© imago/Cinema Publishers Collection (Clark Gable und Jean Harlow in „Saratoga“)

Es geschah in einer Kino-Nacht - Clark Gable

Vor 120 Jahren wurde Clark Gable geboren. Hommage an den größten Herzensbrecher Hollywoods

Veröffentlicht am
13. Juni 2021
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„Dear Mr. Gable, You Made Me Love You“, flötete Judy Garland in „Broadway Melody of 1938“ – und sang vielen Zeitgenossinnen aus dem Herzen: Clark Gable war in den 1930er-Jahren der „King of Hollywood“, gipfelnd in seiner Verkörperung des Rhett Butler in „Vom Winde verweht“. Der Machismo der Glücksritter, die er immer wieder verkörperte, fällt aus heutiger Sicht zwar oft in die Kategorie „toxische Männlichkeit“; die ironische Lässigkeit und das Charisma des Stars sind indes noch immer reizvoll.


Am 22. Juli 1934 ging John Dillinger ins Kino. Im „Biograph“ in Chicago, wo der Gangster untergetaucht war, sah er sich „Manhattan Melodrama“ mit Clark Gable an, damals schon einer der größten Stars von MGM. Gable heißt im Film Blackie, führt einen illegalen Spielclub, gibt ohne Groll seine Geliebte Myrna Loy für seinen besten Freund William Powell frei und erschießt einen Intriganten, der Powells Aufstieg vom Staatsanwalt zum New Yorker Gouverneur zu verhindern versucht. Als es zum Prozess kommt, muss Powell auf Todesstrafe für Gable plädieren, die auch vollstreckt wird. Blackie nimmt’s ihm nicht übel.

Für den Film „Public Enemies“ (2009) rekonstruierte Michael Mann den Kinoabend, der Dillingers letzter war. Der „Staatsfeind Nr. 1“, ein großer Verehrer von Myrna Loy, war mit einer Freundin ins Kino gegangen, die mit dem FBI paktierte. Mittels Ausschnitten aus „Manhattan Melodrama“ setzt Mann Dillinger (Johnny Depp) in einen virtuellen Dialog mit Gables Figur, der Dillingers erbärmliche Existenz in geschönter Hollywood-Manier spiegelt und ihm auch die Zukunft zeigt: Nach dem Film wird Dillinger von drei Kugeln niedergestreckt – eine irrsinnige, aber wahre Geschichte.

Dabei wäre ein letzter Gruß von James Cagney („Public Enemy“!) vom Rollenprofil her passender gewesen. Anders als der auf Gangsterrollen spezialisierte Cagney bewegte sich Clark Gable nur in seiner Frühzeit gelegentlich in der Unterwelt (und nach der Devise: Machismo ja, Blutrausch nein); später war er auf Helden statt auf Antihelden abonniert. Die Kinosequenz mit einem kindlich kinobegeisterten Dillinger passt aber trotzdem gut zu Gable, weil darin mitschwingt, wie der Star auf sein Publikum wirkte, zu dem er nie den Draht verlor: Er verblüffte die Leute nicht so sehr mit darstellerischer Wandlungsfähigkeit, die im 1930er-Heldenfach ohnehin kaum gefragt war, sondern er wickelte sie vor allem mit unwiderstehlichem Charme um den kleinen Finger.

Clark Gable und Vivian Leigh in "Vom Winde verweht" (imago/United Archives)
Clark Gable und Vivian Leigh in "Vom Winde verweht" (© imago/United Archives)


Es war ja nicht nur der kräftige Körper, der ihn zum Leading Man machte und ihm fast die Tarzan-Rolle eingebracht hätte. Für die mag Johnny Weissmullers breiter Brustkorb dann noch etwas geeigneter gewesen sein – aber Rhett Butler hätte Weissmuller nie spielen können, Gables berühmteste Figur, die ganz von seinem lässigen Glücksritter-Charisma lebt. Von den Dackelfalten über die bei Bedarf ironisch separat auf und ab tanzenden Augenbrauen, die schnuckeligen Grübchen und das eine Spur schiefe Lächeln wusste Gable seine Mimik meisterhaft zu kontrollieren. Der frühere Theaterschauspieler agierte in „Vom Winde verweht“ wie für die letzte Sitzreihe, während Vivien Leigh, Olivia de Havilland und Leslie Howard zurückhaltender spielten. Aber es funktioniert, gerade deswegen – das Kraftstrotzend-Energetische, das Gable der Figur mitgab, machte sich bestens als attraktiver Kontrast zur verfeinerten Südstaaten-Oberschicht.


