Drama | Italien 2023 | 111 Minuten

Regie: Ferzan Özpetek

Ein junger Arzt und ein angehender Filmemacher verlieben sich in den 1970er-Jahren in einem Kino in Rom ineinander; doch dann werden sie getrennt und verlieren sich für Jahrzehnte aus den Augen, ohne sich jedoch je ganz vergessen zu können. Ihre Beziehung führen sie fortan indirekt, durch andere Menschen und ihre Erinnerungen. Ein Film des italienischen Regisseurs Ferzan Özpetek, der sich zutraut, gänzlich unironisch als klassisches Melodram von einer großen, unerfüllten Liebe zu erzählen. Das Spiel mit selbstreflexiven und autobiografischen Elementen verharrt jedoch in steifer Künstlichkeit, es fehlen eine interessante visuelle Textur und erzählerische Originalität. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
NUOVO OLIMPO
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
R&C Prod./Faros Film/Warner Bros.
Regie
Ferzan Özpetek
Buch
Gianni Romoli · Ferzan Özpetek
Kamera
Gian Filippo Corticelli
Schnitt
Pietro Morana
Darsteller
Damiano Gavino (Enea) · Andrea Di Luigi (Pietro) · Luisa Ranieri (Titti) · Greta Scarano (Giulia) · Aurora Giovinazzo (Alice)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
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Ein über vier Jahrzehnte erzähltes Melodram über einen Arzt und einen Regisseur, die sich in einem Kino ineinander verlieben und dann aus den Augen verlieren.

Diskussion

Es ist der 1. November 1978. Zwei Männer haben sich in einem Kino in Rom verliebt, und draußen vor der Tür toben Straßenschlachten. Demonstranten wollen sich im Saal vor den Polizisten und ihren Schlagstöcken verstecken, doch so werden sie eben im Licht des Projektors überwältigt. Auf und vor der Leinwand verwirrte und ängstliche Menschenmassen, die sich umeinander sorgen. Schwaden von Tränengas ziehen ins Foyer, das Chaos trennt die jungen Liebenden. Man kann sich im Kino nicht verstecken – nicht vor der Welt, nicht vor der Staatsmacht und erst recht nicht vor großen Gefühlen. Sie dringen gewaltsam ins eigene Leben ein und verändern es für immer.

Doch dann lichtet sich der ätzende Nebel, und Ferzan Özpeteks Melodram „Nuovo Olimpo“ hat nur noch behauptetes Verlangen zu bieten. Über fast vier Jahrzehnte hinweg wird die Geschichte von zwei Männern erzählt: Pietro (Andrea Di Luigi) beginnt als schüchterner Medizinstudent und wird zum erfolgreichen Augenarzt. Enea (Damiano Gavino) reift vom Filmstudenten und Set-Runner zum Star-Regisseur. Ihre Pfade durchs Leben kreuzen sich einmal in den späten 1970er-Jahren und verpassen sich dann für Dekaden immer wieder ganz knapp. So leben sie dann in Placebo-Beziehungen: Pietro mit seiner still leidenden Ehefrau Giulia (Greta Scarano), Enea mit dem sanften Hünen Antonio (Alvise Rigo). Doch sie sind schicksalshaft aneinandergebunden und spüren das. An manchen Tagen schmerzt es sehr.

Der Film findet für die Sehnsucht keine Bilder

Bereits ihre erste Begegnung im „Nuovo Olimpo“, das Programmkino und Cruising-Area gleichermaßen ist, zeigt deutlich, woran der Film krankt. Er kann ihre ewig brodelnde Liebe nicht in Bilder fassen, kann ihre Sehnsucht weder beschreiben noch erlebbar machen. Er bleibt formlos und entwickelt keinen klaren Stil. Zuerst wäre da die immer gleiche Beleuchtung ohne jede Tiefe, die jedem Bild die Sinnlichkeit nimmt. Dabei bietet ein Kino den Liebenden doch eigentlich den Schutz der Dunkelheit.

