Drama | Italien/Frankreich/Spanien/USA/Großbritannien 2019 | (neun Folgen) Minuten

Regie: Paolo Sorrentino

Fortsetzung der Serie "The Young Pope": Der dort zu Papst Pius XIII. aufgestiegene Amerikaner Lenny Belardo liegt über drei Jahre, nachdem er einen Herzinfarkt erlitt, noch im Koma. Nachdem ein neu gewählter, an den realen Papst Franziskus angelehnter Nachfolger, der einen unbequemen Reformkurs einzuschlagen droht, kurz nach seiner Wahl schon wieder das Zeitliche segnet, fokussieren sich die Strippenzieher im Vatikan auf einen als gemäßigt geltenden Engländer, der von einer Delegation in seinem noblen Anwesen besucht wird und schließlich tatsächlich zum neuen Pontifex Johannes Paul III. aufsteigt. Was zu heftigen Spannungen führt, als Lenny schließlich doch noch aus dem Koma erwacht. Eine stimmige Fortführung des Stoffs rund um das am Papstamt festgemachte Ringen der katholischen Kirche um einen glaubwürdigen Kurs im Spannungsfeld von Tradition und notwendiger Reform, wobei einmal mehr die schiere Lust an oppulenten, vor (Kunst-)Geschichte strotzenden Schauplätzen und satirische Überspitzungen der vatikanischen Polit-Spiele zusammengehen mit exiszenziellem Ernst, wenn es ums Glaubens-Ringen der Figuren geht. Starke Darsteller und eine exzellente Kameraarbeit schließen ans Niveau der Vorgänger-Staffel an. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE NEW POPE
Produktionsland
Italien/Frankreich/Spanien/USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Wildside/Haut et Court/Mediapro/Sky Italia/HBO/Canal+
Regie
Paolo Sorrentino
Buch
Paolo Sorrentino · Umberto Contarello · Stefano Bises
Kamera
Luca Bigazzi
Musik
Lele Marchitelli
Schnitt
Cristiano Travaglioli
Darsteller
Jude Law (Lenny Belardo) · John Malkovich (Sir John Brannox) · Silvio Orlando (Kardinal Angelo Voiello) · Cécile de France (Sofia Dubois) · Javier Cámara (Kardinal Bernardo Gutiérrez)
Länge
(neun Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Satire | Serie
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Die bildgewaltige Fortführung von Paolo Sorrentinos Serie "The Young Pope": Drei Jahre, nachdem der in Staffel 1 zum Papst aufgestiegende Lenny Belardo (Jude Law) ins Koma gefallen ist, sucht die Kurie in Rom einen Nachfolger.

Diskussion

In Zeiten öffentlich pinkelnder Prinzen und gekrönter Starlets, von Selbstoptimierungs- und Castingshows erscheint sogar das Royale banal und alles für jede und jeden erreichbar – nur das Papsttum bewahrt sich seit je den sakrosankten Nimbus, der früher auch Könige und Kaiser unantastbar machte; ein Pathos der Distanz. Paolo Sorrentinos Serie um eigenwillig-charismatische, (fiktive) neue Päpste lockt damit, diese Distanz zu überbrücken und zwischen den prächtigen Kulissen Roms, hinter den Hierarchien und Zeremonien des Vatikans einen Blick zu erhaschen auf Sein und Seele von Petri Statthalter auf Erden. Dies wird den Zuschauern nach "The Young Pope" auch in der zweiten Staffel gewährt, und zwar reichlich, nach einigen etwas umständlichen Präliminarien und politischen Verhandlungen. Aber die gehören wohl seit Jahrhunderten dazu zum heiligen Spiel …

Da Pius XIII. (Jude Law) im Koma liegt, muss ein neuer Papst her

Lenny Belardo (Jude Law), als Pius XIII. vor Kurzem erst als Hoffnung und Schrecken der katholischen Christenheit inthronisiert, liegt nach diversen spirituellen Eskapaden unter einem gigantischen Neonkreuz in Venedig im Koma (ein solches spielt auch im ästhetisch provozierenden Vorspann der Folgen keine kleine Rolle). Es stehen jedoch wichtige Beschlüsse und dringend nötige Reformen an, zur Sexualmoral, zur Einigkeit der Weltkirche, sodass sich die Kurie – zerfallen in zwei etwa gleich starke Lager – nolens volens auf einen Kompromisskandidaten als ‚geschäftsführenden‘ Papst einigt. Dieser, Franziskus II. (Marcello Romolo), bescheidet sich allerdings durchaus nicht mit der ihm zugedachten Rolle als Strohmann, sondern errichtet schnell eine Diktatur franziskanischer Armut und Schlichtheit unter seinen Kardinalskollegen. Damit lebt er freilich gefährlich – und nicht allzu lange … 

