© Netflix, Inc. (aus "Power of the Dog")

„Oscar“-Nominierungen 2022

Am 27.3. werden die 94. „Academy Awards“ verliehen

Veröffentlicht am
11. April 2022
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Jane Campion gegen Steven Spielberg. So hieß es bei den „Oscar“-Nominierungen 1994, als die neuseeländische Regisseurin nach dem Gewinn der „Goldenen Palme“ von Cannes mit ihrem Historiendrama „Das Piano“ gegen den US-Erfolgsregisseur antrat, der nur wenige Monate nach seinem Mega-Kassenschlager „Jurassic Park“ seine bis dahin wohl ernsteste Arbeit in die Kinos gebracht hatte: „Schindlers Liste“. 28 Jahre später stehen Campion und Spielberg erneut auf der Nominierungsliste für die „Oscars“, die am 8. Februar 2022 bekannt gegeben wurde. Die Favoritenrolle liegt allerdings anders als damals. Wo Spielbergs Herzensprojekt damals mit 13 Nominierungen und letztlich 7 Auszeichnungen haushoch dominierte, spricht alles dafür, dass Jane Campion diesmal die Nase vorn haben dürfte. Ihr Cowboy-Drama „The Power of the Dog“ geht mit zwölf Nominierungen ins Rennen, Spielbergs „West Side Story“-Neuverfilmung brachte es auf sieben. Damit holte der Altmeister genauso viele Nennungen wie Kenneth Branaghs filmische Jugenderinnerungen in „Belfast“ und drei weniger als Denis Villeneuve für sein Science-Fiction-Epos „Dune“, die beide ebenfalls Chancen auf den wichtigsten amerikanischen Filmpreis haben.


Kandidat für den Besten Film: "Belfast" (© 2021 Focus Features, LLC.)
Kandidat für den Besten Film: "Belfast" (© 2021 Focus Features, LLC.)

Dominanz der Streamingdienste ist nicht mehr so groß wie im Vorjahr

Für die Kategorien der 94. „Oscars“ hatten 276 Filme die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt, eine vergleichsweise kleine Zahl, die sich durch die Folgen der Corona-Pandemie, aber auch durch das verkürzte Auswertungsfenster 2021 erklärt: Januar und Februar waren noch dem vorherigen Jahrgang zugeschlagen worden, die US-Kinos öffneten erst im Laufe des Frühjahrs und konnten lange nur eingeschränkt Zuschauer empfangen. Hinzu kamen die absehbaren Komplikationen bei Filmdrehs. Dennoch nimmt sich die Liste der Nominierten kaum anders aus als in normalen Jahrgängen und grenzt sich auch klar vom Vorjahr ab, als die Streamingdienste ihren Lockdown-bedingten Ausspielungsvorteil nutzen konnten und große Blockbuster mangels Kinoauswertung fast völlig außen vor blieben.


Von AppleTV ins Rennen geschickt: "Coda" (©AppleTV))
Von AppleTV ins Rennen geschickt: "Coda" (©AppleTV))

Unter den zehn Nominierten für den „Besten Film“ finden sich deshalb zwar der von Netflix vermarktete „The Power of the Dog“ und mit Adam McKays Katastrophenfilm-Satire „Don’t Look Up“ auch eine weitere Eigenproduktion, außerdem schaffte es der Streaming-Konkurrent Apple TV+ mit dem Sundance-Gewinner „CODA“ – dem US-Remake des französischen Komödienerfolgs „Verstehen Sie die Béliers?“ – erstmals in die Auswahl. Daneben finden sich aber auch Studioproduktionen alter „Oscar“-Favoriten: Neben „West Side Story“ treten sowohl Paul Thomas Anderson mit „Licorice Pizza“ als auch Guillermo del Toro mit „Nightmare Alley“ erneut in der Königsdisziplin an, außerdem wurde neben „Belfast“ und „Dune“ die Filmbiografie „King Richard“ über den Vater der Tennisschwestern Venus und Serena Williams nominiert. Als zehnter Kandidat schaffte es auch das japanische Drama „Drive My Car“ in die Auswahl, was nach den Auszeichnungen u.a. der Kritiker von Los Angeles und New York allerdings keine ganz große Überraschung mehr war.

Übersehene Highlights bleiben auch bei den „Oscars“ außen vor

Überhaupt hielten sich die Juroren der „Oscars“ mit unerwarteten Entscheidungen bei den Nominierungen einmal mehr zurück. So muss einen das gänzliche Fehlen von gefeierten Independent-Filmen wie „Mass“, „The Humans“ oder „Shiva Baby“ ebenso wenig wundern wie die Nichtberücksichtigung von David Lowerys unkonventionellem Zugriff aufs Rittergenre in „The Green Knight“ und der originellen Filmmusicals „In the Heights“, „Dear Evan Hansen“ oder „Annette“. Diese waren allesamt schon in der gesamten „Awards Season“ kaum berücksichtigt worden, woran sich die „Oscars“ nun nahtlos anschließen. Einmal mehr zeigt sich an der Nominierungsauswahl, dass die Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences eher reagieren als eigene Akzente setzen – der späte Termin kann dabei nicht als einziger Grund herhalten.


