Als
Filmkritikerin nahm die am 19. Juni 1919 geborene Pauline Kael nicht nur in den
USA eine Ausnahmestellung ein: Statt sich einer Filmtheorie zu verschreiben, näherte
sie sich dem Kino mit hochpersönlichen Vorlieben, die sie in geschliffenen
Texten formulierte. Kontroverse Positionen zu geschätzten Werken entstanden
dabei ebenso wie Hymnen auf umstrittene Filmemacher, mit denen sie vielen
jungen Regisseuren zum Durchbruch verhalf. Würdigung einer zeitlebens
Unangepassten.
„Sie trampeln mit Cowboystiefeln
durch diese Seiten. Gehen Sie!“ (Leserbrief an Pauline Kael während
ihrer Zeit beim „New Yorker“)
Pauline
Kael ist ein großer Name der Filmkritik. Die vor einem Jahrhundert geborene
Autorin vereint die künstlerischen, würdevollen und unbestechlichen
Ansatzpunkte der Filmkritik mit den bösartigen, manipulativen und
machtbesessenen Tendenzen der Branche. Sie ist so faszinierend wie
widersprüchlich, gleichermaßen sprachlich klar und persönlich undurchdringlich,
dass man nicht anders kann, als sie immer wieder zu lesen. Wie an einer
eigentlich unerwünschten Sendung im Fernsehen kann man an ihren Texten hängenbleiben.
Manchmal vor allem deshalb, weil man nicht einverstanden ist, aber sich wundert,
wie gut sie trotzdem argumentiert und vor allem, wie lustig und unterhaltsam
sie schreibt.
Hat
man einmal mit dem Lesen begonnen, setzt sich ihre Stimme fest; man sieht die
beschriebenen Filme noch einmal, nur dieses Mal sieht man sie anders, sieht
mehr. Man fühlt sich provoziert, inspiriert, irritiert. Man hasst sie und man
muss viel lachen. Manchmal kann man gar nicht glauben, wie hart, ja
untergriffig sie schreiben konnte. Ein Beispiel dafür findet sich in ihrem Text
zu Werner Herzogs „Fitzcarraldo“. Darlegend, dass Herzog behauptete,
er wäre nur einmal in seinem Leben in einer Oper gewesen und es hätte ihm nicht
gefallen, schreibt Kael in Klammern: „Man stelle sich den Zuschauer vor, dessen
erster Film ‚Fitzcarraldo‘ ist.“
Texte, die eine Reaktion
erzwingen
Ihr
Schreiben löst immer etwas aus. Enthusiastische Zustimmung oder vehementen
Widerspruch. Es gibt kaum einen Text von Kael, zu dem man sich nicht positionieren
müsste. Daraus entstand über die Jahre das Bild einer äußerst widersprüchlichen
Autorin. Wie so oft gibt es zu viele, die nur wenige Texte kennen und sich
trotzdem eine Meinung über die Person bilden. So wird gerne behauptet, dass sie
Trashfilme der hohen Kunst vorgezogen habe. Das ist eine gewagte These für eine
Autorin, die große Würdigungen für Ingmar Bergman oder Jean Renoir
geschrieben hat. Vielmehr ging es Kael darum, das Kino vor der Akademisierung
zu retten. In vielen Texten sah sie das voraus, was heute Realität ist. Eine
Spaltung des Kinos zwischen Kunst und Kommerz, die letztlich in eine
Elitarisierung mündet. Sie beschrieb beispielsweise „Hiroshima, mon amour“ von Alain Resnais als eine
Arthouse-Fantasie für die Elite. Ein Film, der genau wie die US-amerikanischen
Filme etwas verkaufen