Les Salauds - Dreckskerle

Thriller | Frankreich/Deutschland 2013 | 100 Minuten

Regie: Claire Denis

Der Kapitän eines Containerschiffs kehrt nach Paris zurück, um seiner Schwester beizustehen, deren Mann Selbstmord begangen hat. Schuld daran soll ein dubioser Geschäftspartner des Toten sein. Bei seinen Nachforschungen lernt der Seemann die Frau des Partners kennen, mit der ihn bald eine obsessive Affäre verbindet. Ein hypnotischer Thriller, der auf den Spuren des "film noir" tief in die Abgründe der französischen Geld-Aristokratie taucht. Konzipiert als postmoderner Albtraum über drei Patchwork-Familien, lebt der Film ganz wesentlich von seinen extremen Bildfindungen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LES SALAUDS
Produktionsland
Frankreich/Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Alcatraz Film/Wild Bunch/Pandora Filmprod./arte France Cinéma
Regie
Claire Denis
Buch
Jean-Pol Fargeau · Claire Denis
Kamera
Agnès Godard
Musik
Stuart A. Staples
Schnitt
Annette Dutertre
Darsteller
Vincent Lindon (Marco Silvestri) · Chiara Mastroianni (Raphaëlle) · Julie Bataille (Sandra) · Michel Subor (Edouard Laporte) · Lola Créton (Justine)
Länge
100 Minuten
Kinostart
25.12.2013
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Thriller
Externe Links
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Diskussion
Strömender Regen in gelber Nacht, ein Mann, der bald tot auf der Straße liegt, eine nackte Frau, die auf High Heels durch die Nacht streift. Diese Exposition klingt eher wie ein amerikanischer Neo-Noir als ein Film von Claire Denis mit Bildern von Agnès Godard. Eine Geschichte um Korruption und Sex, inspiriert von Kurosawas „Die Bösen schlafen gut“ (1960), der wiederum an „Hamlet“ angelehnt ist. Geredet wird fast nichts, und Frankreich ist in diesem ersten Krimi aus den Händen von Claire Denis so eiskalt wie bei Jean-Pierre Melville. Die Erzählung mäandriert in harten Schnitten und man braucht eine Weile, bis man sich zurechtfindet. „Keine Übergänge. Der Film sollte eine Folge von Sprüngen sein“, hat Claire Denis ihr Konzept erklärt. Die Geschichte ist angesiedelt in einer Geldaristokratie, die ihre Gesetze selbst macht. Man begeht Selbstmord nicht, weil einen das Gesetz jagt, sondern weil man bankrott ist. Vincent Lindon, der Kapitän, der sein Schiff verlässt und sein ganzes Geld abhebt, um den Fall zu lösen, ist wie der klassische Film-noir-Detektiv in eigener Sache konstruiert. Er ist der integre Loner und Loser, der seiner Schwester (Julie Bataille) zu Hilfe kommt, deren Mann Selbstmord begangen hat, deren Firma vor dem Konkurs steht und deren Tochter (Lola Créton) in Drogen und Prostitution untergeht. Im Zentrum von all dem steht der dubiose Firmenpartner Laporte (Michel Subor). Um ihn zu beschatten, macht sich der Kapitän an dessen Frau (Chiara Mastroianni) heran. Und prompt wird aus der netten Nachbarschaft eine obsessive Affäre. Claire Denis bemüht sich dabei, nicht zu moralisieren, sondern zu zeigen. Über die Tochter meint sie: „ Sie ist nicht als Opfer konzipiert.“ Ein Vorbild für ihren Charakter fand die Regisseurin in dem Faulkner-Roman „Sanctuary“. Ein Mädchen, das exzentrischen Sex genießt und ihren Zuhälter liebt. Zu allem Überdruss heißt sie auch noch Justine. Sie ist ein freiwilliges Opfer, so wie die Frau von Laporte eine Ehe wie eine Hure führt, und die Schwester des Kapitäns alles unterschrieben hat, was ihr Mann ihr vorgelegt hat. Szenen aus dem Großbürgertum, die mitunter richtig gruselig sind. Laporte, ein alter Mann, hat einen kleinen Sohn. Wenn er ihn in sein Auto lädt und der Chauffeur fährt, tätschelt er seine Hand wie ein Pädophiler. Später stellt sich heraus, dass er einer der exzentrischen Kunden von Justine ist. In einer traumhaften Sequenz, die rätselhaft bleibt, suchen Polizisten nachts im Wald nach dem Kind und finden sein Fahrrad im Gestrüpp. Laporte ist aber auch ein klassischer Heuchler von Format. Seiner Frau entzieht er das Kind, als sie mit dem Kapitän anbandelt, angeblich, um das Kind zu schützen. Ganz wesentlich lebt der Film von extremen Bildfindungen, aus der Hand der Kamerafrau Agnès Godard, die mit Claire Denis schon viele Filme gestaltet hat. Bevor der Hauptakteur auf seinem Schiff zu sehen ist, erscheint ein Stück der See. Herbstlich nebelig. Das Meer geht direkt in den Himmel über. Der Kapitän hat selbst eine Familie zurückgelassen. Seine Rückkehr aufs Land, ins bürgerliche Leben, gerät zum Alptraum. Drei Patchwork-Familien, die aus dem Ruder laufen, fliegen ihm um die Ohren. Seine Position ist wie das Auge des Orkans, tödlich ruhig. Als er alle Puzzlesteine zusammen hat, trifft ihn eine verirrte Kugel. Insofern lässt sich der Film auch postmodern als die Vision eines Toten lesen.
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