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Gable befürchtete, dass das Sezessionskrieg-Drama, für dessen Inszenierung ursprünglich George Cukor vorgesehen war, zum reinen „Frauenfilm“ geraten könnte. Er soll maßgeblich für Cukors Austausch gegen Victor Fleming verantwortlich gewesen sein. Fleming, ein Buddy des Stars, gab der Figur offenbar das Gewicht, das Gable verlangte. Er hatte gezögert, die Rolle anzunehmen, für die er prädestiniert war – alle, einschließlich der „Vom Winde verweht“-Autorin Margaret Mitchell, waren dieser Ansicht. „Das öffentliche Interesse machte mich verrückt“, klagte Gable später. „Ich weiß jetzt, wie eine Fliege in einem Spinnennetz reagiert.“ Beim Dreh konnte er sich dann so weit vom Druck befreien, dass vor der Kamera sogar Tränen flossen. Und zwar seine! Rhett, mitschuldig an Scarletts Fehlgeburt, wird in einer Szene von deren Cousine Melanie getröstet. Fleming schaffte es nicht, Gable dafür zum Weinen zu bringen. Das gelang erst Melanie-Darstellerin Olivia de Havilland durch gutes Zureden. „Er fand, es sei unmännlich“, rekapitulierte sie, „so waren Männer damals eben konditioniert“.


Der Mensch hinter dem Image

Das ist kein Grund, Clark Gable mit Clark Gable zu verwechseln. Er wurde am 1. Februar 1901 in einem Dorf in Ohio geboren; seine Mutter starb, als er zehn Monate alt war. Er war ein schüchterner Junge, dem die Stiefmutter das Klavierspiel bei- und die Literatur nahebrachte (später ließ Gable sich ungern beim Lesen fotografieren, obwohl er Bücher liebte). Sein Vater, ein Ölarbeiter, schleifte ihn zur Jagd und drängte seinen Sohn zu harter körperlicher Arbeit. Eine Tournee-Theateraufführung wurde für den 17-Jährigen dann zum Erweckungserlebnis, doch erst mit 21 Jahren gab er die handfesten Jobs nach dem Geschmack seines Vaters auf und nahm eine Schauspielkarriere in den Blick.

Ab Mitte der 1920er-Jahre machte Gable in Hollywood durch Affären mit diversen gleichaltrigen Kolleginnen von sich reden, darunter Joan Crawford und Loretta Young (die Vaterschaft der gemeinsamen Tochter erkannte er nie an), aber bis dahin waren es die alternden Theatergrößen, die ihn unter die Fittiche nahmen und ihn mit Bühnenrollen in ihren Stücken versorgten. Seine ersten beiden Ehefrauen waren um die 15 Jahre älter, die zweite eine reiche texanische Witwe (Scheidung: 1939), die erste – Josephine Dillon, die er 1924 heiratete und zeitlebens schätzte – trainierte ihn als Schauspieler und managte ihn.

Für die Screwball-Comedy "Es geschah in einer Nacht" gab es den einzigen "Oscar" (imago)
Für die Screwball-Comedy "Es geschah in einer Nacht" gab es den einzigen "Oscar" für Clark Gable (© Warner Bros.)

Die abstehenden Ohren waren chirurgisch angeheftet und die schlechten Zähne durch ein künstliches Gebiss ersetzt worden, als MGM Gable unter Vertrag nahm und ihm 1931 eine Hauptrolle in „Laughing Sinners“ gab. Nach seinem Durchbruch als Gangster in „A Free Soul“ (1931), der seine Freundin Norma Shearer schlecht behandelt, musste er keine Nebenrollen mehr spielen. Innerhalb von drei Jahren, bis 1934, war Gable in über 30 Filmen Partner großer Stars wie Joan Crawford, Greta Garbo oder Jean Harlow.

Seine Rolle in der ersten großen Screwball-Comedy „Es geschah in einer Nacht“ (1934) brachte ihm seinen einzigen „Oscar“ ein. Weil er sich das Komödienfach nicht zutraute, wollte Gable den Part des arbeitslosen Reporters erst nicht spielen, der mit einer abtrünnigen Millionärstochter (Claudette Colbert) durchs Amerika der Großen Depression reist und ihr – „Tunken ist eine Kunst“ – das einfache Leben nahebringt. „Das ist der wahre Gable“, erklärte Regisseur Frank Capra später, und dass es schade sei, dass der Star nur hier den „bodenständigen Typen“ verkörpern durfte. „Sie ließen ihn diese überlebensgroßen, aufbrausend-männlichen Liebhaber spielen, aber er war nicht diese Art von Kerl. Er kam prima mit den einfachen Leuten klar. Er wollte schlicht Clark Gable spielen, so wie er in ‚Es geschah in einer Nacht‘ zu sehen war.“ Das Publikum von 1935 schien Capra recht zu geben: In einer Ed-Sullivan-Umfrage nach dem „King of Hollywood“ siegte Gable, „King“ wurde er bis zu seinem Lebensende genannt.


