© Deutsche Kinemathek - Fotoarchiv/Dt. Kinemathek – Horst von Harbou (Ausstellung „Weimar weiblich“)

Neue Filmausstellungen 2023

Eine Vorschau auf die kommenden Ausstellungen in Filmmuseen und Filmarchiven

Veröffentlicht am
31. März 2023
Diskussion

Die unerzählte jüdische Filmgeschichte der BRD, die weibliche Seite des Weimarer Kinos, australische Kollektive und Louis de Funès’ Autos – die 2023 geplanten Ausstellungen rund um Film, Filmgeschichte und Kino versprechen in ihrer Vielfalt einen lohnenden Jahrgang. Ein Überblick über interessante Ausstellungen für Cineast:innen in den kommenden Monaten.


Das Filmmuseum Potsdam verlängert seine am 21. Oktober 2022 eröffnete Ausstellung „Ich sehe was, was du nicht siehst. Aus der Sammlung Werner Nekes“ bis zum Sommer 2023. Der Blick auf die Vorgeschichte des Films und die Entwicklung der Kinotechnik steht im Mittelpunkt der multimedialen Präsentation. Das Sehen, das Experimentieren und das aktive Selbstgestalten ermöglichen eine facettenreiche Beschäftigung mit der Filmgeschichte. Für den kommenden Oktober hat man in Potsdam einen besonderen Leckerbissen geplant. Dem Spiel- und Dokumentarfilm-Regisseur Andreas Dresen wird auf Grundlage von Arbeitsmaterialien, die er dem Filmmuseum überlassen hat, eine umfangreiche Ausstellung mit aussagekräftigen Exponaten und Zeitzeugnissen gewidmet. Die Präsentation soll in Form einer begehbaren Collage die diversen Arbeitsschritte zwischen Drehbuch und Dreharbeiten sichtbar machen, Teamarbeit und Kreativität der Produktionen beleuchten.

Eine Sonderausstellung der Nationalgalerie Berlin bietet bis einschließlich 23. April zum 100-jährigen Leinwand-Jubiläum von „Nosferatu“ von F.W. Murnau die Schau „Phantome der Nacht“. In der Sammlung Scharf-Gerstenberg, Schloßstraße 70, kommt der internationale Stummfilmklassiker auf den Prüfstand, der Anfang der 1920er-Jahre, im Zeichen des verlorenen Ersten Weltkrieges, Anleihen von Goya, der deutschen Romantik, der Kunst und Literatur der Jahrhundertwende integrierte. Möglich wird auch eine Diskussion über die Nachwirkung dieses kinematographischen Meilensteins auf zeitgenössische Künstler.


Filmplakate, tierische Stars und Disney

Im Kunsthaus Göttingen ist bis zum 16. April noch die Ausstellung „Filmplakate 1953-74 zwischen Mainstream und Avantgarde“ zu sehen. Auf drei Etagen erzählen künstlerisch ambitionierte Plakate aus dem Archiv der Neuen Filmkunst Walter Kirchner, des Atlas Filmverleihs und des Ateliers für Gebrauchsgraphik Karl-Heinz Fehrecke von einer wechselhaften Geschichte der Filmkultur und Filmarbeit im Nachkriegsdeutschland. Da geht es um die Begleitung für den Neuen deutschen Film, das Autorenkino, Kommunale Kinos und Programmkinos, um die Etablierung eines kritischen Filmjournalismus in den traditionellen Medien. Die von René Grohnert kuratierte Schau startet mit den Auflagen der Militärregierungen in den einzelnen Besatzungszonen, dem Aufbau einer neuen Filmindustrie. Es folgen Themen wie der Import von ausländischen Qualitätsfilmen und die Funktion der Plakate als Werbeträger für die Einstimmung des Publikums.

„Animal Actors“ zeigt u.a. Spielbergs weißen Hai (© Filmmuseum Düsseldorf)
„Animal Actors“ zeigt u.a. Spielbergs weißen Hai (© Filmmuseum Düsseldorf)

Animal Actors. Tierische Stars in Film und TV heißt eine bis Ende Juli 2023 zu besichtigende Ausstellung im Filmmuseum Düsseldorf. In genreübergreifender Perspektive wird die gesamte Bandbreite des Einsatzes von Tieren bis hin zu computergenerierten Optionen in Spiel-, Animations- und Dokumentarfilmen mit Projektionsflächen vom vermenschlichten Kuscheltier bis zum Horrorobjekt und zu ethischen Fragestellungen aufgegriffen. Originalrequisiten, Set-Fotos, Merchandisingartikel und ausgewählte Filmausschnitte mit „Ikonen“ wie Lassie, Flipper, Fury, Bambi oder Spielbergs weißem Hai zählen neben der Schildkröte Morla aus „Die unendliche Geschichte“ und einer Maskenserie aus „Planet der Affen“ zu den populären Exponaten.

