- | USA/Großbritannien/Frankreich 2008 | 122 Minuten

Regie: Ron Howard

Spielfilm um ein Interview, das der amerikanische Ex-Präsident Richard Nixon 1977 dem Talkmaster David Frost gab und in dem er reuig eingestand, mit seinen Vertuschungsversuchen im Zuge der Watergate-Affäre sein Land im Stich gelassen zu haben. Ebenso unterhaltsam wie dramaturgisch geschickt entwickelt sich das Aufeinandertreffen der Männer als sportlicher Wettstreit zwischen grundverschiedenen, in ihrem Ehrgeiz aber durchaus ähnlichen Männern. Dabei haben sich Regie und Drehbuch gegenüber den historischen Fakten so viele Freiheiten genommen, dass die Zeichnung der Figuren und die Bewertung der historischen Bedeutung des Interviews die Wirklichkeit verzerrt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
FROST/NIXON
Produktionsland
USA/Großbritannien/Frankreich
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Imagine Ent./Relativity Media/Studio Canal/Working Title Films
Regie
Ron Howard
Buch
Peter Morgan
Kamera
Salvatore Totino
Musik
Hans Zimmer
Schnitt
Daniel P. Hanley · Mike Hill
Darsteller
Michael Sheen (David Frost) · Frank Langella (Richard Nixon) · Kevin Bacon (Jack Brennan) · Rebecca Hall (Caroline) · Toby Jones (Swifty Lazar)
Länge
122 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen dt. untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs, ein interessantes "Making Of" (23 Min.) sowie ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (22 Min.).

Verleih DVD
Universal (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Universal (16:9, 2.35:1, dts engl./dt.)
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Diskussion
Drei Jahre, nachdem Watergate Richard Nixon zur Amtsniederlegung gezwungen hatte, ließ sich der amerikanische Ex-Präsident mit viel Geld dazu überreden, dem britischen Talkmaster David Frost ein langes Interview zu geben. 1977 lockte das ein Millionenpublikum vor die Fernseher, weil Nixon darin zerknirscht gestand, mit seinen Vertuschungsversuchen das amerikanische Volk im Stich gelassen zu haben. In den vergangenen Jahren wurde Peter Morgans Theateradaption dieses Fernsehereignisses sehr erfolgreich in Großbritannien und den USA aufgeführt, doch für eine Hollywoodverfilmung bot sich ein so dialoglastiges, handlungsarmes Thema dennoch kaum an. Weshalb es nun umso erstaunlicher ist, welch kurzweilige Kinounterhaltung „Frost/Nixon“ zwei Stunden lang bietet. Indem sie immer wieder Referenzen auf Boxkämpfe einstreuen, legen Morgan, der das Drehbuch schrieb, und Regisseur Ron Howard es nahe, das Aufeinandertreffen der Titelfiguren wie einen sportlichen Wettstreit zu betrachten. Mit wenigen sicheren Strichen werden der geschmeidige Playboy Frost und der verbitterte, im zwischenmenschlichen Umgang notorisch plumpe Nixon als spiegelbildliche Antipoden gezeichnet, die mehr verbindet, als sie auf den ersten Blick trennt. Wenn die Kamera zeigt, dass die Kaffeetassen, die Nixon im kalifornischen Exil benutzt, das Wappen des US-Präsidialamtes schmückt, spricht das Bände darüber, wie sehr sich der Mann ins Zentrum der Macht zurück sehnt. Frost gesteht wiederum in wenigen eindrucksvollen Sätzen eine ähnliche Sehnsucht nach dem Rampenlicht, aus dem ihn die Absetzung seiner Talk Show vertrieben hat. Und in einem nächtlichen Telefonat spekuliert Nixon schließlich, dass beide im Innersten durch jene herablassenden Demütigungen motiviert seinen, denen sie als soziale Emporkömmlinge durch das Establishment – den Kennedys und Rockefellers beziehungsweise versnobbten britischen Aristokraten – ausgesetzt waren. Dieser unvermittelte Anruf fungiert als zentraler dramatischer Wendepunkt, der den leichtgewichtigen Showman Frost endlich anspornt, sich mit dem nötigen Ernst auf den letzten Termin der gestaffelten Interviewaufzeichnungen vorzubereiten. Doch so stimmig sich die Szene ins gut geölte dramaturgische Gefüge des Films einpasst, so sehr verweist sie doch auch auf das Grundproblem von „Frost/Nixon“: Denn der Anruf ist eine reine Fiktion und nur ein Beispiel für die Freiheiten, die sich Morgan und Howard im Umgang mit den historischen Tatsachen nehmen. Eine dramatische Unterbrechung, die während der Aufzeichnung folgt, hat (zumindest in dieser Form) nie stattgefunden, und ein Vergleich mit der unlängst auf DVD veröffentlichten authentischen Interviewsendung von 1977 macht klar, wie sehr die Filmemacher den Gesprächsverlauf dramatisch zugespitzt haben. In den USA meldeten sich denn auch kritische Stimmen zu Wort, die einwarfen, dass „Forst/Nixon“ (und das Theaterstück) die Bedeutung des Ganzen stark übertrieben, weil das Interview, abgesehen von der Quote, kein nennenswertes zeitgenössisches Medienecho gefunden habe. Wie dem auch sei, zeigt dieser Film jedenfalls die Grenzen jener spekulativen Fortschreibung politischer Fakten auf, die Morgan zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Die Spekulationen, die seinem Drehbuch zu „The Queen“ (fd 37 965) oder zu dem Fernsehfilm „The Deal“ (2002) zugrunde lagen, waren dadurch legitimiert, dass man die konkreten Worte und Taten der Protagonisten unmöglich kennen konnte, obwohl über alle Beteiligten regelmäßig in der Zeitung zu lesen ist. Während der Watergate-Skandal eine unüberschaubare Dokumentenmenge produzierte, ist das öffentliche Bild Nixons dagegen zunehmend von fantasievollen Filmen Oliver Stones „Nixon“ (fd 31 795) oder jetzt „Frost/Nixon“ geprägt. Und obwohl Morgan seine Bühnenvorlage als „Verbeugung“ vor Frost beschreibt, räumt er freimütig ein, dass die Materiallage auch eine gegenteilige Darstellung der Ereignisse erlaubt hätte. Demnach könnte die öffentlich vorgetragene Zerknirschung Nixons durchaus kühl kalkuliert gewesen sein, um das Publikumsinteresse für den Film zu maximieren. Ein wissenschaftlicher Berater Frosts, der in einer im Stile eines Dokumentarfilms gehaltenen Rahmenhandlung eine historische Einordnung des Interviews anbietet, hält dem Talkmaster zu Beginn vor, dass es ein „Verbrechen“ wäre, wenn die Sendung Nixon in den Augen der Nachwelt rehabilitieren würde. „Frost/Nixon“ rehabilitiert den Ex-Präsidenten zwar nicht, doch die Darstellung Frank Langellas und die Worte, die Morgan ihm in den Mund legt, verleihen ihm doch eine tragische Größe, die deutlich mehr Sympathie weckt als Frosts glatter Charme.
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