Das Uhrwerk in uns - Cyril Schäublin

Der Schweizer Filmemacher Cyril Schäublin entwirft Gesellschaftsporträts der ungewöhnlichen Art: Menschen erscheinen bei ihm oft nur an den Rändern der Einstellungen, während Architektur und Landschaft den Fokus einnehmen. Nach seinem Zürich-Film „Dene wos guet geit“ (2017) ist sein zweiter Spielfilm „Unruh“ (ab 5.1. im Kino) ein Historiendrama über ein Uhrmacherstädtchen um 1870, in dem Arbeiter, Unternehmer und Anarchisten aufeinandertreffen. Ein Gespräch über Nebenschauplätze, Geister vor Fabriktoren und kapitalisierte Liebe.

Von Karsten Munt

Trauma und Erinnerung - Isaki Lacuesta über „Frieden, Liebe und Death Metal“

Isaki Lacuesta ist einer der vielseitigsten und experimentierfreudigsten spanischen Gegenwartsregisseure. Realismus verbindet sich bei ihm mit einem starken Willen zur stilistischen Überhöhung. Sein jüngster Film „Frieden, Liebe und Death Metal“ kreist um den Anschlag auf den Musikclub Bataclan im Jahr 2015 und die seelischen Nachwirkungen für die Überlebenden; der Film startet am 15. Dezember in den deutschen Kinos.

Von Wolfgang Hamdorf

Heimatloses Chamäleon - Pola Beck

Die Regisseurin Pola Beck hat mit „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ (seit 3.11. im Kino) ihren zweiten Spielfilm realisiert. Für die Geschichte einer russisch-jüdisch-aserbaidschanischen Kosmopolitin, die sich jeder Form von Verpflichtung entziehen will, hat sie mit Aylin Tezel erneut ihre Hauptdarstellerin aus ihrem Debüt „Am Himmel der Tag“ besetzt. Ein Gespräch darüber, warum diese Entscheidung alternativlos war, über den Umgang mit fremden Stoffen und die Rastlosigkeit der jungen Generation.

Das Gespräch führte Michael Ranze

Im Wartezustand - Hans-Christian Schmid

Als Regisseur hat sich Hans-Christian Schmid vor allem mit seinen subtilen Erforschungen von Familienbünden einen Namen gemacht. Auch sein neuer Film „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ (ab Donnerstag im Kino) nähert sich seinem Thema, der Entführung des Sozialforschers Jan Philipp Reemtsma, über die Perspektive seiner Familie, insbesondere des jugendlichen Sohnes. Ein Gespräch über Ohnmacht, Außen- und Innenperspektiven und die Reduktion typischer Krimi-Elemente.

Von Michael Ranze

In die Falle gelockt - Ruben Östlund

Mit seiner sarkastischen Satire „Triangle of Sadness“ hat der schwedische Regisseur Ruben Östlund 2022 schon zum zweiten Mal die „Goldene Palme“ in Cannes gewonnen. Mit süffisantem und derbem Witz setzt er in seinem Film eine dekadente reiche Gesellschaft in Szene, die in obszönem Luxus schwelgt, bis sie ein böses Erwachen erlebt. Ein Gespräch über Ökonomie und Sexualität, das Spiel mit Erwartungen und die Gefahr absurd übersteigerter Ichbezogenheit.

Das Gespräch führte Michael Ranze

Ja, die Liebe - Ulrich Seidl

Der neue Film von Ulrich Seidl, „Rimini“, sorgt derzeit für Aufregung, weil der zweite Teil des Diptychons mit dem Titel „Sparta“ unter Bedingungen entstanden sein soll, die einen Missbrauch von Kinderdarstellern suggerieren. Der schmale Grat zwischen Authentizität und Ekel bestimmte schon immer das Kino des österreichischen Filmemachers, in dem es keine bequemen Eindeutigkeiten oder klare Zuweisungen von Gut und Böse gibt.

Von Simon Hauck

Gebrochen wie das Land - Aelrun Goette

In ihrem Film „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ bringt die Filmemacherin Aelrun Goette die in der DDR-Rezeption bislang kaum wahrgenommene Kombination Mode, Osten & Glamour zusammen. Ihre autobiografisch geprägte Geschichte kreist um eine junge Frau, die auf der Straße als Mannequin entdeckt wird und in die schillernde Mode-Avantgarde um die Zeitschrift „Sibylle“ gerät. Ein Gespräch über spannende Lebenswege, schräge Buntheit im Alltag und die Liebe zu Schönheit und Kreativität.

Von Michael Ranze

Die Kraft des Kollektivs - Louis-Julien Petit

Dem französischen Regisseur Louis-Julien Petit gelang schon mit seinem warmherzigen Spielfilm „Der Glanz der Unsichtbaren“ ein großer Publikumserfolg. Mit seiner neuen Sozialkomödie „Die Küchenbrigade“ (jetzt im Kino) knüpft er daran an. Nach einem wahren Vorbild motiviert darin eine Kantinenchefin jugendliche Migranten für die Kunst des Kochens. Ein Gespräch über moderne Helden, Mannschaftsgeist und die Stärken einer Sozialkomödie.

Das Gespräch führte Jörg Taszman

Zwischen zwei Welten - Annika Pinske

In ihrem ersten Spielfilm „Alle reden übers Wetter“ erzählt die Regisseurin Annika Pinske von einer Philosophie-Dozentin zwischen akademischer Sphäre und dem kleinstädtischen Arbeitermilieu, in dem sie aufgewachsen ist. Die 1982 geborene Filmemacherin greift auf eigene Erfahrungen wie auch auf soziologische Schriften zurück. Ein Gespräch über Ungleichheit, Ost und West, Männer und Frauen und wie sich Klischees vermeiden lassen.

Von Wolfgang Hamdorf

Chronik eines Verschwindens - Carla Simón

Schon ihr Filmdebüt „Fridas Sommer“ heimste viele Preise ein, unter anderem den Nachwuchspreis der „Berlinale“. Mit dem Nachfolger „Alcarrás“ setzte die Spanierin Carla Simón noch eins drauf und gewann in diesem Jahr den „Goldenen Bären“. Jetzt läuft der Film in den deutschen Kinos. Den Preis widmete sie „den Menschen, die auf dem Land hart arbeiten, damit wir Lebensmittel bekommen. Mit diesem Film möchte ich meinen Respekt für ihre Arbeit ausdrücken.“

Das Interview führte Wolfgang Hamdorf