© Universal (James Earl Jones in „Feld der Träume“)

Mit königlicher Autorität - James Earl Jones

Nachruf auf den US-amerikanischen Schauspieler James Earl Jones, der zu Unrecht meist nur als Stimme von Darth Vader erinnert wird und nicht als begnadeter, höchst vielseitiger Darsteller

Veröffentlicht am
24. September 2024
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Es war vor allem seine tiefe, kraftvoll tönende Stimme, die den US-Schauspieler James Earl Jones im Kino berühmt machte. Kultstatus erreichte seine Interpretation des „Star Wars“-Schurken Darth Vader. Doch James Earl Jones war weit mehr als ein begnadeter Sprecher. Auch die Kraft, emotionale Vielseitigkeit und schiere Präsenz des wuchtigen afroamerikanischen Darstellers bei seinen Film- und Theaterauftritten waren außergewöhnliche Erlebnisse, ob in Hauptrollen wie als Boxer in „Die große weiße Hoffnung“ oder in prägnanten Nebenparts von „Feld der Träume“ bis zum „Prinz aus Zamunda“.


Ein Mann mit der Kraft, die Welt zu erschüttern. Für US-Amerikaner mit Dünkel, Einfluss und weißer Hautfarbe ist der schwarze Boxer Jack Jefferson (James Earl Jones) Anfang des 20. Jahrhunderts so etwas wie der Antichrist, der als Sportler auf die Erde gesandt wurde, um sie aus den Angeln zu heben, da er im Ring einen weißen Kontrahenten nach dem anderen besiegt und seinen Stolz darüber unmissverständlich zeigt. Zu Beginn des 1970 erschienenen Films „Die große weiße Hoffnung“ beknien die in ihren Vorstellungen von „Rassenüberlegenheit“ tief gekränkten Männer einen weißen Boxer im Ruhestand deshalb zur Rückkehr in den Ring und übertreffen sich dabei gegenseitig mit grotesken Beschreibungen von Jeffersons Niedertracht und dreistem Benehmen.

Wenn der Film von Martin Ritt gleich darauf den Boxer das erste Mal in Person zeigt, scheint es kurz, als berührten die abfälligen Bemerkungen durchaus einen wahren Kern, so wild brüllend und Zähne fletschend drischt Jack Jefferson auf einen Boxsack ein. Doch im nächsten Moment fällt der angespannte Ausdruck vom Gesicht des muskelbepackten Mannes ab, und er entlarvt munter lachend die Show, die er sich zusammen mit seinen Schlägen antrainiert hat. Mit seinem Trainer und seinem Manager unterhält er sich munter scherzend, und zu seiner Freundin Ellie (Jane Alexander) ist er zärtlich und aufmerksam. So sehr, dass der verliebte Sportler nicht die Gefahr sieht, die alle anderen um ihn herum nur allzu deutlich spüren: Die Beziehung zu einer weißen Frau wird den Hass seiner Feinde noch weit mehr anstacheln als seine Erfolge im Boxen.

Der Bravourauftritt in „Die große weiße Hoffnung“ etablierte James Earl Jones im Kino (© IMAGO / Everett Collection)
Der Auftritt in „Die große weiße Hoffnung“ etablierte Jones im Kino (© imago/Everett Collection)

Die Aura des Unbeugsamen

Es braucht in „Die große weiße Hoffnung“ nur wenige Minuten, um die außergewöhnliche Bandbreite des Schauspielers James Earl Jones vor Augen zu führen. Die Physis eines Schwergewichtlers nimmt man dem kräftig gebauten Schauspieler ebenso ab, wie Jeffersons aggressiven Humor und seine Anfälle von Arroganz, aber auch die Verletzlichkeit gegenüber Ellie und seine im Laufe der Handlung wachsende Verzweiflung, als sie von den Attacken gegen ihre Beziehung aufgerieben wird.

