Drama | Deutschland 2013 | 89 Minuten

Regie: Lars Kraume

Eine herzkranke junge Frau, die ahnt, dass eine bevorstehende Operation ihr Tod sein wird, will das Wochenende davor mit ihren beiden Schwestern verbringen. Bei der gemeinsamen Reise wird in Erinnerungen geschwelgt und die schwesterliche Vertrautheit genossen, aber auch Brüche und Verletzungen dringen an die Oberfläche. Ein stiller, ganz auf seine drei Hauptfiguren konzentrierter Film über Familienbande im Angesicht von Krankheit und Tod, der keine simplen Tröstungen bietet und vor allem durch seine glaubwürdigen Figuren berührt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Badlands Film/NDR/ARTE
Regie
Lars Kraume
Buch
Esther Bernstorff
Kamera
Jens Harant
Musik
Julian Maas · Christoph Kaiser
Schnitt
Barbara Gies
Darsteller
Jördis Triebel (Linda) · Nina Kunzendorf (Katharina) · Lisa Hagmeister (Clara) · Stephan Grossmann (Micha) · Jaecki Schwarz (Vater)
Länge
89 Minuten
Kinostart
06.02.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs sowie ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Alamode (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Alamode (16:9, 1.85:1, dts-HD dt.)
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Diskussion
Gegen Ende fragt Linda, die herzkranke Hauptfigur, ihren Onkel ausgerechnet in der Pariser Sacré-Coeur-Kirche, ob er an Gott glaube. Er verneint. Sie antwortet: „Ich schon.“ Die Art und Weise, wie sie es sagt, lässt einen allerdings darüber rätseln, was dieser Glaube für sie bedeutet. Ist er ihr angesichts ihrer Herzkrankheit, die sie von Kindheit an mit sich herum schleppt und die sie bald töten wird, ein Trost? Oder sind es Wut und der Groll angesichts ihres ungerechten Schicksals, die sie gleich dreimal im Lauf des Films in Kirchen führen? Vielleicht trifft beides zu. Dass die wichtigsten und engsten Beziehungen einem am meisten Halt bieten und doch auch gleichzeitig das sind, was einen am schwächsten und verletzlichsten macht, ist jedenfalls das zentrale Thema von Lars Kraumes Drama. Um Lindas Beziehung zur Religion geht es dabei nur am Rande; im Zentrum steht ihr Verhältnis zu ihren beiden Schwestern, der älteren Katharina und der jüngeren Clara. Daran, dass seine Hauptfigur totgeweiht ist, lässt Kraume keinen Zweifel: Gleich zu Beginn sieht man, dass Linda während einer Operation stirbt. Es geht in dem Film also nicht darum, um die Protagonistin zu bangen, sondern darum, ihren Prozess des Abschiednehmens zu begleiten. Obwohl Linda erst Mitte Dreißig ist, kommt ihr Ende nicht wirklich vorzeitig, sondern unerwartet spät: Wegen ihres angeborenen Herzfehlers hatten ihr die Ärzte nur wenige Lebensjahre prophezeit, aus denen dann wider Erwarten doch ein halbes Leben wurde. Von ihrer Bahre aus führt ihre Off-Stimme den Zuschauer zurück in die letzten Tage ihres „geschenkten“ Lebens, die der jungen Frau vor ihrem Tod noch bleiben. Linda will diese Zeit nicht mit ihrem Ehemann verbringen, sondern mit ihren beiden Schwestern, und zwar in Tating an der Nordsee, wo ihre Familie während der Kindheit der Mädchen stets die Urlaube verbrachte. Das Trio mietet sich in der Pension ein, die die Schwestern noch aus Kindertagen kennen, und lässt am Meer und in der Disko alte Tage wieder aufleben, aber auch aktuelle Sorgen, Spannungen und Lasten an die Oberfläche dringen. Schließlich beschließen die drei spontan, den gemeinsamen Ausflug noch etwas weiter auszudehnen, und nehmen den Nachtzug nach Paris, um dort eine Tante und deren Mann zu besuchen. Sind die drei Schwestern sich auch sehr nah, so sind sie doch alles andere als ein Herz und eine Seele, sondern drei sehr unterschiedliche Frauen, die alle auf ihre Weise mit sich und den anderen und ihrer Rolle innerhalb des Familienverbandes durchaus nicht im Reinen sind. Lars Kraume hat, um diese starken Figuren glaubwürdig zu gestalten, seinen Film zusammen mit seinen drei Hauptdarstellerinnen entwickelt; gedreht wurde in chronologischer Reihenfolge, um eine Szene jeweils aus dem ganzen Vorwissen um die Situation, aus der die Figuren gerade kommen, zu gestalten. Dass hier die Schwestern ganz im Zentrum stehen, betont auch die Inszenierung, die sich für die durchaus fotogenen Settings – die Nordseeküste, Paris – und auch die Nebenfiguren nur insofern interessiert, als sich die Schwestern ins Verhältnis zu ihnen setzen. Die Anziehungen und Abstoßungen, die Vertrautheit und die Fremdheiten zwischen den Schwestern, die komplexen, ambivalenten, von der frühesten Kindheit an gewachsenen Verflechtungen aus dunkel und hell getönten Gefühlen, die sie verbinden, werden mit größter Sensibilität herausgearbeitet. Und mehr als die Worte der Frauen erzählen dabei die Gesichter, die Blicke und Gesten des furios aufspielenden Darstellerinnen-Trios und die Art und Weise, wie die Kameraarbeit und die Montage ihre Beziehungen zueinander orchestrieren. "Meine Schwestern“ ist kein bittersüßes, kathartisch-erbauliches Sterbedrama, das seine Figur kurz vor ihrem Ende noch einmal alte Rechnungen begleichen, Dinge in Ordnung bringen und innerlich reifen lässt. Das Leid, das Lindas Tod für sie selbst und für ihre Schwestern bedeutet, erfährt hier keine Apotheose; und auch die Spannungen zwischen den Schwestern werden nicht rückstandslos aufgelöst. Das macht diesen leisen, offenen Film sehr schmerzhaft. Gleichzeitig möchte man aber die Zeit, die man mit den glaubwürdigen, eindringlichen Figuren verbracht hat, genauso wenig missen wie die drei Schwestern ihr letztes gemeinsames Wochenende.
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