Ein früher Aufstand gegen Diskriminierung

In der zweiten Jahrzehnt-Hälfte wurde er „Bigger than life“ – da gab es wirklich kein Zurück. Der „bodenständige Typ“ und das Rollenmuster drifteten zunehmend auseinander. „Vom Winde verweht“ wurde zur Schicksalsrolle nicht nur für Gable persönlich. Die heute – zumal nach den „Black Lives Matter“-Protesten – kritische Rezeption des Films als von Rassismus imprägniertes Machwerk überschattet auch den Nachruhm des berühmten Schauspielers.

Da nützt es wenig, darauf hinzuweisen, dass Gable gegen die Segregation am Set protestierte und solange streikte, bis die Toilettenschilder für „Schwarze“ und „Weiße“ abgenommen wurden. Mit Hattie McDaniel, die für ihre Darstellung der „Mammy“ immerhin den ersten „Academy Award“ für eine Afroamerikanerin gewann, war er bis zu ihrem Tod 1952 eng befreundet. Dennoch bleibt „Vom Winde verweht“ in der Schönfärbung der Sklaverei ein hochproblematisches Werk.

Immerhin konnte Gable während des Mammut-Drehs 1939 endlich Carole Lombard heiraten, mit der er schon länger heimlich liiert war, solange die Ehe mit der texanischen Witwe noch nicht geschieden war. Die wunderbare Schauspielerin Lombard und Gable avancierten zum Traumpaar Hollywoods, obwohl sie nach „No Man of Her Own“ (1932) keinen weiteren Film zusammen drehten. Gegensätze zogen sich an: Sie war linke Demokratin, er konservativer Republikaner.

Zärtlich nannten sie sich „Ma and Pa“ und züchteten auf ihrer Farm im kalifornischen Encino Hühner und Pferde. Das Glück währte kurz, Lombard starb 1942 bei einem Flugzeugabsturz, in tiefer Trauer brach Gable seine Filmarbeit ab und meldete sich zu den Luftstreitkräften.


Abschied von der Leinwand

Nach 1945 drehte Clark Gable wieder, überzeugte als Trapper in „Colorado“ (1951) und in John Fords Remake von „Dschungel im Sturm“ (in dem Gable und Jean Harlow 1932 brilliert hatten), das den Titel „Mogambo“ (1953) trug – aber der Glanz der Vorkriegsjahre war unwiederbringlich. Mit den Rollen, die er bei MGM bekam, war Gable unzufrieden, daher schloss er 1954 keinen Studiovertrag mehr ab. Sein letzter Film wurde einer seiner besten. In John Hustons „Misfits – nicht gesellschaftsfähig“ (1961) spielt Gable den alternden Cowboy Gay Langland, der Wildpferde fängt, damit sie zu Hundefutter verarbeitet werden. Unvergesslich seine letzte sinnlos-halsbrecherische Jagd, ein donquichottesker Kampf gegen Zeit und Vergänglichkeit, denn Gay hat längst beschlossen, die mühsam eingefangenen und gefesselten Pferde dann wieder freizulassen. Gay liebt Roslyn (Marilyn Monroe in ihrer ebenfalls letzten Rolle), und die hasst das Töten. Kurz nach den Dreharbeiten starb Clark Gable 59-jährig an einem Herzinfarkt.

Clark Gable und Marylin Monroe in "Misfits - Nicht gesellschaftsfähig (imago/Cinema Publishers Collection)
Clark Gable und Marylin Monroe in "Misfits - Nicht gesellschaftsfähig (© imago/Cinema Publishers Collection)

Er konnte sich verrennen und in falsche Ideale verbeißen. Aber auch loslassen, bereuen, Rechenschaft ablegen. In „Manhattan Melodrama“ (1934) tötet Blackie weder aus Habgier noch im Affekt, er erschießt einen Mann aus Freundschaft zu einem anderen Mann. Es ist ein Märchen. Im wahren Leben saß ein John Dillinger im Biograph-Kino und ließ sich dieses Märchen von Ritterlichkeit gefallen. Wer heute Clark Gables Filme anschaut, erfährt so einiges über toxische Männlichkeit, wie das inzwischen genannt wird. Seine Figuren waren oft rücksichtslos und arrogant. Im wirklichen Leben möchte man solchen Männern nicht im Dunkeln begegnen. Doch im dunklen Kino schon, wo unser Herz heimlich für Clark Gable schlägt.

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