Familientreffen mit Hindernissen

- | Frankreich 2011 | 114 (24 B./sec.)/110 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Julie Delpy

Eine Frau erinnert sich an ein sommerliches Familientreffen im Jahr 1976 in der Bretagne, an dem sie selbst als elfjähriges Mädchen teilnahm. Die Turbulenzen des familiären Miteinanders passieren ebenso Revue wie die einer ersten Liebe und sorgen ebenso für Unruhe wie der Absturz der US-Raumstation "Skylab". Mit Verve erzählt, komponiert der Film ein feinfühliges Stimmungsbild der 1970er-Jahre und verdichtet die kleinen familiären Ereignisse zu unterhaltsamen Minidramen, wozu auch die komödiantisch treffsicheren Darsteller beitragen. Eine autobiografisch gefärbte Liebeserklärung an den Großfamilienverbund. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
LE SKYLAB
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
The Film/Mars Films/France 2 Cinéma/Tempête Sous Un Crâne Prod.
Regie
Julie Delpy
Buch
Julie Delpy
Kamera
Lubomir Bakchev
Schnitt
Isabelle Devinck
Darsteller
Lou Avarez (Albertine) · Julie Delpy (Anna) · Éric Elmosnino (Jean) · Aure Atika (Tante Linette) · Noémie Lvovsky (Tante Monique)
Länge
114 (24 B.
sec.)
110 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
09.08.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (16:9, 1.78:1, DD5.1 frz./dt.)
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Diskussion
Die Sterne sind in einem Moment zum Greifen nah, in einem anderen fallen sie einem fast auf den Kopf. Im Juli 1979 stürzte nicht nur die erste US-amerikanische Raumstation „Skylab“ unkontrolliert auf die Erde zurück; Obendrein überfällt die elfjährige Albertine an einem bretonischen Strand hinterrücks die erste Liebe. Mit der Raumfahrt und der Pubertät verhält es sich ähnlich: Wo sich großartige Möglichkeiten auftun, lauern auch Risiken. Albertine, die Protagonistin in Julie Delpys Film, reist in jenem Sommer für einige Tage zur Geburtstagsfeier ihrer Großmutter aufs Land. Tagsüber noch in diversen Kinderspielen mit ihren Cousins und Cousinen versunken, kann Albertine abends ihr Glück kaum fassen, als der schöne blonde Junge vom Strand sie in der Dorf-Disco zum Tanzen auffordert. Da ist es umso schmerzhafter, als er kurz darauf eine andere küsst. Da aber ist es schon passiert: Albertine hat ihre gewohnte Umlaufbahn verlassen und sieht sich neuartigen Kräften ausgesetzt. Dies ist nur eine der „Katastrophen“ in diesem Film, in dem es deutlich mehr um die Annäherung und Abstoßung zwischen den Menschen geht als um das drohende Ende der Raumstation. Allerdings werden auf diese Weise Albertines Eintritt in die Pubertät und der Familienzusammenkunft, die der „Skylab“-Absturz für immer beenden könnte, die Bedeutung des möglichen letzten Mals eingehaucht. Gegessen, gelacht, getratscht und gestritten wird freilich ansonsten wie immer bei solchen Festen. Besondere Vorkommnisse gibt es nicht. Es ist lediglich der übliche Großfamilienwahnsinn, der zwischen den Generationen, den Geschlechtern und politischen Einstellungen ausbricht, der das „Familientreffen mit Hindernissen“ in Schwung hält. Was der deutsche Filmtitel genau mit „Hindernissen“ meint, das ist nicht klar. Schließlich verläuft die Feier im Gegensatz zu den Familienzusammenkünften in Julie Delpys Cultural-Clash-Komödien „2 Tage Paris“ (fd 38 15) und „2 Tage New York“ (fd 41 153) relativ gemäßigt ab. Den ärgsten Unruhestiftern wird schnell und großmütig verziehen, und das „Skylab“ stürzt weit weg im australischen Outback ab, ohne jemanden zu verletzten. Sowieso geht es nostalgisch milde zu, weil die Geschichte aus der Erinnerung der heute erwachsenen Albertine erzählt wird, die sich während einer Zugfahrt auf familiäre Werte besinnt. Julie Delpy, die zunächst als Schauspielerin bekannt wurde, vor allem 1995 durch Richard Linklaters Film „Before Sunrise“ (fd 31 270), und die erst vor wenigen Jahren mit „2 Tage Paris“ als Regisseurin debütierte, inszeniert hier keine kritische Demontage, kreiert vielmehr eine autobiografisch gefärbte, humorvolle Liebeserklärung an den Großfamilienverbund. Das Interessante daran ist, dass sie gleichzeitig aus den banalen Handlungen des Festes ein feines Stimmungsbild der französischen Gesellschaft der 1970er-Jahre herausschält: Linke Hippies treffen auf erzkonservative Rechte; die einen verherrlichen die Kolonialzeiten, die anderen den Algerien-Krieg, alle zusammen beobachten die FKK-Bewegung mit unverständiger Belustigung. Dazwischen toben die Kinder und schlagen ihre eigenen Wege ein. Das kann man spannend finden oder auch langweilig, je nachdem, wie viel Unterhaltungswert und Relevanz man solcherlei Familientreffen beimisst. Immerhin versprüht dieser recht harmlose, gleichwohl sympathische Film den Witz und die Authentizität, die sich einstellen, wenn man eine Geschichte aus vollem Herzen erzählt und zugleich einem Ensemble aus humoristisch begabten Schauspielern die Luft zum Funken schlagen lässt (darunter Julie Delpy selbst in der Rolle von Albertines Mutter). So entstehen aus Nebensächlichkeiten eben doch belachens- und beweinenswerte Minidramen, die diesen Film lebendig machen.
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