1970 ist im Zuge von „New Hollywood“ auch in der Traumfabrik zwar vieles im Wandel, doch im Umgang mit afroamerikanischen Charakteren gibt es noch viel Nachholbedarf – allerdings auch ein großes Skandalpotenzial bei konservativen Zuschauern. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich James Earl Jones und Jane Alexander bereits nach knapp sechs Filmminuten küssen, und ihr natürliches Zusammenspiel in intimen Szenen sind als Gegenangriff auf den Rassismus von mindestens ebenso großer Kraft wie die Boxszenen, in denen Jefferson seine weißen Gegner k.o. schlägt. Es ist eine bravouröse Darbietung von historischer Bedeutung, was auch die „Oscar“-Nominierung als bester Hauptdarsteller unterstrich. James Earl Jones war nach Sidney Poitier überhaupt erst der zweite Mann mit schwarzer Hautfarbe, der in dieser Kategorie berücksichtigt wurde.

Wie der vier Jahre ältere Poitier strahlt auch James Earl Jones eine Autorität und Unbeugsamkeit aus, die begreiflich macht, wieso beide in einer Zeit zu Starschauspielern aufsteigen konnten, als dies afroamerikanischen Darstellern eigentlich nicht möglich war, da sie weder eine Lobby hatten noch auf komplexe Rollenangebote zählen konnten. Während Poitiers Ruhm auf seinen Leinwandauftritten beruhte, war Jones’ Domäne anfangs das Theater, wo er in den 1960er-Jahren in New York erste eindrucksvolle Spuren hinterließ; auch „Die große weiße Hoffnung“ war zuerst ein Bühnenerfolg, der Jones einen ersten „Tony“ einbrachte.

Darth Vader begleitet Jones über viele Jahrzehnte (hier: Premiere von „Star Wars - Episode II“)(© IMAGO/ZUMAPress)
Darth Vader begleitet Jones über Jahrzehnte; hier bei einer „Star Wars“-Premiere (© imago/ZUMAPress)

Im Bann von Darth Vader

Daneben glänzte er in Shakespeare-Stücken und etablierte schon früh, was zu einem seiner Markenzeichen wurde: die Interpretation von Figuren mit in den ursprünglichen Texten weißer Hautfarbe. Sein Filmdebüt gab der am 17. Januar 1931 in Mississippi geborene Darsteller in Stanley Kubricks „Dr. Seltsam“ (1963). Er absolvierte einige weitere Nebenrollen und Auftritte im Fernsehen, bevor er als Jack Jefferson erstmals im Fokus eines Films stand.

Angesichts der emotionalen Bandbreite und Körperlichkeit, mit der James Earl Jones in der Boxer-Rolle brilliert und die ihn als Schauspieler generell auszeichnen, ist es durchaus paradox, dass er seinen größten Kino-Ruhm mit einem reinen Sprechauftritt erreichte. Noch dazu mit einem, bei dem er seine ungewöhnlich tiefe und sonore Bassstimme auf einem bewusst trockenen, gleichmütigen Tonfall einpendelte. Doch James Earl Jones gestaltete seinen stimmlichen Beitrag zum „Star Wars“-Schurken Darth Vader als eine Demonstration subtilen Sprachkunst, wozu auch Vaders Entwicklung beiträgt. Während es in „Krieg der Sterne“ (1977) noch der in der jeder Situation kontrollierte Duktus und der boshafte Unterton selbst gegenüber Vertretern der eigenen Seite sind, die Vader kennzeichnen, führt die „Luke, ich bin dein Vater!“-Erklärung in „Das Imperium schlägt zurück“ (1980) eine unvermutete menschliche Note in seinen Auftritt ein.

Die letzten Dialoge mit seinem entfremdeten Sohn Luke Skywalker bringen weitere Facetten hervor, in denen dunkel seine Vergangenheit als Jedi anklingt und die auch Darth Vaders Rehabilitation in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) glaubwürdig machen. Dass in allen späteren „Star Wars“-Formaten mit dem maskentragenden Vader nur James Earl Jones als Sprecher in Frage kam, verstand sich angesichts seiner konkurrenzlosen Leistung fast von allein.

Zur Legende um James Earl Jones’ „Star Wars“-Rolle trug der Darsteller auch selbst bei, indem er immer wieder von seiner Kindheit berichtete, in der er nach der Trennung seiner Eltern stotterte und dies erst bezwang, als ein Lehrer ihn zum Vortrag selbstverfasster Gedichte motivierte. Ganz überwinden konnte Jones das Stottern aber nie, was ihn den Wert präzise gesetzter Worte umso mehr begreifen ließ: „Eines der härtesten Dinge im Leben ist es, Worte in deinem Herzen zu tragen, die du nicht aussprechen kannst“, schreibt er in seiner Autobiografie „Voices and Silences“.