Übersehen: Das Musical "In the Heights" (© Warner Bros. Entertainment GmbH)
Übersehen: Das Musical "In the Heights" (© Warner Bros. Entertainment GmbH)

Kein großes Herz für Blockbuster

Keine sonderliche Popularität genießen unter den Academy-Juroren nach wie vor die großen Kino-Blockbuster, nimmt man „Dune“ einmal aus, der durch den Zugriff des der Filmkunst entstammenden Kanadiers Villeneuve eine Stellung zwischen Arthouse und Mainstream beanspruchen darf. Daniel Craigs James-Bond-Abschluss in „Keine Zeit zu sterben“, der nach den Corona-Schließungen über Monate bewies, dass die Zuschauer dem Kino keineswegs dauerhaft fernbleiben wollten, ist immerhin dreimal (für den Titelsong, den Ton und die Spezialeffekte) benannt, die Superhelden-Abteilung muss sich mit zwei Nennungen in der Spezialeffekte-Kategorie für „Spider-Man: No Way Home“ und „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ zufriedengeben. Und auch in der Animationsfilm-Kategorie ist neben drei hauptsächlich via Streaming ausgewerteten Filmen („Luca“, „Die Mitchells gegen die Maschinen“ undRaya und der letzte Drache“) und der skandinavischen Flüchtlingsdoku „Flee“ mit „Encanto“ nur ein veritabler Kino-Erfolg dabei.

Punktete beim Publikum, aber weniger bei der Academy: "James Bond - Keine Zeit zu sterben" (© DANJAQ, LLC & MGM, Universal Pictures International Germany GmbH)
Punktete beim Publikum, aber weniger bei der Academy: "James Bond - Keine Zeit zu sterben" (© DANJAQ, LLC & MGM, Universal Pictures International Germany GmbH)

Dafür zeigt die Academy weiterhin Interesse daran, auch nicht-englischsprachige Filme in wichtigen Kategorien zu berücksichtigen. „Drive My Car“ konnte so neben den Nominierungen als „Bester Film“ und „Bester Internationaler Film“ auch Nennungen für Regisseur Ryusuke Hamaguchi und das adaptierte Drehbuch einstreichen, in der Originaldrehbuch-Kategorie tritt zudem der norwegische Film „Der schlimmste Mensch der Welt“ an, der es ebenfalls in die „Auslands-Oscar“-Auswahl schaffte, wo beide Filme mit „Flee“ (Dänemark), „Lunana“ (Nepal) und „The Hand of God“ (Italien) konkurrieren. Maria Schraders Science-Fiction-Romanze „Ich bin dein Mensch“ verpasste dagegen die Nominierung. Pedro Almodóvars „Parallele Mütter“, von Spanien nicht als Kandidat eingereicht, konnte sich mit Nominierungen für Hauptdarstellerin Penélope Cruz und die Musik trösten.

Wenig Newcomer, viele Stars

In die Regie-Kategorie schafften es neben Hamaguchi und der Favoritin Jane Campion auch Paul Thomas Anderson, Kenneth Branagh und Steven Spielberg, während Denis Villeneuve in diesem Fall den Kürzeren zog. Überraschungen bei den Darstellern gab es allenfalls in den Nebendarsteller-Auswahlen, wo die (insgesamt achte) Nominierung für Judi Dench für „Belfast“, anstelle der von den meisten anderen Verleihungen favorisierten Caitríona Balfe, noch am ehesten als eine Art Paukenschlag interpretiert werden kann. Neben Dench messen sich mit Jessie Buckley („Die Frau im Dunkeln“), Ariana DeBose („West Side Story“), Kirsten Dunst („The Power of the Dog“) und Aunjanue Ellis („King Richard“) vier Debütantinnen in dieser Kategorie, ähnlich sieht es bei den Nebendarstellern aus, wo neben dem früheren Gewinner J.K. Simmons der stets zuverlässige irische Charakterdarsteller Ciarán Hinds für „Belfast“, das „Power of the Dog“-Duo Jesse Plemons und Kodi Smit-McPhee sowie der gehörlose Schauspieler Troy Kotsur für „CODA“ allesamt zum ersten Mal nominiert sind. Bei den Hauptdarstellern sind es hingegen überwiegend vertraute Namen, die ins Rennen gehen. Jessica Chastain, Olivia Colman, Penélope Cruz und Nicole Kidman sowie erstmals Kristen Stewart treten bei den Damen an, Javier Bardem, Benedict Cumberbatch, Andrew Garfield, Will Smith und zum 9. Mal Denzel Washington bei den Herren. Damit ist für ein Staraufgebot durchaus gesorgt, wenn die „Oscar“-Gala am 27. März ins Dolby Theatre zurückkehrt – und nach der Notbetrieb-Verleihung 2021 wieder stilvoll glamourös über die Bühne gehen soll.


