© imago/United Archives ("Abenteuer auf hoher See"

Der Laurel-&-Hardy-Archipel: Zwei Bücher über die unsterblichen Komiker

Von den beiden „Dick & Doof“-Experten Rainer Dick und Norbert Aping sind neue, spannende Bücher über das unsterbliche Komiker-Paar erschienen

Veröffentlicht am
04. März 2024
Diskussion

Anfang der 1920er-Jahre standen Stan Laurel und Oliver Hardy erstmals gemeinsam vor der Kamera. Doch nicht einmal sie hätten sich träumen lassen, dass aus den beiden Schauspielern das zeitlose Komiker-Paar „Dick & Doof“ werden würde. Zwei spannende neue Bücher spüren mit vielen bislang unbekannten Details ihrem Geheimnis nach.


Irgendwann zwischen 1920 und 1921 begegneten sich Stan Laurel und Oliver Hardy bei den Dreharbeiten der Stummfilmgroteske "Lucky Dog" zum ersten Mal. „Unsere gemeinsamen Szenen wurden sehr schnell gedreht“, erinnerte sich Laurel später. Wir hätten beide nicht im Traum daran gedacht, dass wir uns jemals wiedersehen würden, geschweige denn, dass wir Partner werden würden.“ Der füllige, zunächst auf Bösewichter abonnierte Hardy hatte schon in über 100 Filmen mitgespielt; für Laurel war „Lucky Dog“ einer seiner ersten Filmauftritte. Erst als die beiden 1926 beim Produzenten Hal Roach unter Vertrag standen, formierten sie sich zum Komiker-Paar. Mit Hardy als pompöser, nur bis zum nächsten Fettnäpfchen respektabler Vaterfigur und einem infantil und destruktiv agierenden Laurel steigerten sie drei Jahrzehnte lang von Film zu Film ihre Popularität – und sind dank ihres zeitlos erscheinenden Stils, der verlustfrei auch in der Tonfilmzeit funktionierte, bis heute unvergessen.

Laurel & Hardy.Sehr viel mehr als dick und doof“ ist nicht das erste Buch, das der Journalist Rainer Dick über das Gespann veröffentlicht. 1995 erschien sein erstes Buch über Laurel & Hardy, damals die erste Biografie in deutscher Sprache. 2015 widmete Dick den Komikern ein weiteres Buch über deren bewegtes Privat- und Eheleben. Auch in dem neuen, sehr lesenswerten Band geht es – im ersten Teil – um Laurel und Hardy jenseits des Studios, um zwei Männer, die privat eher getrennte Wege gingen, obwohl die Hollywood-Publicity einen anderen Eindruck zu erwecken versuchte. Oliver Hardy (1892-1957) hatte kein Problem damit, sich als Darsteller von Laurel beraten und dirigieren zu lassen und verbrachte seine Freizeit am liebsten auf dem Golfplatz. Er soll ein hervorragender Golfspieler gewesen sein.


Der Kopf hinter dem Duo

Stan Laurel (1890-1965) war hinter der Kamera weit aktiver als sein Kollege, indem er darauf bestand, chronologisch zu drehen und er auch weitgehend die Kontrolle über die Inszenierung übernahm, egal, wer nominell jeweils als Regisseur eingesetzt war. Sowohl Laurel als auch Hardy machten immer wieder Schlagzeilen mit Eheproblemen und Alkoholismus. „Als Ehemann war der Komiker eine glatte Fehlbesetzung, während Lois den hysterischen Nervenbündeln seiner Filme immer ähnlicher wurde“, liest man bei Rainer Dick über Stan Laurel und seine erste Ehefrau Lois Neilson. Sie ließen sich 1935 scheiden. Laurel heiratete danach noch vier Mal. Ehefrau Nummer fünf, die russische Sängerin und Schauspielerin Ida Kitaeva, die bis zu Laurels Tod bei ihm blieb, wurde in dem Biopic „Stan & Ollie“ (mit Steve Coogan und John C . Reilly als Komikerduo) dank Nina Arianda zu einer eindrucksvollen Leinwandfigur.

Oliver Hardy (l.) und Stan Laurel in "Dick und Doof - Die Leibköche seiner Majestät" (imago/Everett Collection)
Oliver Hardy & Stan Laurel in "Dick und Doof - Die Leibköche seiner Majestät" (imago/Everett Coll.)

Auf rund 100 Seiten widmet sich der zweite Teil des Buchs der Komik von Laurel & Hardy – und vermittelt eine Ahnung davon, wie schwer der zwischen Derbheit und Subtilitäten oszillierende Humor dieser beiden Jahrhundertkomiker herzustellen war. Im Kapitel „Lange Leitung“ analysiert Dick den berühmten „Slow Burn“ in ihren Filmen, einer sehr speziellen, schleichende Eskalation der Auseinandersetzungen inklusive langen Momenten der Fassungslosigkeit, während der Stan, Ollie oder ein Gegenspieler (vorzugsweise der köstlich-grimmige James Finlayson) einen heftigen Schlag mit einem Haushaltsgegenstand oder einen Piekser ins Auge mental verarbeiten müssen. „Der eigentliche Meister des Slow Burn (…) ist Oliver Hardy“, schreibt Dick, „der die absurdesten Sachverhalte als völlig selbstverständlich akzeptiert, in seinen jeweiligen Verrichtungen fortfährt und erst nach einigen Sekunden den wahren Gehalt des Gesehenen oder Gehörten erkennt.“

Selbstverständlich widmet sich Dick auch Stan Laurels „Spezialität“ saukomischer Weinkrämpfe sowie den Filmfrauen („ebenso grausam wie grauenerregend“), den kindlichen Verhaltensmustern des Paars, der Bedeutung von Musik, Instrumenten und Tanz für Laurel & Hardy sowie Surrealismus und Fantastik, die in ihren Filmen eine nicht geringe Rolle spielen.


