wien in das malerische alte Bauernhaus in dem Alpenort gezogen sind. Alma leidet an schweren Asthma-Anfällen, und von der guten Bergluft erhofft sich die Familie eine Linderung der Beschwerden. Außerdem ist Rotten Matthis Heimatort; seine Eltern leben noch hier, betreiben ein nobles Hotel und sind hocherfreut, dass der „verlorene Sohn“ und seine Lieben nun ganz in ihrer Nähe wohnen.

Im Schatten des Muttstein

Das klingt alles bestens – und doch will sich der Eindruck eines Bergidylls in der Miniserie, die unter anderen von der Filmemacherin Barbara Albert mitentwickelt und von Catalina Molina und Esther Rauch inszeniert wurde, nicht einstellen. Daran, dass die Alpen längst keine heile Welt mehr sind, erinnert schon Almas Frage bei der Anreise nach Rotten, wo denn der erwartete Schnee sei, und später das wie ein Leitmotiv immer wieder irgendwo an die Oberfläche tretende, herabrieselnde Wasser, das an Gletscherschmelze und Klimakrise denken lässt. Da sind die Wolken, die etwas zu schwer auf den majestätischen Muttstein hoch über Rotten und auf die bewaldeten Hänge drücken. Da ist dieser renitente Schimmelfleck im neuen Domizil der Familie, der jedem Reinigungsversuch trotzt. Da sind Tiere – ein Steinbock, ein Wolf – die plötzlich auftauchen und die Menschen unverwandt ansehen, als wollten sie ihnen etwas mitteilen. Und da ist schließlich eine unheimliche Erscheinung, die Alma besucht und ihr einen Ring gibt – und die sich später als die einer in den 1980er-Jahren am Muttstein verschollenen jungen Frau entpuppt.

Etwas stimmt nicht in Rotten. Das Schmelzen des Eises am nahen Berg und Almas Visionen bringen Verdrängtes an die Oberfläche, schuldhafte Verstrickungen. Alma scheint auf mysteriöse Weise mit dem Berg, dem sagenumwobenen Muttstein, verbunden zu sein. Eine alte Nachbarin, die Mutter der einst am Berg verschwundenen Frau, stößt diffuse Warnungen aus. Und eine junge Frau aus dem Ort macht sich gegen Pläne von Matthis Vater stark, der mit einer neuen Gondelbahn zum Muttstein den Tourismus wieder ankurbeln will, was der größere Teil der Gemeinde als Notwendigkeit ansieht, um den Niedergang ihres Ortes zu verhindern. Zugleich wäre es aber ein drastischer Eingriff in die Natur und ignoriert zudem die Veränderungen, die im Zug der Klimakrise zu erwarten sind.

Im Familiengefüge tun sich Spannungen auf

Elemente des Familiendramas, des Öko-Thrillers und der Mystery verbinden sich in „Schnee“ zu einer fesselnden, homogenen Mischung. Als Anker-Figur fungiert dabei die von Brigitte Hobmeier eindringlich gespielte Lucia, die als Ärztin eine Frau der Ratio ist und zunächst entsprechend ablehnend und irritiert regiert, als mit ihrer Tochter etwas vor sich zu gehen scheint, was eventuell wissenschaftlich nicht zu erklären ist – was einen Bruch in die an sich höchst liebevolle Mutter-Tochter-Beziehung zu treiben droht. Weitere Spannungen tun sich zwischen Lucia und ihrem Mann Matthi auf. Während dieser mit dem Umzug nach Rotten in das Beziehungsnetzwerk zurückkehrt, in dem er aufgewachsen ist, ist Lucias Blick auf den Ort und seine Menschen der unvoreingenommene einer Außenseiterin. Als klar wird, dass es in Rotten dunkle Geheimnisse gibt, drohen die beiden an unterschiedliche Fronten des daraus erwachsenden Konflikts zu geraten – zwischen denen, die die Vergangenheit ruhen lassen wollen, und denen die nach Aufklärung verlangen.

Neben den guten Darstellern trägt nicht zuletzt die Kameraarbeit von Leah Striker zum Gelingen der Serie bei. Ihren Bildern gelingt es auf suggestive Weise, die Landschaft – gedreht wurde im Südtiroler Schnalstal – zum prägenden Mitspieler zu machen und eine Haltung zu ihr zu finden, in der Bewunderung für die schiere Schönheit, Liebe, aber auch Scheu und Schaudern angesichts der unberechenbaren Kräfte, die der Natur auch im Anthropozän noch innewohnen, zusammenfinden.

Kommentar verfassen

Kommentieren