Für ihre Rolle als Lady Di in "Spencer" nominiert: Kristen Stewart (© DCM Film/Pablo Larraín
Für ihre Rolle als Lady Di in "Spencer" nominiert: Kristen Stewart (© DCM Film/Pablo Larraín)

Alle Nominierungen in der Übersicht


Bester Film

Belfast

CODA

Don’t Look Up

Drive My Car

Dune

King Richard

Licorice Pizza

Nightmare Alley

The Power of the Dog

West Side Story

Beste Regie

Paul Thomas Anderson für Licorice Pizza

Kenneth Branagh für Belfast

Jane Campion für The Power of the Dog

Ryusuke Hamaguchi für Drive My Car

Steven Spielberg für West Side Story

Beste Hauptdarstellerin

Jessica Chastain für The Eyes of Tammy Faye

Olivia Colman für Die Frau im Dunkeln

Penélope Cruz für Parallele Mütter

Nicole Kidman für Being the Ricardos

Kristen Stewart für Spencer

Bester Hauptdarsteller

Javier Bardem für Being the Ricardos

Benedict Cumberbatch für The Power of the Dog

Andrew Garfield für tick, tick… BOOM!

Will Smith für King Richard

Denzel Washington für The Tragedy of Macbeth

Beste Nebendarstellerin

Jessie Buckley für Die Frau im Dunkeln

Ariana DeBose für West Side Story

Judi Dench für Belfast

Kirsten Dunst für The Power of the Dog

Aunjanue Ellis für King Richard

Bester Nebendarsteller

Ciarán Hinds für Belfast

Troy Kotsur für CODA

Jesse Plemons für The Power of the Dog

J.K. Simmons für Being the Ricardos

Kodi Smit-McPhee für The Power of the Dog

Bestes Originaldrehbuch

Kenneth Branagh für Belfast

Adam McKay, David Sirota für Don’t Look Up

Zach Baylin für King Richard

Paul Thomas Anderson für Licorice Pizza

Eskil Vogt, Joachim Trier für Der schlimmste Mensch der Welt

Bestes adaptiertes Drehbuch

Siân Heder für CODA

Ryusuke Hamaguchi, Takamasa Oe für Drive My Car

Jon Spaihts, Denis Villeneuve, Eric Roth für Dune

Maggie Gyllenhaal für Die Frau im Dunkeln

Jane Campion für The Power of the Dog

Beste Kamera

Greig Fraser für Dune

Dan Laustsen für Nightmare Alley

Ari Wegner für The Power of the Dog

Bruno Delbonnel für The Tragedy of Macbeth

Janusz Kaminski für West Side Story

Beste Ausstattung

Patrice Vermette, Zsuzsanna Sipos für Dune

Tamara Deverell, Shane Vieau für Nightmare Alley

Grant Major, Amber Richards für The Power of the Dog

Stefan Dechant, Nancy Haigh für The Tragedy of Macbeth

Adam Stockhausen, Rena DeAngelo für West Side Story

Beste Kostüme

Jenny Beavan für Cruella

Massimo Cantini Parrini, Jacqueline Durran für Cyrano

Robert Morgan, Jacqueline West für Dune

Luis Sequeira für Nightmare Alley

Paul Tazewell für West Side Story

Bester Schnitt

Hank Corwin für Don’t Look Up

Joe Walker für Dune

Pamela Martin für King Richard

Peter Sciberras für The Power of the Dog

Myron I. Kirstein, Andrew Weisblum für tick, tick… BOOM!

Beste Musik

Nicholas Britell für Don’t Look Up

Germaine Franco für Encanto

Jonny Greenwood für The Power of the Dog

Alberto Iglesias für Parallele Mütter

Hans Zimmer für Dune

Bester Originalsong

„Be Alive“ aus King Richard

„Dos Oruguitas“ aus Encanto

„Down to Joy“ aus Belfast

„No Time to Die“ aus Keine Zeit zu sterben

„Somehow You Do” aus Four Good Days

Bester Ton

Belfast

Dune

Keine Zeit zu sterben

The Power of the Dog

West Side Story

Beste Spezialeffekte

Dune

Free Guy

Keine Zeit zu sterben

Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings

Spider-Man: No Way Home

Bestes Make-up & Frisuren

Coming 2 America

Cruella

Dune

The Eyes of Tammy Faye

House of Gucci

Bester Animationsfilm

Encanto

Flee

Luca

Die Mitchells gegen die Maschinen

Raya und der letzte Drache

Bester animierter Kurzfilm

Affairs of the Art

Bestia

Boxballet

Robin Robin

The Windshield Wiper

Bester Real-Kurzfilm

Ala Kachuu – Take and Run

The Dress

The Long Goodbye

On My Mind

Please Hold

Bester Dokumentarfilm

Ascension

Attica

Flee

Summer of Soul

Writing with Fire

Bester Kurz-Dokumentarfilm

Audible

Lead Me Home

The Queen of Basketball

Three Songs for Benazir

When We Were Bullies

Bester internationaler Film

Drive My Car (Japan)

Flee (Dänemark)

The Hand of God (Italien)

Lunana (Nepal)

Der schlimmste Mensch der Welt (Norwegen)

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