Zu seinem 100-jährigen Jubiläum präsentiert das Hollywoodstudio Walt Disney Company weltweit eine publikumsträchtige Marketingshow. In München zeigt der Konzern mit der Ausstellung „Disney 100“ ab dem 18. April in der Kleinen Olympiahalle eine facettenreiche (Wieder-)Begegnung mit kleinen und großen Stars des Disney-Universums. Da dürfen Micky Maus, Donald Duck, Mary Poppins, Arielle, Jack Sparrow oder Nemo nicht fehlen. Die Schau will Kostüme, Requisiten und diverse Kunstwerke in Abteilungen präsentieren, die nach speziellen Themenbereichen gegliedert sind. Außer den beliebten Märchenklassikern sind Marvel-Figuren, die „Star Wars“-Reihe und sogar die jüngste Produktion, der Animationstitel „Strange World“, mit von der Partie. Und im Juni 2023 wirbt man für „Disney Wonder of Friendship - The Experience“ mit einem „multisensorischen Erlebnis“ in Berlin.


Ambitioniert und mit Anspruch

Wer ein Kontrastprogramm im Ausstellungsbereich sucht, findet das im Württembergischen Kunstverein Stuttgart. Vom 25. Februar bis 7. Mai ist dort die Schau „Widerständige Musen. Delphine Seyrig und die feministischen Videokollektive im Frankreich der 1970er und 1980er Jahre“ zu besichtigen. Der Fokus liegt dabei auf der Film- und Kinotechnik, der Videoarbeit und dem Feminismus in der jüngeren Mediengeschichte. Fotografien und Filme wollen Momentaufnahmen von einer politischen, feministischen Transformation der Gesellschaft liefern. Spannend dürfte die Darstellung vom Wandel aus sexueller Befreiung und Freizügigkeit hin zu einem neuen Sexismus sein.

Ähnlich anspruchsvoll ist die Schau Karrabing Film Collective. Wonderlandim Münchner Haus der Kunst. Bis zum 30. Juli 2023 berichtet eine indigene Künstlergruppe aus Australien mit Videos und Installationen von ihrer Interpretation eines „improvisierten Realismus“. In ihre kollektive Arbeitsmethodik fließen Konzepte ein, die sich von der traditionellen Dramaturgie aus Spiel- oder Dokumentarfilmansätzen abwenden und zugleich Macht- und Wissensverhältnisse thematisieren.

Das Karrabing Film Collective kommt ins Haus der Kunst (© Karrabing Film Collective)
Das Karrabing Film Collective kommt ins Haus der Kunst (© Karrabing Film Collective)

Schwerpunkte in Frankfurt am Main

Das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt betitelt seine nächste Ausstellung „Weimar weiblich. Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918-1933)“. Auf Grundlage einer vor drei Jahren von der Deutschen Kinemathek in Berlin zum Weimarer Kino konzipierten Präsentation hat Daria Berten die vom 29. März bis 12. November 2023 geplante Schau am Schaumainkai kuratiert. In Frankfurt rücken, durch hauseigene Sammlungsbestände ergänzt, 21 Frauen in den Mittelpunkt, die in den verschiedensten Gewerken tätig waren. Ausgangspunkt ist die sozialpsychologische Aufbruchstimmung nach dem Ersten Weltkrieg. In der filmkünstlerisch innovativen Stummfilmära schien trotz Depression und Inflation aller Werte in (groß-)städtischen, gutbürgerlichen Kreisen eine Rückkehr zu alter, auch nationaler Größe möglich. In diesem Kontext schrieb das Weimarer Kino Filmgeschichte: Im aufklärerischen Sozialrealismus und im Zeichen der Neuen Sachlichkeit spiegelten die Selbstbestimmung der Frau, die sexuelle Freizügigkeit eine wichtige, in ihrer auch unter voyeuristischen Aspekten nicht zu unterschätzenden Vermarktung auf der Leinwand keine geringe Rolle. Kostüme, Drehbücher, Werbematerialien und Filmclips sollen von ganz unterschiedlichen weiblichen Lebensentwürfen und den Mechanismen der Filmgeschichtsschreibung erzählen.

Das Jüdische Museum in Frankfurt kündigt in seiner Vorschau eine überfällige, äußerst vielversprechende Schau an: „Ausgeblendet – Eingeblendet. Eine Jüdische Filmgeschichte der Bundesrepublik wird vom 15. Juli 2023 bis zum 14. Januar nächsten Jahres am Untermainkai zu sehen sein. Es geht um nicht weniger als einen konzentrierten Blick auf die Sichtbarkeit und Nichtsichtbarkeit jüdischer Spuren in der (bundes-)deutschen Filmproduktion und -geschichte. Nach dem Aderlass jüdischer Künstler unter der NS-Diktatur richten sich die Scheinwerfer auf den Neuanfang nach 1945 und die Karrieren für die Produzenten Artur Brauner, Gyula Trebitsch und Walter Koppel, auf internationale Betätigungsfelder und auch auf Widersprüche. Es geht um Fernseharbeiten oder Kooperationen in der Populärkultur, die Fragen zur jüdischen Identität und darüber hinaus stellen. In diversen Lebens- und Berufsläufen werden Erfahrungen von Filmschaffenden, gesellschaftspolitische und soziale Kontexte beispielhaft aufgearbeitet.

