Zum Tode von Tom Wilkinson (5.2.1948-30.12.2023)

Der britische Bühnendarsteller Tom Wilkinson wurde im mittleren Alter ein hochbegehrter Charaktermime im Kino, der nach seinem Auftritt als Amateur-Stripper in „Ganz oder gar nicht“ 25 Jahre lang in zahlreichen Filmrollen glänzte. Zuverlässig und vielseitig füllte er autoritäre Charaktere ebenso aus wie Sympathieträger und glänzte besonders dort, wo vermeintlich gefestigte Männer vor den Augen der Zuschauer von Schicksalsschlägen aus dem Gleichgewicht gebracht wurden.

Von Marius Nobach

Königinnen unter sich - Sofia Coppola

Rund 25 Jahre, nachdem sie mit „The Virgin Suicides“ erstmals von sich reden machte, sorgt Sofia Coppola derzeit mit ihrem neuen Film „Prisiclla“ für Aufsehen. Einmal mehr setzt sich die Filmemacherin darin mit einer weiblichen Coming-of-Age-Geschichte auseinander und blickt aus weiblicher Perspektive auf ein Stück Popkultur. Mit ihren Arbeiten ist sie zur Wegbereiterin für eine neue Generation von Filmemacherinnen mit eigenen Perspektiven, Visionen und Ausdrucksweisen geworden.

Von Sofia Glasl

Trotz allem mit Liebe filmen - Erinnerungen an Otar Iosseliani

Die Welt ist eigentlich zu hässlich, als dass sie die Zärtlichkeit und Zuneigung verdient hätte, mit der Otar Iosseliani auf sie geblickt hat. Obwohl er nicht an die Veränderbarkeit der Wirklichkeit glaubte, rückte er das Unscheinbare und Beiläufige ins Zentrum seiner Filme. Und auch wenn Aufbruch und Scheitern darin eng verwandt sind wie Komik und Tragik, dominierte stets der Wunsch, gut gelebt zu haben, bevor man stirbt. Nachruf auf einen heiteren Melancholiker.

Von Patrick Holzapfel

In Memoriam… 2023

Zu den Übergangsritualen ins neue Jahr gehört auch der Rückblick auf verstorbene Filmschaffende. Das ist mehr als eine pflichtschuldige Übung, die verdienstvollen Akteuren posthum Respekt zollt. Die kleinen Wort-Stelen halten vielmehr die bleibenden Verdienste der Künstlerinnen und Künstler fest, die sich auf ihre Weise ins Reich der bewegten Bilder eingeschrieben haben. Ohne sie würden die Leinwände weniger funkeln. Ihr Andenken öffnet zudem den Raum der Filmgeschichte, ohne deren Kontexte vieles Neue gar nicht denkbar wäre.

Von Marius Nobach

Das Unsagbare - Tatsuya Nakadai

Vor allem seine Rollen für Akira Kurosawa haben den japanischen Schauspieler Tatsuya Nakadai weltbekannt gemacht, vom schusswaffenverliebten Jungspund in „Yojimbo“ bis zum greisen Fürsten in „Ran“. Der am 13. Dezember 1932 geborene Darsteller hatte seinen Durchbruch mit dem dreiteiligen Antikriegsfilm „Barfuß durch die Hölle“ und bewährte sich in Samurai-Filmen, Genreparodien und ernsten Gesellschaftsdramen. Gemeinsam ist all seinen klassischen Rollen die Betonung seiner beredten Augen, in denen sich Tragik wie dämonische Züge abbilden können.

Von Karsten Munt

Der Sehnsucht folgen - Interview mit Aylin Tezel

Als „Tatort“-Kommissarin wurde die 1983 geborene Schauspielerin Aylin Tezel einem breiten deutschen Publikum bekannt, mit „Falling Into Place“ legt sie nun ihr Langfilm-Regiedebüt vor: Eine melancholisch getönte Boy-Meets-Girl-Geschichte abseits ausgetretender Genrepfade. Im Interview spricht Tezel unter anderem darüber, was sie hinter die Kamera gezogen hat und wieso es als Drehort für ihren Film ausgerechnet die schottische Isle of Skye sein musste.

Von Michael Ranze

Stille als Stilelement - Colm Bairéad

In seinem ersten, in irischer Sprache gedrehten Spielfilm „The Quiet Girl“ (jetzt im Kino) erzählt der Regisseur Colm Bairéad von einem jungen Mädchen aus einer kinderreichen Familie, das im Sommer 1981 ein paar Wochen bei Verwandten verbringt und dort eine bislang unbekannte Zuneigung und Fürsorge erfährt. Die Low-Budget-Produktion überzeugte nicht nur die Filmkritiker, sondern begeisterte weltweit das Publikum.

Das Gespräch führte Jörg Taszman

Fanal der Intoleranz - Interview mit Marco Bellocchio zu „Die Bologna-Entführung“

Regisseur Marco Bellocchio läuft in den letzten Jahren zu neuer Hochform auf. Nach der Mafia-Geschichte „Il Traditore“, dem sehr persönlichen Dokumentarfilm „Marx Can Wait“ und der Serie „Und draußen die Nacht“ feierte in Cannes 2023 „Die Bologna-Entführung - Geraubt im Namen des Papstes“ Premiere. Der Film greift das Reizthema Antisemitismus auf und kreist um den historisch verbürgten Fall einer päpstlich angeordneten Kindesentführung.

Von Jörg Taszman