„Dick und Dof im Sündenpfuhl“

In der Bibliografie auf den letzten Seiten des Buches findet sich eine Fülle weiterer Bücher internationaler Autorinnen und Autoren zu Laurel & Hardy, die nicht selten im Eigenverlag veröffentlicht wurden. Norbert Aping dankte Rainer Dick, „meinem Geistesbruder in Sachen Komik“, sogar ausdrücklich am Anfang seines Buches „Das kleine Dick-und-Doof-Buch“, das in einer aktualisierten und ergänzten Neuauflage eben erschienen ist. Das erstmals 2014 publizierte Taschenbuch basierte auf dem gebundenen „Dick-und-Doof-Buch“ von 2004. Reflexhaft mag man sich über den Titel ärgern, aber der Untertitel „Die Geschichte von Laurel und Hardy in Deutschland“ ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass der Fokus auf der Rezeption ihrer Filme in der Weimarer Republik, im „Dritten Reich“ und in den beiden Nachkriegsdeutschlands liegt. Spätestens bis zur populären ZDF-Serie „Zwei Herren Dick und Doof“, die mit dem Sprecher Hanns-Dieter Hüsch zwischen 1975 und 1980 produziert wurde, entsprach das der Bezeichnung, die sich seit dem ab 1928 in Deutschland startenden kurzen Stummfilm „Dick und Dof [sic] im Sündenpfuhl“ eingebürgert hatte - obwohl MGM den Filmverleihern 1937 sogar untersagte, von „Dick und Doof“ zu sprechen.

"Dick und Doof - Die Unzertrennlichen" (imago/agefotostock)
"Dick und Doof - Die Unzertrennlichen" (imago/agefotostock)

Aping spart nicht mit Kritik an der Praxis der Verkürzung, Kompilation und Verfälschung der Filme speziell durch das Fernsehen, wobei seine genaue Schilderung aller Rezeptionsphasen andeutet, dass auch die verhackstückten Laurel-and-Hardy-Filme für den anhaltenden Nachruhm des Duos mitverantwortlich sein könnten. Was bei Rainer Dick nur ein 15-seitiges Kapitel („Stan und Ollie in Deutschland“) ausmacht, ergibt bei Aping ein ganzes Buch. Dementsprechend widmet sich Aping auch den Synchronisationen der Tonfilme weit ausführlicher. Behandelt wird nicht nur der legendäre Walter Bluhm, der zwischen 1936 bis zu seinem Tod 1976 die unersetzbare Standardstimme von Stan Laurel war. Sondern auch die für ihre Zeit typischen Sprecher für Oliver Hardy wie Arno Paulsen, Bruno W. Pantel und Michael Habeck. Dazu kommentiert Aping auch mehr oder weniger geglückte deutsche Fassungen mit anderen Sprecherteams, etwa in der DDR.


Eine Restaurierung der Filme steht aus

Aufgrund seiner langjährigen Recherchearbeit kann Norbert Aping einige Behauptungen als Mythen entlarven, etwa den hartnäckig kolportierten Deutschlandbesuch von Laurel & Hardy, der nie stattfand. Aping dokumentiert alle Kurz- und Langfilmfassungen, Trailer und Filmausschnitte, wie sie in deutschen Kinos und bei Fernsehanstalten zu sehen waren. Eine weit ausführlichere Filmografie steht online zur Verfügung, das Passwort dafür ist im Register versteckt.

Mit den beiden Büchern von Rainer Dick und Norbert Aping im Gepäck ist man gut gerüstet für weitere zwerchfellstrapazierende Reisen auf den Archipel von Laurel & Hardy. Leider steht es nicht ähnlich gut um ihr Filmerbe, das sich zumeist in schlechtem archivarischen Zustand befindet und (auch deshalb) bisher noch kaum in High-Definition-Abtastungen wiederaufgetaucht ist.




Laurel & Hardy. Sehr viel mehr als dick und doof. Von Rainer Dick. Verlag Boiselle & Ellert, Neustadt 2022. 352 S., viele Abb., 24,80 EUR.

Das kleine Dick-und-Doof-Buch“. Von Norbert Aping. Schüren Verlag, Marburg 2022. 336 S., zahl. Abb., 28 EUR.

Bezug: Beide Bücher sind in jeder Buchhandlung zu erwerben oder hier (Rainer Dick) und hier (Nobert Aping).

Kommentar verfassen

Kommentieren