Kardinalstaatssekretär Voiello (Silvio Orlando) muss sich nun mit den Spindoktoren des Vatikans, allen voran der Marketingchefin des Heiligen Stuhls Sofia Dubois (Cécile de France), beraten und zieht quasi als Joker und Outsider den exzentrischen britischen Geistlichen Sir John Brannox (John Malkovich) aus dem Hut. Der hat sich jedoch, enttäuscht von Welt und Leben, mit Butler und Hund auf seinen Landsitz wie in ein Mausoleum zu Lebzeiten zurückgezogen, bohrt im Angesicht eines imposanten Denkmals Kardinal Newmans die ganz dicken theologischen Bretter („via media“) und macht zunächst keinerlei Anstalten, das höchste und ehrenvollste Amt, das die Una Sancta zu vergeben hat, antreten zu wollen. Als er schließlich einwilligt, kommt es zu einem erneuten, sehr kurzen Konklave, und Sir John als Johannes Paul III. wird, wieder einmal, ein ganz neuer Papst, auf der Suche nach glaubwürdigen Themen einer Kirche in der Krise, nach Befriedung, Erneuerung und Relevanz sowie nicht zuletzt nach einem persönlichen Charisma, das dem des von seinen treuen AnhängerInnen bereits wie ein Heiliger verehrten Pius XIII. gleichkäme, auf dessen Lebenszeichen und Erwachen eine ganze Welt wartet …

Römischer "Genius loci" und Satire treffen auf existenziellen Ernst

Unbedingt überzeugend gerät der Fortsetzung der Serie gleichermaßen die Darstellung der Massenszenen wie auch der intimeren Zwiegespräche – man merkt Sorrentino eine besondere Vertrautheit mit Thema und Genius loci an. Dabei wagt er als Regisseur viel; nicht so sehr wegen der verzückt-bacchantischen Nonnentänze der Introduktion, sondern vielmehr aufgrund des teilweise extrem zurückgenommenen Tempos: Hier werden komplexe existenzielle Sachverhalte für ein reifes, erwachsenes Publikum verhandelt – und es wird geredet, viel geredet dabei. Die in der Synchronisation durchgehaltene Mehrsprachigkeit (ein Faktum wohl im Vatikan) hilft nicht gerade, wenn Kardinal Voiello in recht gebrochenem Englisch mit Brannox verhandelt. Auf der anderen Seite: Die innigen, persönlichen Gebete, die die Wahlmänner vor dem großen Konklave vor Gott bringen, sind ein früher Höhepunkt der Staffel, auch musikalisch ergreifend orchestriert.

Ebenso psychologisch stimmig erfasst werden die notwendigen Wandlungen, der selbst die größten Idealisten im höchsten geistlichen Amt sich zu unterziehen haben: Schon „Lenny“ nötigte sich in Staffel 1 als Pius XIII. viel, zu viel ab und zahlt einen hohen Preis dafür, und Franziskus II. entartet schnell zum Extremisten; es bleibt abzuwarten, ob der geistig unabhängigste Kandidat, JPIII., seinem Pontifikat stärkeres persönliches Gepräge zu geben vermag.

Eine Licht-und-Schatten-Gestalt in Weiß

Ein besonderes Qualitätsmerkmal seriellen Erzählens ist es doch immer, wenn eine Story Raum bietet für sekundäre Handlungsstränge mit überzeugenden Nebenfiguren; sie verbürgen Wahrhaftigkeit und Welthaltigkeit der Geschichte. So auch hier: Geradezu üppig lässt Sorrentino vielversprechende Erzählknospen sprießen, die entweder die weltlichen, persönlichen Hintergründe der Kleriker oder die geistlichen Anfechtungen des Laienpersonals beleuchten. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu den (seltenen, eher angedeuteten) Sexszenen der Reihe, die allerdings eher unauthenisch und klischeehaft anmuten; die Serie hätte hier ihren Fokus lieber – diskursiv – auf die allgegenwärtigen sittlichen Verfehlungen ihres Hauptpersonals legen sollen. Technisch legt Sorrentino jedoch ein makelloses Werk vor, reich an klugen Schnitten und unbedingt stilsicher in der Inszenierung der (Innen-)Räume.

Das Hauptaugenmerk liegt aber natürlich auf der titelgebenden Licht-und-Schatten-Gestalt in Weiß, auf „dem neuen Papst“. Recht lange lässt er sich so gar nicht in die Karten schauen, und John Malkovich spielt das selbstredend souverän und mit sichtlichem Gusto. In der zweiten Hälfte dieser Staffel beginnt er jedoch, so etwas wie die programmatischen Leitlinien seines Pontifikats zu enthüllen, und die haben es in sich! Die Bibel ist und bleibt das unverhandelbare sittliche Fundament des Glaubens, auch im 21. Jahrhundert, so belehrt er eine verdutzte Sharon Stone (as herself) während einer Audienz. „Passion is the eternal enemy“, lässt er andernorts verlauten, „tenderness“ wünsche er sich öfters an ihre Stelle. Ein sanfter Rebell und konservativer Revolutionär mit Petri Schlüsselgewalt – das lässt die Heiden toben!

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