- | Argentinien/Italien 1999 | 104 Minuten

Regie: Marco Bechis

Eine junge Lehrerin wird von Zuhause entführt und in einer ausgedienten Autowerkstatt gefangen gehalten und gefoltert - von einem der Untermieter in ihrem Haus, der sie zudem liebt. Basierend auf Fakten sowie eigenen Erlebnissen des Regisseurs, werden auf ebenso beklemmende wie unspektakuläre Weise die Methoden der argentinischen Militärjunta dargestellt, Oppositionelle verschwinden zu lassen. Gefilmt wurde unter Verzicht auf spektakuläre Szenen mit der Handkamera bei natürlichem Licht. Im Kontrast dazu steht die Normalität des argentinischen Alltags, der im gleißenden Licht unwirklich und verlogen wirkt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GARAJE OLIMPO | GARAGE OLIMPO
Produktionsland
Argentinien/Italien
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Classic Paradis Films Nisagra/RAI/Rai Cinemafiction/Tele+
Regie
Marco Bechis
Buch
Marco Bechis · Lara Fremder
Kamera
Ramiro Civita
Musik
Jacques Lederlin
Schnitt
Jacopo Quadri
Darsteller
Antonella Costa (Maria) · Carlos Echeverría (Felix) · Dominique Sanda (Diana) · Chiara Caselli (Ana) · Pablo Razuk (Tex)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
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Diskussion
Der Folterer redet leise, fast sanft. Man könnte den Eindruck gewinnen, er und sein Opfer wollten sich nur unterhalten, zumal es sich in einer halb verdunkelten Zelle, bei plärrendem Radio, fast ungestört reden lässt. Beide sind gleich alt, Mitte 20, und könnten genauso gut gemeinsam in einer Vorlesung sitzen. So aber hat der Mann seinen Job; die Frau liegt derweil unbekleidet auf einem Metalltisch, mit Elektroden am Körper. Käme sein Boss nicht plötzlich herein, würde Felix, so scheint es, vergessen, dass er Maria foltern muss. Und er entschuldigt sich auch fast bei ihr, so weit ihm das sein durch Hemmungen und seine Zuneigung zu Maria und die ganzen Umstände minimierter Wortschatz erlaubt. Schließlich lebte er lange als Untermieter im Haus von Marias Familie und tut dies auch heute noch. Dann aber geht er an die Arbeit. Was genau er dabei tut, sieht und hört man nicht. Genauso wenig, wie Buenos Aires und ganz Argentinien irgend etwas von den Zuständen im Land sehen und hören wollen. Wie die meisten ehemaligen Diktaturen hat sich auch Argentinien schwer getan, seine Vergangenheit offiziell wie auch künstlerisch aufzubereiten. Dieser Film gehört zu den wichtigsten und folgenreichsten Beiträgen, die sich mit der brutalen Militärjunta von 1976 bis 1983 auseinandersetzen. Er hat Diskussionen neu entfacht, die zu verstummen drohten. Dabei ist „Junta“ kein polemisches Werk, sondern eines, das mit größtmöglichem Respekt vor den Betroffenen, aber auch vor den Augen der Zuschauer Zeugnis davon ablegt, was jahrelang geleugnet wurde. Er erzählt von Maria, die in den Armenvierteln der Hauptstadt als Lehrerin arbeitet und darüber hinaus in der Opposition tätig ist. Wie viele Tausende ihrer Landsleute wird sie eines Tages von einer Horde nichtuniformierter Männer entführt. Ihr Aufenthaltsort wird geheim gehalten, die Verwandten, in diesem Fall die Mutter, sind hilflos. Wochen- und monatelang werden Menschen wie Maria in Gebäuden mitten in der Stadt, in Buenos Aires und anderswo, gefangen gehalten und gefoltert. Der Originaltitel „Garaje Olimpo“ bezeichnet einen authentischen Ort, eine Autowerkstatt, die solcherart genutzt wurde. Regisseur Marco Bechis, auch er damals ein Lehrer, saß selbst als junger Mann in einem dieser Gefängnisse. Anders als die meisten Mitgefangenen hatte er Glück und wurde nur des Landes verwiesen. Die Gefangenschaft hat er meisterhaft in Szene gesetzt, gerade dadurch, dass er alles Spektakuläre meidet und stattdessen mit seiner Handkamera einen gespenstischen Apparat von jungen Männern zeigt, die sich die Freizeit mit Tischtennis vertreiben – auch dies ist authentisch – und allein von einem Uniformierten dazu angetrieben werden, in den Zellen ihre Pflicht zu tun. Das Grauen wird zwar vorstellbar, aber nicht durch Bilder verstellt, die es kaum je darstellen können. Auch den historischen Aspekt hält Bechis weitgehend heraus. Abgesehen von wenigen Hinweisen, etwa der Kleidung, sieht „Junta“ aus wie ein Gegenwartsfilm, damit er erst gar nicht den Eindruck erweckt als handele es sich hier um abgeschlossene Geschichte. Umso unwirklicher sieht bei Bechis das alltägliche Treiben im Buenos Aires jener Zeit aus. Alles wirkt hyperreal, taubstumm, überbelichtet. Auch zu den damaligen sozialen und politischen Umständen äußert sich der Film kaum; das hat Bechis in anderen Beiträgen bereits getan. Er zeigt immerhin einen Priester, zu dem die verzweifelte Mutter Marias zur Beichte eilt, dessen einzige Bestimmung es aber zu sein scheint, seine Gemeinde auszuhorchen und zu denunzieren. Die Idee zu diesem Film kam Bechis seltsamerweise in Bosnien, wo er einen ähnlichen Albtraum sah wie den, der seine Heimat heimsuchte: eine Apokalypse neben der real existierenden Normalität.
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