Die Kunst des negativen Denkens

Komödie | Norwegen 2006 | 79 Minuten

Regie: Bård Breien

Ein durch einen Unfall querschnittsgelähmter 30-Jähriger macht seiner Frau das Leben zur Hölle. Abhilfe soll eine Therapiegruppe unter Leitung einer frohgemuten Sozialarbeiterin bieten. Doch die hohen Dosen an positivem Denken, die sie ihren Patienten verordnet, schlagen beim neuen Mitglied nicht an. Vielmehr unterwandert es die gute Laune und enttarnt Lebenslügen. Eine schwarze Komödie, die in ihrer "politischen Unkorrektheit" allerdings etwas selbstgefällig und vorhersehbar daherkommt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KUNSTEN Å TENKE NEGATIVT
Produktionsland
Norwegen
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Maipo Film- og TV Produksjon
Regie
Bård Breien
Buch
Bård Breien
Kamera
Gaute Gunnari
Musik
Stein Berge Svendsen
Schnitt
Zaklina Stojevska
Darsteller
Fridtjov Såheim (Geirr) · Kjersti Holmen (Tori) · Henrik Mestad (Gard) · Marian Saastad Ottesen (Marte) · Kari Simonsen (Lillemor)
Länge
79 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Capelight (16:9, 1.85:1, DD5.1 norw./dt.)
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Diskussion
In Skandinavien hat man es in Sachen „schwarzer Humor“ gern eine Nummer lauter und – vermeintlich – böser. In den letzten Jahren wurden Inzest, Rassismus, Sterbehilfe und Behinderungen zu „Plattformen“ ethischer Diskurse. Filme wie „Idioten“ (fd 33 631) und „Elling“ (fd 35 384) oder die fast schon vergessenen „Miffo“ (fd 36 6809), „Dänische Delikatessen“ (fd 36 640) und „Adams Äpfel“ (fd 37 779) wagten einen etwas anderen Blick auf soziale bzw. ethische Konflikte. Jetzt folgt mit „Die Kunst des negativen Denkens“ ein verspäteter Nachzügler des Subgenres, der sich wie eine leidlich inspirierte Variation von „Einer flog über das Kuckucksnest“ (fd 19 710) ausnimmt. Die Geschichte ist schnell erzählt: Die junge Invild ist die Schübe von Selbstmitleid ihres seit einem Unfall querschnittsgelähmten Ehemannes Geirr leid. Geirr, Anfang 30, begreift sein Schicksal nicht als Chance, sondern ist boshaft, hört den ganzen langen Tag Songs von Johnny Cash, guckt Kriegsfilme und konsumiert dazu einen Joint nach dem anderen. Wahrlich kein angenehmer Zeitgenosse! Aber warum sollte man nach einem Unfall mit solchen Folgen noch ein angenehmer Zeitgenosse sein? Damit man die Mitbürger nicht behelligt! Dafür sind Sozialarbeiter wie Tori zuständig, die eine Gruppe höchst unterschiedlicher Menschen mit Behinderung durch permanente Gehirnwäsche bei bester Laune hält. Die Welt, so ihr Motto, ist schön, wenn man sie nur „richtig“ anschaut. Tori, die Propagandistin der Kunst des positiven Denkens, hat ein gruppendynamisches Terrorregime errichtet, das von Geirr in kürzester Zeit erfolgreich geschleift wird. Geirr lässt sich gar nicht erst auf „das Positive“ ein, sondern infiltriert die professionell gut gelaunte Behindertengruppe mit seiner nihilistischen Boshaftigkeit. Das ist durchaus amüsant, aber nicht abendfüllend, weshalb sich Regisseur und Drehbuchautor Bard Breien darum bemüht, den behinderten Nebendarstellern etwas biografische Kontur zu verleihen. Da ist Asbjorn, der nach einem Schlaganfall gelähmt und stumm ist. Er wird im Verlauf des Films wieder sprechen und gehen lernen. Da ist die nach einem Bergunfall gelähmte Marte, deren Mann Gard wunderbar mit den Konsequenzen (s)einer kleinen Unachtsamkeit zu leben gelernt hat. Das bisschen Querschnittslähmung kann diese aufgeklärte Beziehung nicht tangieren, zumal ein schlechtes Gewissen im Spiel ist. Jedenfalls nicht, solange die Behinderten unter dem Bann von Tori stehen. Ein Abend mit Geirr, viel Alkohol, Gruppenkiffen, bösen Wahrheiten, die endlich einmal ausgesprochen werden, und etwas russischem Roulette bringt Schwung in die Gruppe, bis alle Lebenslügen, pragmatischen Gesundbetereien und elementaren Interessen offen auf dem Tisch liegen. Muss man noch verraten, dass natürlich ausgerechnet Tori die fundamentalsten Probleme hat? Absolut vorhersehbar schleppt sich der Film dahin, auf engstem Raum inszeniert wie ein Theaterstück. Natürlich geht es nicht nur um Menschen mit Behinderungen, sondern um gesellschaftliche Ideologien, deren Beschränkung auf konstante Positivität als Haltung in Frage gestellt werden soll. Damit das funktioniert, muss man eben auch mal „unkorrekte“ Sprüche klopfen und hinter die Fassade des Wellness-Terrorismus gucken. Offen bleibt allerdings, ob hier nicht durch permanentes Sich-selbst-auf-die-Schulter-klopfen für den eigenen Mut zur Unkorrektheit offene Türen eingerannt werden. Schaltet man das „Unterschichtenfernsehen“ ein, muss auch dort das „Feindbild“ der herrschenden „political correctness“ als Alibi der eigenen Menschenverachtung herhalten. Wer sich radikale Tabuverletzung auf die eigenen Fahnen schreibt, verrät zunächst nur sehr viel über sich. Muss man tatsächlich ins Kino gehen, um zu verstehen, dass körperliche Behinderung eine echte Zumutung sind?
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