Die Bilder wirken glattpoliert, die ganze Filmwelt präsentiert sich texturlos und unspezifisch. Die erste Szene spielt an einem Filmset, doch erst nach einem dramatischen Schusswechsel werden die Ereignisse als Dreh erkennbar. Die Künstlichkeit dieser Sequenz legt der Film nie ab. Er bleibt merkwürdig starr, eine reine Vermutung über das Leben.

Wirklichkeit und Fiktion wachsen nicht aneinander

Vielleicht ist das intentional. Manchmal könnte man denken, Özpetek wolle einen der klugen, gewitzten Filme seines Landsmanns Nanni Moretti aus den 1980er- oder 1990er-Jahren nachdrehen, in denen Kino und Politik freudig miteinander spielen. Er arbeitet autobiographisch, lässt seine Regisseursfigur die eigenen Erfahrungen verarbeiten und hantiert mit Symbolen des Sehens und Nichtsehens. Doch so richtig gelingt es ihm nie, Wirklichkeit und Fiktion aneinander wachsen zu lassen. Es gibt keine Reibung. Auch wenn eingangs „Nach wahren Begebenheiten” eingeblendet und der Film im Abspann zwei der Figuren gewidmet wird, ist er lebensfremd und ohne erzählerische Magie.

Das Schauspiel kann wenig retten. Feurig gemeinte Blicke wirken doch eher leer und ausdruckslos, inneres Ringen verliert sich irgendwo zwischen Mundwinkeln und Augenbrauen. Der permanente Musikeinsatz – vorwiegend Flamenco-Gitarren, pathetische Frauengesänge oder schmalzige Streicherklänge – erstickt jede Szene in Eindeutigkeit. Zudem folgt oft ein Stück lückenlos auf das nächste. So wie auch die Kitschbrocken, in denen die Figuren kommunizieren. „Das Herz vergisst nicht“, heißt es da, „Wir lieben Menschen, nur um sie dann zu verlieren.“, oder auch: „Die Menschen, die wir lieben, sind immer da. Auch wenn man sie nicht sieht.“

Vermeintliche Höhepunkte missglücken

Gegen aufrichtig vorgetragene Melodramen spricht nichts. Meister wie Douglas Sirk, Rainer Werner Fassbinder oder Pedro Almodóvar haben es immer wieder bewiesen. Doch solche Stoffe bergen eben auch ein Risiko. Die Liebe ist so groß, dass sie immerzu Poesie einfordert, und nicht jeder ist zum Poeten berufen. Man kann Özpetek gewiss hoch anrechnen, dass er mit offenem Visier kämpft. Sein Film braucht keine schützende Ironie und muss nicht die vielen Fallstricke einer Beziehung ausdiskutieren, um sie dadurch zu bannen. Aber gerade die vermeintlichen Höhepunkte des Films missglücken in der Regel. Eine frühe Sexszene ertrinkt in Gegenlicht und wird in Softrock-Musikvideo-Kompositionen gerahmt. Nackte Körper als schöne Abstraktion. Wenn sich die beiden danach noch gegenseitig mit Marmelade füttern, wird es unfreiwillig komisch.

Das gilt auch für einige Wendungen der Handlung. Einmal entdeckt einer den anderen nach Jahren in einem gerade abfahrenden Zug – ein abgegriffenes Bild. Später schauen sie zur selben Zeit einen der Filme im Fernsehen, den sie zusammen im Kino bewundern konnten. Zumindest das ist ein schöner Moment, in dem die Bilder und Gedanken synchron geschaltet werden. Enea hat Pietro einst eine Karte geschenkt, darauf ist der Satz vermerkt: „So sind Raum und Zeit kein Hindernis mehr.“

In Erinnerung bleiben vor allem Nebenfiguren, die den Mikrokosmos des „Nuovo Olimpo“ bevölkern. Etwa die wild parfümierte Kassiererin Titti (Luisa Ranieri), die als Oberkupplerin des Kinos all diese halbseidenen Gestalten liebt, die sich in den Fluren und Toilettenkabinen näherkommen. Oder Molotow (Giancarlo Commare ), der ewige Aktivist, der sich mit dem gleichen Eifer in Umstürze und Affären stürzt. Sie hätten einen besseren Film verdient.

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