Eine Ausstellung in Frankfurt würdigt jüdische Filmschaffende der BRD wie Imo Moszkowicz (© Privatnachlass Imo Moszkowicz/Jüdisches Museum Frankfurt)
Eine Ausstellung würdigt jüdische Filmschaffende wie Imo Moszkowicz (© Privatnachlass Imo Moszkowicz)


Panorama deutscher Filmgeschichte

Die Deutsche Kinemathek Berlin zeigt noch bis zum 27. März ihre Sonderausstellung „Werner Herzog. Auf der Suche nach der „ekstatischen Wahrheit“. Herzog machte und macht es der international vielbeachtete deutsche Kultregisseur seinem Publikum als Autodidakt und Exzentriker nicht immer leicht. So ist die Einladung zur Meinungsbildung immer ein Abenteuer!

Die als Weltkulturerbe ausgezeichnete Völklinger Hütte sorgt im Rahmen ihres 150. Jubiläumsjahres für ein weiteres Highlight. Vom 15. Oktober 2023 bis 18. August 2024 zeigt man im Saarland die in Kooperation mit der Deutschen Kinemathek entstandene Ausstellung „Der deutsche Film. Von 1895 bis heute“. Industriegeschichte wird Kultur- und Filmgeschichte: angekündigt als „umfassender Überblick sowie immersiver Einblick zum deutschen Film von 1895 bis heute“. Vom legendären „Wintergarten“-Programm der Brüder Skladanowsky über den international gefeierten deutschen Stumm- und Tonfilm bis zu den aktuellen Serienformaten reicht die Bandbreite der aufwändigen Schau. Das Kino der Weimarer Republik, jenes unter dem Nationalsozialismus und die Zweigleisigkeit des west- und ostdeutschen Films nach dem Zweiten Weltkrieg sollen ein ambivalentes, vielschichtiges Panorama bieten. Mit zahlreichen erstmalig oder neu präsentierten Exponaten aus der Schatzkammer der Deutschen Kinemathek will man ein wegweisendes Event kreieren. Dazu sollen Originalmanuskripte, Kostüme, Setfotos und ein entsprechendes Film-Begleitprogramm auf Großleinwänden und Monitoren beitragen.


Für Reiselustige

Das immer einen Besuch lohnende Filmmuseum in Turin (Museo Nazionale del Cinema) bietet aktuell einen attraktiven Überblick zu zwei international renommierten Regisseuren. Bis einschließlich 17. April wird in der Piemonteser Metropole unter dem Titel „Le mani sulla verità“ (Hände über der Wahrheit) mittels einer „multimedialen Reise“ zur Erschließung eines jungen Publikums an den 2015 verstorbenen Francesco Rosi erinnert. Ein besonderes Schmankerl: Der reich bebilderte Katalog ist komplett online einsehbar! – Das Porträt des exzentrisch-visionären Thrillermeisters Dario Argento verlängert man derweil bis zum 15. Mai 2023. Materialien zur Ausstellung steuerten das Fotoarchiv der Cineteca Nazionale in Rom und zahlreiche private Sammler und Mitarbeiter des Filmemachers bei.

Mülhausen im Elsass zeigt Autos aus Louis-de-Funès-Filmen wie „Scharfe Sachen für Monsieur“ (© IMAGO/United Archives)
Mülhausen zeigt Autos aus Louis-de-Funès-Filmen (© IMAGO/United Archives)

Die Cinémathèque française in Paris widmet sich noch bis einschließlich 21. Mai dem Genrethema „Top Secret: Cinéma et espionage“. Die Darstellung des Spionagefilms von den Anfängen bis zur Gegenwart reicht von Mata Hari bis zur Kultfigur James Bond. Es ist eine Auseinandersetzung mit diesem Genrekino als Propagandavehikel, fantasievoller Mythos, der Rolle der Frau(en), einem breiten Spektrum der Ost-West-Politik. Filmausschnitte, Requisiten, Fanartikel, Werbeartikel, selten zugängliches Archivmaterial und andere Dokumente versprechen einen populären Ausflug in die Welt des Spionagefilms.

Eine populäre Sonderausstellung hat auch das Nationale Automobilmuseum im elsässischen Mülhausen angekündigt. Vom 5. April bis 5. November 2023 werden legendäre, zu Kultobjekten avancierte Autos von Louis de Funès zu sehen sein. Besondere Aufmerksamkeit versprechen die 2CV-Ente aus „Scharfe Sachen für Monsieur“, die Citroën DS aus „Balduin, der Ferienschreck“ und „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“ oder der Citroën Méhari der Reihe „Der Gendarm von Saint Tropez“. Kuratiert von Nora Ferreira, Direktorin des Funès-Museums in Saint Raphaël, warten Plakate, Filmfotos, -ausschnitte und Originalrequisiten auf die Besucher. Eine abwechslungsreiche Ausflugsdestination für die ganze Familie in die Mobilitätsvergangenheit und in die Filmgeschichte.

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