In „Jagd auf Roter Oktober“ spielt Jones als Admiral eine seiner vielen Autoritätspersonen (© Paramount Pictures)
In „Jagd auf Roter Oktober“ spielt Jones als Admiral eine Autoritätsperson (© Paramount)

Die berühmteste Stimme Amerikas

Wohl auch deswegen prägte Jones’ Sprecher-Auftritte oft ein eher bedächtiges Tempo, das die Wirkung der Texte intensiviert. In dieser Funktion war er sehr gesucht und brachte ihm mit einiger Berechtigung den Ruf als „berühmteste Stimme Amerikas“ ein. Zahlreiche Filme und Fernsehserien setzten Jones als Erzähler ein; der Nachrichtensender CNN nutzte ihn für seinen Erkennungssatz „This is CNN“. Endgültig zur Sprecher-Ikone wurde er 1994 mit dem Zeichentrickfilm „Der König der Löwen“. Als Savannenherrscher Mufasa gelingt es James Earl Jones, ein aufrichtiges Verantwortungsgefühl für alle ihm untergebenen Tiergattungen in seine Stimme zu legen. Seinem übermütigen Sohn versucht Musafa das mit einer Mischung aus Strenge, leichter Enttäuschung und großer Zuneigung weiterzugeben: „Simba, du gehorchst mir nicht …!“

Diese royale Autorität brachte James Earl Jones auch als würdevoller afrikanischer König im recht albernen Ambiente der Eddie-Murphy-Komödie „Der Prinz aus Zamunda“ (1988) ein, ähnlich wie in den Part des aus vorhergehendem Weltverdruss wieder zum Optimismus findenden Schriftstellers in „Feld der Träume“ (1989). Größere Nebenrollen wie diese waren für James Earl Jones in den 1980er- und 1990er-Jahren charakteristisch. Nuancenreicher durfte er sich im Kino dieser Zeit nur selten präsentieren, etwa als Bergmann in John Sayles’ „Matewan“ (1987) – einem Part mit Anklängen an die Verhärtung und existenzielle Zerrissenheit des Arbeiters Troy Maxson in dem gefeierten Theaterstück „Fences“, für das James Earl Jones 1987 seinen zweiten „Tony“ gewann.

Im Vergleich zu solchen anspruchsvollen Aufgaben, wie sie ihm das Theater und vor allem in dankbaren Gastauftritten mitunter auch das Fernsehen boten, fielen im Kino eher wenige Hauptrollen für ihn ab. Dann aber spielte Jones sein Talent als vielseitiger Charakterinterpret aus. So überzeugte er als erster schwarzer US-Präsident in „The Man“ (1972), aber auch als jovialer Müllmann, der in „Claudine“ (1974) eine sechsfache Mutter umwirbt, als Reverend im Apartheid-Drama „Cry, the Beloved Country“ (1995) oder zusammen mit Robert Duvall als sich spät findende Halbbrüder mit unterschiedlicher Hautfarbe in „A Family Thing“ (1996).

Mit Diahann Carroll in der Komödie „Claudine“ (© IMAGO / Everett Collection)
Mit Diahann Carroll in der Komödie „Claudine“ (© imago/Everett Collection)

„Ehrenoscar“ fürs Lebenswerk

Als er ab den späten 1990er-Jahren im Kino immer weniger gefordert wurde, intensivierte James Earl Jones noch einmal seine Theatertätigkeit und glänzte in sorgsam ausgewählten Stücken wie „Am goldenen See“, „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ und „Miss Daisy und ihr Chauffeur“. 2011 erhielt der Schauspieler einen „Ehrenoscar“ für sein Lebenswerk, und im Remake von „Der König der Löwen“ (2019) sprach er erneut Mufasa. Sein letzter Film war 2021 „Der Prinz aus Zamunda 2“. Auch Darth Vader verlor er nicht aus dem Blick und erlaubte für etwaige zukünftige „Star Wars“-Produktionen die KI-programmierte Verwendung seiner Stimme. Am 9. September 2024 ist James Earl Jones im Alter von 93 Jahren in seinem Haus im Bundesstaat New York gestorben.

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